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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Ton

Die Größe richtet sich nach der Bestimmung und
der Art des Gebäudes. Das beste Verhältnis der
Weite zur Höhe ist, wie 1 zu 2.

Hausthüren, oder Kirchthüren, die Theile der
Außenseiten ausmachen, müssen natürlicher Weise,
um das Auge gerade dahin zu loken, eine etwas rei-
chere Bauart haben, als die übrigen Theile.

So wie wir überhaupt die Oefnungen mit Bo-
gen, wo sie nicht nothwendig sind, verwerfen, so
würden wir blos gerade geschlossene Thüren zulassen.
Eine ganz schlechte Würkung thun die mit einen
vollen Bogen geschlossenen Thüren, wo die daneben
stehenden Fenster ohne Bogen sind.

Jn Berlin ist der schlechte Geschmak aufgekom-
men, die Gewände und den Bogen der Hausthüren
perspektivisch zu machen, welches ganz ungereimt ist.
Denn andrer Gründe zu geschweigen, so macht diese
seltsame Veranstaltung entweder, daß die Oefnung
der Thüre zu klein, und so gar kleiner als die Oef-
nung der Fenster wird, oder, wenn die Oefnung
ihre rechte Größe hat, so wird der äußere Umriß
der Bekleidung zu groß.

Die Thüren können auf vielerley Weise verziehrt
werden. Es würde viel zu weitläuftig seyn, uns
hierüber in besondere Betrachtungen einzulassen.
Goldmann giebt funfzehen verschiedene Arten davon
an, die mit guter Ueberlegung ausgedacht sind. Die
Hauptsache kommt allemal darauf an, daß solche
Verziehrungen, dem im Ganzen herrschenden Ge-
schmak angemessen seyen.

Ton.
(Musik.)

Dieses Wort wird selbst in der Musik, wo es seine
eigentliche Bedeutung vorzüglich behält, dennoch von
ganz verschiedenen Dingen genommen. 1. Bedeu-
tet es den Klang der Jnstrumente überhaupt, als den
besondern Klang einer Flöte, einer Violine u. s. f.
Denn man sagt von einem solchen Jnstrument, es
habe einen schönen, hellen, vollen, oder einen
schlechten, dumpfichten, unangenehmen Ton. Es
wäre der Mühe wol werth, daß man versuchte die
verschiedene Arten des Tones, nach dem eigenthüm-
lichen Charakter jeder Art, zu bestimmen. Der
Ton der menschlichen Stimme wird durchgehends
mit Recht für den vollkommensten gehalten, weil
er jeden Charakter annehmen kann. Blas-Jnstru-
mente haben offenbar einen ganz andern Charakter
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Ton
des Tones, als Sayteninstrumente, und von diesen
ist der Ton derer, die gestrichen werden, wieder
von dem, der durch das Anschlagen oder Zupfen der
Sayten hervorgebracht wird, ganz verschieden.
Es giebt Jnstrumente die einen klagenden Ton ha-
ben, andre haben einen fröhlichen. Wo es darum
zu thun ist, den Menschen durch Töne in würkliche
Leidenschaft zu sezen, kommt sehr viel auf die gute
Wahl des Jnstruments an, das den schiklichen Ton
dazu hat.

2. Durch Ton verstehet man auch überhaupt
einen Klang von bestimmter, oder abgemessener Höhe.
So sagt man: der Ton C oder c; ein Baßton, ein
Tenorton u. s. f. Jn eben diesem Sinne sagt man
von einem Jnstrument überhaupt, es sey im Chor-
oder Cammerton gestimmt.

3. Besonders bedeutet das Wort ein Jntervall
von einer einzigen diatonischen Stufe, und da un-
terscheidet man ganze und halbe Töne. Ganze Töne
werden die größern Stufen C-D, D-E; halbe Töne
die kleinern E-F, F-Fis, u. s. f. genannt. Die
ganzen Töne sind wieder zweyerley: der große ganze
Ton C-D, hat das Verhältnis von , der kleine
ganze Ton, wie D-E, hat das Verhältnis von .
Auch die kleinern diatonischen Stufen, die man halbe
Töne nennt, sind von ungleicher Größe; bald in
dem Verhältnis von , bald von (*).

