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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Schr

Hier bemerken wir nun in Vergleichung dessen,
was über Musik und Tanz geschrieben worden, daß
in jener, die Kunstsprach bestimmter, und ausführ-
licher ist, als für diese. Jn der Musik kann ein
Takt auf sehr vielerley Weise von andern unterschie-
den werden, und alles, was zu diesem Unterschied
gehöret, kann auf das deutlichste, bis auf die ge-
ringste Kleinigkeit durch Worte, oder durch Zeichen
angedeutet werden. Man unterscheidet nicht nur
die Takte von zwey, vier, acht; und von drey,
sechs, zwölf Zeiten u. s. f. sondern auch jede Zeit wird
bald durch einen bald mehrere Töne, oder mehrere
Zeiten nur durch einen Ton angefüllt u. s. f. Beym
Tanz hingegen hat man erstlich für die kleinern Be-
wegungen, woraus ein einfacher Schritt besteht, bey
weitem nicht alle hinlängliche Namen, und diese ein-
zelen Schritte selbst haben noch bey weitem nicht die
Mannigfaltigkeit, wodurch ein Takt sich von einem
andern unterscheiden kann. Es giebt nur sehr wenig
einfache Schritte, nämlich die so genannten pas mi-
gnardes,
die so genau charakterisirt sind, als die Takte.

Deswegen würde der, welcher das Tanzen so ge-
nau beschreiben und zergliedern wollte, wie man ein
Tonstük beschreiben und zergliedern kann, noch sehr
viel Namen zu erfinden, und sehr viel einzele kleine
Bewegungen besonders zu unterscheiden haben. Denn
eigentlich sollte es so vielerley einfache Schritte zum
Tanzen geben, so vielerley einzele Takte es in der
Musik giebt, diejenigen ausgenommen, die blos von
der Höhe und Tiefe der Töne herkommen. Aber
daran fehlet noch unendlich viel.

Schule.
(Mahlerey.)

Unter diesem Worte verstehen die Liebhaber der
zeichnenden Künste eine Folge von Künsilern, welche
einen gemeinschaftlichen Ursprung, und daher auch
etwas gemeinschaftliches in ihrem Charakter haben.
Die Künstler der römischen Schule, haben das Ge-
meinschaftliche, daß sie sich in Rom, vorzüglich durch
das Studium der Antiken gebildet, und sich mehr
durch Zeichnung, als durch die Farbe groß gemacht
haben. Man nimmt es aber doch so gar genau
mit der Bedeutung des Worts nicht; denn sonst
könnte man nicht von einer deutschen Schule sprechen.

Jm engern und bestimmten Verstand, bedeutet
Schule eine Folge von Mahlern, die ihre Kunst
hauptsächlich nach den Grundsäzen und Regeln eines
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Schw
einzigen Meisters gelernt haben, und entweder un-
mittelbar seine Schüler, oder doch Schüler seiner
Schüler sind. So sagt man die Schule des Ra-
phaels,
die Schule der Carrache.

Jm erstern etwas allgemeinen Verstand zählt
man bald mehr, bald weniger Schulen, nachdem
man genau seyn will. Wir haben von folgenden
Schulen in besonderen Artikeln gesprochen. Von
der Römischen, der Florentinischen, der Lombar-
dischen,
der Venetianischen, der Holländischen, der
Deutschen und der Französischen.

Schwäbischer Zeitpunkt.
(Dichtkunst.)

Man unterscheidet in der Geschichte der deutschen
Dichtkunst den Schwäbischen Zeitpunkt, als eine
ihr vorzüglich ehrenhafte Epoche. Den Namen hat
er von den Kaysern aus dem Hause Schwaben, un-
ter deren Regierung die deutsche Dichtkunst in einer
ausnehmenden Blüthe gestanden hat. Sie war ganz
in dem Charakter der Provenzalischen Poesie (*).
Mit Anfang des XIV Jahrhunderts nahm sie stark
ab und in der Mitte desselben, war sie schon ganz
schlecht. Die Vorstellung von Ritterschaft, von einer
Liebe, die mit den Begriffen von Stärke, Beschüzung
und galanter Dienstbarkeit verbunden war, veral-
terte, und kam nach und nach ins Vergessen. Die
Turniere, bey welchen vorher die Singer ihren gu-
ten Antheil gehabt hatten, kamen aus dem Ge-
brauch, und die Dichter wurden nun nicht mehr
für nöthige Personen bey den festlichen Lustbarkeiten
der Großen gehalten. Die Gönner des Gesanges
hatten sich verlohren, und dieses zog den Untergang
des Gesanges selbst nach sich, der hernach nur un-
ter den Pöbel kam. (*)

Schwarze Kunst.
(Kupferstecherkunst.)