4. Ton bedeutet auch die ganze Tonleiter, oder
diatonische Folge der acht zur Octave eines jeden
Tones gehörigen Sayten. Wenn man sagt, ein
Stük sey aus einem gewissen Ton gesezt, oder man
spiehle aus einem gewissen Tone, so heißt es so viel,
man nehme zur Fortschreitung des Gesanges nur die
Töne, die in der Octave desselben Tones nach seiner
harten oder weichen Tonart liegen. Und weil in
größern Stüken der Gesang durch mehrere Tonlei-
tern vermittelst der Modulation durchgeführt wird,
so wird der Ton, in dessen Tonleiter das Stük an-
fängt und endiget, und die auch durch die ganze
Modulation hindurch vorzüglich herrscht, der Haupt-
ton des Stüks genennt (*).

Ehe die halben Töne C, D, F, G. in das
System eingeführt worden, hatte das ganze System
nur sechs Töne, deren jeder seine eigene diatonische
Tonleiter hatte, nämlich C, D, E, F, G und A. (*)
Aber aus jedem dieser Töne war man gewohnt, auf
zweyerley Weise den Gesang zu bilden, indem man
die Melodie auf die obere, oder untere Hälfte der

Ton-
(*) S.
Art. Sy-
stem.
(*) S.
Hauptton.
(*) S.
S. 1127.
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Ton

Die Groͤße richtet ſich nach der Beſtimmung und
der Art des Gebaͤudes. Das beſte Verhaͤltnis der
Weite zur Hoͤhe iſt, wie 1 zu 2.

Hausthuͤren, oder Kirchthuͤren, die Theile der
Außenſeiten ausmachen, muͤſſen natuͤrlicher Weiſe,
um das Auge gerade dahin zu loken, eine etwas rei-
chere Bauart haben, als die uͤbrigen Theile.

So wie wir uͤberhaupt die Oefnungen mit Bo-
gen, wo ſie nicht nothwendig ſind, verwerfen, ſo
wuͤrden wir blos gerade geſchloſſene Thuͤren zulaſſen.
Eine ganz ſchlechte Wuͤrkung thun die mit einen
vollen Bogen geſchloſſenen Thuͤren, wo die daneben
ſtehenden Fenſter ohne Bogen ſind.

Jn Berlin iſt der ſchlechte Geſchmak aufgekom-
men, die Gewaͤnde und den Bogen der Hausthuͤren
perſpektiviſch zu machen, welches ganz ungereimt iſt.
Denn andrer Gruͤnde zu geſchweigen, ſo macht dieſe
ſeltſame Veranſtaltung entweder, daß die Oefnung
der Thuͤre zu klein, und ſo gar kleiner als die Oef-
nung der Fenſter wird, oder, wenn die Oefnung
ihre rechte Groͤße hat, ſo wird der aͤußere Umriß
der Bekleidung zu groß.

Die Thuͤren koͤnnen auf vielerley Weiſe verziehrt
werden. Es wuͤrde viel zu weitlaͤuftig ſeyn, uns
hieruͤber in beſondere Betrachtungen einzulaſſen.
Goldmann giebt funfzehen verſchiedene Arten davon
an, die mit guter Ueberlegung ausgedacht ſind. Die
Hauptſache kommt allemal darauf an, daß ſolche
Verziehrungen, dem im Ganzen herrſchenden Ge-
ſchmak angemeſſen ſeyen.

Ton.
(Muſik.)

Dieſes Wort wird ſelbſt in der Muſik, wo es ſeine
eigentliche Bedeutung vorzuͤglich behaͤlt, dennoch von
ganz verſchiedenen Dingen genommen. 1. Bedeu-
tet es den Klang der Jnſtrumente uͤberhaupt, als den
beſondern Klang einer Floͤte, einer Violine u. ſ. f.
Denn man ſagt von einem ſolchen Jnſtrument, es
habe einen ſchoͤnen, hellen, vollen, oder einen
ſchlechten, dumpfichten, unangenehmen Ton. Es
waͤre der Muͤhe wol werth, daß man verſuchte die
verſchiedene Arten des Tones, nach dem eigenthuͤm-
lichen Charakter jeder Art, zu beſtimmen. Der
Ton der menſchlichen Stimme wird durchgehends
mit Recht fuͤr den vollkommenſten gehalten, weil
er jeden Charakter annehmen kann. Blas-Jnſtru-
mente haben offenbar einen ganz andern Charakter
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Ton
des Tones, als Sayteninſtrumente, und von dieſen
iſt der Ton derer, die geſtrichen werden, wieder
von dem, der durch das Anſchlagen oder Zupfen der
Sayten hervorgebracht wird, ganz verſchieden.
Es giebt Jnſtrumente die einen klagenden Ton ha-
ben, andre haben einen froͤhlichen. Wo es darum
zu thun iſt, den Menſchen durch Toͤne in wuͤrkliche
Leidenſchaft zu ſezen, kommt ſehr viel auf die gute
Wahl des Jnſtruments an, das den ſchiklichen Ton
dazu hat.