Jst eine besondere Art, eine Zeichnung in Kupfer
zu graben, die nicht nur in der Behandlung, sondern
auch in der Würkung von dem eigentlichen Kupfer-
stechen und dem Radiren sehr merklich abgeht, und
ihre eigene Vortheile hat. Das Verfahren dabey
besteht überhaupt in folgenden.

Wenn die Platte, so wie zum Kupferstechen, oder
zum Radiren geglättet und polirt ist, wird sie mit
einem eigenen Jnstrument so überarbeitet, daß sie
nun ganz rauch wird, oder eine durchaus krause

Flä-
(*) S.
Provenza-
lisch.
(*) S
Dichtkunst.
S. 255 f. f.
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Schr

Hier bemerken wir nun in Vergleichung deſſen,
was uͤber Muſik und Tanz geſchrieben worden, daß
in jener, die Kunſtſprach beſtimmter, und ausfuͤhr-
licher iſt, als fuͤr dieſe. Jn der Muſik kann ein
Takt auf ſehr vielerley Weiſe von andern unterſchie-
den werden, und alles, was zu dieſem Unterſchied
gehoͤret, kann auf das deutlichſte, bis auf die ge-
ringſte Kleinigkeit durch Worte, oder durch Zeichen
angedeutet werden. Man unterſcheidet nicht nur
die Takte von zwey, vier, acht; und von drey,
ſechs, zwoͤlf Zeiten u. ſ. f. ſondern auch jede Zeit wird
bald durch einen bald mehrere Toͤne, oder mehrere
Zeiten nur durch einen Ton angefuͤllt u. ſ. f. Beym
Tanz hingegen hat man erſtlich fuͤr die kleinern Be-
wegungen, woraus ein einfacher Schritt beſteht, bey
weitem nicht alle hinlaͤngliche Namen, und dieſe ein-
zelen Schritte ſelbſt haben noch bey weitem nicht die
Mannigfaltigkeit, wodurch ein Takt ſich von einem
andern unterſcheiden kann. Es giebt nur ſehr wenig
einfache Schritte, naͤmlich die ſo genannten pas mi-
gnardés,
die ſo genau charakteriſirt ſind, als die Takte.

Deswegen wuͤrde der, welcher das Tanzen ſo ge-
nau beſchreiben und zergliedern wollte, wie man ein
Tonſtuͤk beſchreiben und zergliedern kann, noch ſehr
viel Namen zu erfinden, und ſehr viel einzele kleine
Bewegungen beſonders zu unterſcheiden haben. Denn
eigentlich ſollte es ſo vielerley einfache Schritte zum
Tanzen geben, ſo vielerley einzele Takte es in der
Muſik giebt, diejenigen ausgenommen, die blos von
der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne herkommen. Aber
daran fehlet noch unendlich viel.

Schule.
(Mahlerey.)

Unter dieſem Worte verſtehen die Liebhaber der
zeichnenden Kuͤnſte eine Folge von Kuͤnſilern, welche
einen gemeinſchaftlichen Urſprung, und daher auch
etwas gemeinſchaftliches in ihrem Charakter haben.
Die Kuͤnſtler der roͤmiſchen Schule, haben das Ge-
meinſchaftliche, daß ſie ſich in Rom, vorzuͤglich durch
das Studium der Antiken gebildet, und ſich mehr
durch Zeichnung, als durch die Farbe groß gemacht
haben. Man nimmt es aber doch ſo gar genau
mit der Bedeutung des Worts nicht; denn ſonſt
koͤnnte man nicht von einer deutſchen Schule ſprechen.

Jm engern und beſtimmten Verſtand, bedeutet
Schule eine Folge von Mahlern, die ihre Kunſt
hauptſaͤchlich nach den Grundſaͤzen und Regeln eines
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Schw
einzigen Meiſters gelernt haben, und entweder un-
mittelbar ſeine Schuͤler, oder doch Schuͤler ſeiner
Schuͤler ſind. So ſagt man die Schule des Ra-
phaels,
die Schule der Carrache.