2. Durch Ton verſtehet man auch uͤberhaupt
einen Klang von beſtimmter, oder abgemeſſener Hoͤhe.
So ſagt man: der Ton C oder c; ein Baßton, ein
Tenorton u. ſ. f. Jn eben dieſem Sinne ſagt man
von einem Jnſtrument uͤberhaupt, es ſey im Chor-
oder Cammerton geſtimmt.

3. Beſonders bedeutet das Wort ein Jntervall
von einer einzigen diatoniſchen Stufe, und da un-
terſcheidet man ganze und halbe Toͤne. Ganze Toͤne
werden die groͤßern Stufen C-D, D-E; halbe Toͤne
die kleinern E-F, F-Fis, u. ſ. f. genannt. Die
ganzen Toͤne ſind wieder zweyerley: der große ganze
Ton C-D, hat das Verhaͤltnis von , der kleine
ganze Ton, wie D-E, hat das Verhaͤltnis von .
Auch die kleinern diatoniſchen Stufen, die man halbe
Toͤne nennt, ſind von ungleicher Groͤße; bald in
dem Verhaͤltnis von , bald von (*).

4. Ton bedeutet auch die ganze Tonleiter, oder
diatoniſche Folge der acht zur Octave eines jeden
Tones gehoͤrigen Sayten. Wenn man ſagt, ein
Stuͤk ſey aus einem gewiſſen Ton geſezt, oder man
ſpiehle aus einem gewiſſen Tone, ſo heißt es ſo viel,
man nehme zur Fortſchreitung des Geſanges nur die
Toͤne, die in der Octave deſſelben Tones nach ſeiner
harten oder weichen Tonart liegen. Und weil in
groͤßern Stuͤken der Geſang durch mehrere Tonlei-
tern vermittelſt der Modulation durchgefuͤhrt wird,
ſo wird der Ton, in deſſen Tonleiter das Stuͤk an-
faͤngt und endiget, und die auch durch die ganze
Modulation hindurch vorzuͤglich herrſcht, der Haupt-
ton des Stuͤks genennt (*).

Ehe die halben Toͤne 𝇏C, 𝇏D, 𝇏F, 𝇏G. in das
Syſtem eingefuͤhrt worden, hatte das ganze Syſtem
nur ſechs Toͤne, deren jeder ſeine eigene diatoniſche
Tonleiter hatte, naͤmlich C, D, E, F, G und A. (*)
Aber aus jedem dieſer Toͤne war man gewohnt, auf
zweyerley Weiſe den Geſang zu bilden, indem man
die Melodie auf die obere, oder untere Haͤlfte der