Jm erſtern etwas allgemeinen Verſtand zaͤhlt
man bald mehr, bald weniger Schulen, nachdem
man genau ſeyn will. Wir haben von folgenden
Schulen in beſonderen Artikeln geſprochen. Von
der Roͤmiſchen, der Florentiniſchen, der Lombar-
diſchen,
der Venetianiſchen, der Hollaͤndiſchen, der
Deutſchen und der Franzoͤſiſchen.

Schwaͤbiſcher Zeitpunkt.
(Dichtkunſt.)

Man unterſcheidet in der Geſchichte der deutſchen
Dichtkunſt den Schwaͤbiſchen Zeitpunkt, als eine
ihr vorzuͤglich ehrenhafte Epoche. Den Namen hat
er von den Kayſern aus dem Hauſe Schwaben, un-
ter deren Regierung die deutſche Dichtkunſt in einer
ausnehmenden Bluͤthe geſtanden hat. Sie war ganz
in dem Charakter der Provenzaliſchen Poeſie (*).
Mit Anfang des XIV Jahrhunderts nahm ſie ſtark
ab und in der Mitte deſſelben, war ſie ſchon ganz
ſchlecht. Die Vorſtellung von Ritterſchaft, von einer
Liebe, die mit den Begriffen von Staͤrke, Beſchuͤzung
und galanter Dienſtbarkeit verbunden war, veral-
terte, und kam nach und nach ins Vergeſſen. Die
Turniere, bey welchen vorher die Singer ihren gu-
ten Antheil gehabt hatten, kamen aus dem Ge-
brauch, und die Dichter wurden nun nicht mehr
fuͤr noͤthige Perſonen bey den feſtlichen Luſtbarkeiten
der Großen gehalten. Die Goͤnner des Geſanges
hatten ſich verlohren, und dieſes zog den Untergang
des Geſanges ſelbſt nach ſich, der hernach nur un-
ter den Poͤbel kam. (*)

Schwarze Kunſt.
(Kupferſtecherkunſt.)

Jſt eine beſondere Art, eine Zeichnung in Kupfer
zu graben, die nicht nur in der Behandlung, ſondern
auch in der Wuͤrkung von dem eigentlichen Kupfer-
ſtechen und dem Radiren ſehr merklich abgeht, und
ihre eigene Vortheile hat. Das Verfahren dabey
beſteht uͤberhaupt in folgenden.

Wenn die Platte, ſo wie zum Kupferſtechen, oder
zum Radiren geglaͤttet und polirt iſt, wird ſie mit
einem eigenen Jnſtrument ſo uͤberarbeitet, daß ſie
nun ganz rauch wird, oder eine durchaus krauſe