Ton-
(*) S.
Art. Sy-
ſtem.
(*) S.
Hauptton.
(*) S.
S. 1127.
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[1156[1138]/0585] Ton Ton Die Groͤße richtet ſich nach der Beſtimmung und der Art des Gebaͤudes. Das beſte Verhaͤltnis der Weite zur Hoͤhe iſt, wie 1 zu 2. Hausthuͤren, oder Kirchthuͤren, die Theile der Außenſeiten ausmachen, muͤſſen natuͤrlicher Weiſe, um das Auge gerade dahin zu loken, eine etwas rei- chere Bauart haben, als die uͤbrigen Theile. So wie wir uͤberhaupt die Oefnungen mit Bo- gen, wo ſie nicht nothwendig ſind, verwerfen, ſo wuͤrden wir blos gerade geſchloſſene Thuͤren zulaſſen. Eine ganz ſchlechte Wuͤrkung thun die mit einen vollen Bogen geſchloſſenen Thuͤren, wo die daneben ſtehenden Fenſter ohne Bogen ſind. Jn Berlin iſt der ſchlechte Geſchmak aufgekom- men, die Gewaͤnde und den Bogen der Hausthuͤren perſpektiviſch zu machen, welches ganz ungereimt iſt. Denn andrer Gruͤnde zu geſchweigen, ſo macht dieſe ſeltſame Veranſtaltung entweder, daß die Oefnung der Thuͤre zu klein, und ſo gar kleiner als die Oef- nung der Fenſter wird, oder, wenn die Oefnung ihre rechte Groͤße hat, ſo wird der aͤußere Umriß der Bekleidung zu groß. Die Thuͤren koͤnnen auf vielerley Weiſe verziehrt werden. Es wuͤrde viel zu weitlaͤuftig ſeyn, uns hieruͤber in beſondere Betrachtungen einzulaſſen. Goldmann giebt funfzehen verſchiedene Arten davon an, die mit guter Ueberlegung ausgedacht ſind. Die Hauptſache kommt allemal darauf an, daß ſolche Verziehrungen, dem im Ganzen herrſchenden Ge- ſchmak angemeſſen ſeyen. Ton. (Muſik.) Dieſes Wort wird ſelbſt in der Muſik, wo es ſeine eigentliche Bedeutung vorzuͤglich behaͤlt, dennoch von ganz verſchiedenen Dingen genommen. 1. Bedeu- tet es den Klang der Jnſtrumente uͤberhaupt, als den beſondern Klang einer Floͤte, einer Violine u. ſ. f. Denn man ſagt von einem ſolchen Jnſtrument, es habe einen ſchoͤnen, hellen, vollen, oder einen ſchlechten, dumpfichten, unangenehmen Ton. Es waͤre der Muͤhe wol werth, daß man verſuchte die verſchiedene Arten des Tones, nach dem eigenthuͤm- lichen Charakter jeder Art, zu beſtimmen. Der Ton der menſchlichen Stimme wird durchgehends mit Recht fuͤr den vollkommenſten gehalten, weil er jeden Charakter annehmen kann. Blas-Jnſtru- mente haben offenbar einen ganz andern Charakter des Tones, als Sayteninſtrumente, und von dieſen iſt der Ton derer, die geſtrichen werden, wieder von dem, der durch das Anſchlagen oder Zupfen der Sayten hervorgebracht wird, ganz verſchieden. Es giebt Jnſtrumente die einen klagenden Ton ha- ben, andre haben einen froͤhlichen. Wo es darum zu thun iſt, den Menſchen durch Toͤne in wuͤrkliche Leidenſchaft zu ſezen, kommt ſehr viel auf die gute Wahl des Jnſtruments an, das den ſchiklichen Ton dazu hat. 2. Durch Ton verſtehet man auch uͤberhaupt einen Klang von beſtimmter, oder abgemeſſener Hoͤhe. So ſagt man: der Ton C oder c; ein Baßton, ein Tenorton u. ſ. f. Jn eben dieſem Sinne ſagt man von einem Jnſtrument uͤberhaupt, es ſey im Chor- oder Cammerton geſtimmt. 3. Beſonders bedeutet das Wort ein Jntervall von einer einzigen diatoniſchen Stufe, und da un- terſcheidet man ganze und halbe Toͤne. Ganze Toͤne werden die groͤßern Stufen C-D, D-E; halbe Toͤne die kleinern E-F, F-Fis, u. ſ. f. genannt. Die ganzen Toͤne ſind wieder zweyerley: der große ganze Ton C-D, hat das Verhaͤltnis von [FORMEL], der kleine ganze Ton, wie D-E, hat das Verhaͤltnis von [FORMEL]. Auch die kleinern diatoniſchen Stufen, die man halbe Toͤne nennt, ſind von ungleicher Groͤße; bald in dem Verhaͤltnis von [FORMEL], bald von [FORMEL] (*). 4. Ton bedeutet auch die ganze Tonleiter, oder diatoniſche Folge der acht zur Octave eines jeden Tones gehoͤrigen Sayten. Wenn man ſagt, ein Stuͤk ſey aus einem gewiſſen Ton geſezt, oder man ſpiehle aus einem gewiſſen Tone, ſo heißt es ſo viel, man nehme zur Fortſchreitung des Geſanges nur die Toͤne, die in der Octave deſſelben Tones nach ſeiner harten oder weichen Tonart liegen. Und weil in groͤßern Stuͤken der Geſang durch mehrere Tonlei- tern vermittelſt der Modulation durchgefuͤhrt wird, ſo wird der Ton, in deſſen Tonleiter das Stuͤk an- faͤngt und endiget, und die auch durch die ganze Modulation hindurch vorzuͤglich herrſcht, der Haupt- ton des Stuͤks genennt (*). Ehe die halben Toͤne 𝇏C, 𝇏D, 𝇏F, 𝇏G. in das Syſtem eingefuͤhrt worden, hatte das ganze Syſtem nur ſechs Toͤne, deren jeder ſeine eigene diatoniſche Tonleiter hatte, naͤmlich C, D, E, F, G und A. (*) Aber aus jedem dieſer Toͤne war man gewohnt, auf zweyerley Weiſe den Geſang zu bilden, indem man die Melodie auf die obere, oder untere Haͤlfte der Ton- (*) S. Art. Sy- ſtem. (*) S. Hauptton. (*) S. S. 1127.

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 1156[1138]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/585>, abgerufen am 29.04.2024.