Flaͤ-
(*) S.
Provenza-
liſch.
(*) S
Dichtkunſt.
S. 255 f. f.
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[1057[1039]/0486] Schr Schw Hier bemerken wir nun in Vergleichung deſſen, was uͤber Muſik und Tanz geſchrieben worden, daß in jener, die Kunſtſprach beſtimmter, und ausfuͤhr- licher iſt, als fuͤr dieſe. Jn der Muſik kann ein Takt auf ſehr vielerley Weiſe von andern unterſchie- den werden, und alles, was zu dieſem Unterſchied gehoͤret, kann auf das deutlichſte, bis auf die ge- ringſte Kleinigkeit durch Worte, oder durch Zeichen angedeutet werden. Man unterſcheidet nicht nur die Takte von zwey, vier, acht; und von drey, ſechs, zwoͤlf Zeiten u. ſ. f. ſondern auch jede Zeit wird bald durch einen bald mehrere Toͤne, oder mehrere Zeiten nur durch einen Ton angefuͤllt u. ſ. f. Beym Tanz hingegen hat man erſtlich fuͤr die kleinern Be- wegungen, woraus ein einfacher Schritt beſteht, bey weitem nicht alle hinlaͤngliche Namen, und dieſe ein- zelen Schritte ſelbſt haben noch bey weitem nicht die Mannigfaltigkeit, wodurch ein Takt ſich von einem andern unterſcheiden kann. Es giebt nur ſehr wenig einfache Schritte, naͤmlich die ſo genannten pas mi- gnardés, die ſo genau charakteriſirt ſind, als die Takte. Deswegen wuͤrde der, welcher das Tanzen ſo ge- nau beſchreiben und zergliedern wollte, wie man ein Tonſtuͤk beſchreiben und zergliedern kann, noch ſehr viel Namen zu erfinden, und ſehr viel einzele kleine Bewegungen beſonders zu unterſcheiden haben. Denn eigentlich ſollte es ſo vielerley einfache Schritte zum Tanzen geben, ſo vielerley einzele Takte es in der Muſik giebt, diejenigen ausgenommen, die blos von der Hoͤhe und Tiefe der Toͤne herkommen. Aber daran fehlet noch unendlich viel. Schule. (Mahlerey.) Unter dieſem Worte verſtehen die Liebhaber der zeichnenden Kuͤnſte eine Folge von Kuͤnſilern, welche einen gemeinſchaftlichen Urſprung, und daher auch etwas gemeinſchaftliches in ihrem Charakter haben. Die Kuͤnſtler der roͤmiſchen Schule, haben das Ge- meinſchaftliche, daß ſie ſich in Rom, vorzuͤglich durch das Studium der Antiken gebildet, und ſich mehr durch Zeichnung, als durch die Farbe groß gemacht haben. Man nimmt es aber doch ſo gar genau mit der Bedeutung des Worts nicht; denn ſonſt koͤnnte man nicht von einer deutſchen Schule ſprechen. Jm engern und beſtimmten Verſtand, bedeutet Schule eine Folge von Mahlern, die ihre Kunſt hauptſaͤchlich nach den Grundſaͤzen und Regeln eines einzigen Meiſters gelernt haben, und entweder un- mittelbar ſeine Schuͤler, oder doch Schuͤler ſeiner Schuͤler ſind. So ſagt man die Schule des Ra- phaels, die Schule der Carrache. Jm erſtern etwas allgemeinen Verſtand zaͤhlt man bald mehr, bald weniger Schulen, nachdem man genau ſeyn will. Wir haben von folgenden Schulen in beſonderen Artikeln geſprochen. Von der Roͤmiſchen, der Florentiniſchen, der Lombar- diſchen, der Venetianiſchen, der Hollaͤndiſchen, der Deutſchen und der Franzoͤſiſchen. Schwaͤbiſcher Zeitpunkt. (Dichtkunſt.) Man unterſcheidet in der Geſchichte der deutſchen Dichtkunſt den Schwaͤbiſchen Zeitpunkt, als eine ihr vorzuͤglich ehrenhafte Epoche. Den Namen hat er von den Kayſern aus dem Hauſe Schwaben, un- ter deren Regierung die deutſche Dichtkunſt in einer ausnehmenden Bluͤthe geſtanden hat. Sie war ganz in dem Charakter der Provenzaliſchen Poeſie (*). Mit Anfang des XIV Jahrhunderts nahm ſie ſtark ab und in der Mitte deſſelben, war ſie ſchon ganz ſchlecht. Die Vorſtellung von Ritterſchaft, von einer Liebe, die mit den Begriffen von Staͤrke, Beſchuͤzung und galanter Dienſtbarkeit verbunden war, veral- terte, und kam nach und nach ins Vergeſſen. Die Turniere, bey welchen vorher die Singer ihren gu- ten Antheil gehabt hatten, kamen aus dem Ge- brauch, und die Dichter wurden nun nicht mehr fuͤr noͤthige Perſonen bey den feſtlichen Luſtbarkeiten der Großen gehalten. Die Goͤnner des Geſanges hatten ſich verlohren, und dieſes zog den Untergang des Geſanges ſelbſt nach ſich, der hernach nur un- ter den Poͤbel kam. (*) Schwarze Kunſt. (Kupferſtecherkunſt.) Jſt eine beſondere Art, eine Zeichnung in Kupfer zu graben, die nicht nur in der Behandlung, ſondern auch in der Wuͤrkung von dem eigentlichen Kupfer- ſtechen und dem Radiren ſehr merklich abgeht, und ihre eigene Vortheile hat. Das Verfahren dabey beſteht uͤberhaupt in folgenden. Wenn die Platte, ſo wie zum Kupferſtechen, oder zum Radiren geglaͤttet und polirt iſt, wird ſie mit einem eigenen Jnſtrument ſo uͤberarbeitet, daß ſie nun ganz rauch wird, oder eine durchaus krauſe Flaͤ- (*) S. Provenza- liſch. (*) S Dichtkunſt. S. 255 f. f.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1057[1039]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/486>, abgerufen am 29.04.2024.