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Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774.

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Kup
Gemächlichkeit zu betrachten, daß man sich nicht
wundern därf, wenn man den Geschmak an Ku-
pferstichen so allgemein ausgebreitet antrift. Aber
man stößt auch hier, wie bey allen andern Liebha-
bereyen, bisweilen auf große Mißbräuche. Man
findet in allen Ländern eine seltsame Art Liebhaber,
die Kupferstiche sammeln, wie etwa die Kinder bunte
Steine, oder andre ihnen völlig unnüze Dinge mit
großen Eyfer sammeln, blos um sich mit etwas zu
beschäftigen, und ohne den geringsten Vortheil dar-
aus zu ziehen, als eine völlig gleichgültige Thätig-
keit zu befriedigen. An Oertern wo ein solches
Sammlen Mode worden, sieht man ein wunder-
bares Bestreben unter den Sammlern, wodurch je-
der es andern zuvorthun will: und dieses Nachey-
fern wird nicht selten bis zu einer Art der Raserey
getrieben. Es giebt Sammler, die sich nur auf
gewisse Gattungen der Kupferstiche einschränken,
die etwa die Sammlung von einer Schule, oder
auch nur von einem Künstler vollständig zu haben
wünschen, denen also ein fehlendes Blatt, wenn es
an sich auch nicht den geringsten Werth hätte, un-
ruhige Nächte macht, und die es bey aufstoßender
Gelegenheit um einen Preis anschaffen, der seinen
wahren Werth hundertmal übersteiget. Man trift
auch nicht selten bey diesen Sammlern noch andre
Arten von Thorheiten an. Aber anstatt dergleichen
Mißbräuche zu rügen, wollen wir lieber versuchen
einige Vorschläge zu thun, wie noch neue Gattun-
gen nüzlicher Sammlungen von Kupferstichen zu
machen wären.

Vor allen Dingen wünschte ich, daß einer von
den geschiktesten Kupferstechern sich die Mühe gäbe
ein Verzeichnis einer solchen Sammlung zu geben,
aus welcher man den Anfang und Fortgang der
Kunst, nach den verschiedenen merkbaren Stufen,
durch welche sie zur Vollkommenheit gestiegen ist,
sehen könnte. Diese Sammlung würde eine Folge
von Blättern ausmachen, darin jedes folgende in
der Behandlung etwas hätte, das den vorhergehen-
den noch fehlet, und wodurch die Kunst des Ste-
chens, oder des Aezens um einen Schritt weiter
gebracht worden. Eine solche Sammlung würde
die wahre Geschichte der Kunst auf das Deutlichste
darstellen.

Man könnte auch Verzeichnisse solcher Samm-
lungen machen, deren jede vornehmlich einen Theil
der Kunst in seiner Vollkommenheit darstellte. Jn
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Kup Kür
die eine kämen nur solche historische Stüke, die
sich durch eine fürtrefliche Erfindung, oder solche
die sich durch eine vollkommene Anordnung auszeich-
neten; eine andre wäre den Kupferstichen gewid-
met, wo die Austheilung des Lichts und Schattens
vorzüglich glüklich angebracht worden. Für Por-
traite könnte eine Sammlung gemacht werden,
darin jedes Blatt wegen der Stellung etwas vor-
zügliches hätte.

Es läßt sich leicht begreifen, wie nüzlich derglei-
chen Sammlungen dem Künstler und dem Liebha-
ber seyn würden. Jn die Sammlungen jeder Gat-
tungen dürften nicht eben immer dieselben Stüke
kommen; denn ofte hat man viel Stüke, davon
jedes tüchtig wäre, eine gewisse Lüke der Samm-
lung auszufüllen. Also müßten die Verzeichnisse so
eingerichtet werden, daß für jeden besondern Theil
der Kunst mehrere Stücke als Beyspiele darin ver-
zeichnet wären, damit der Liebhaber wenigstens ei-
nes, oder ein Paar derselben anschaffen könnte.
So könnten z. B. zur Geschichte der Kunst, meh-
rere Sammlungen gemacht werden, davon keine
dieselben Blätter enthielte, die schon in einer an-
dern sind. Allgemeine Sammlungen, die sich auf
alle Zweyge der Kunst und auf alle Schulen erstre-
ken, sind Unternehmungen, die man öffentlichen
Anstalten überlassen muß, weil der dazu nöthige
Aufwand die Kräfte der reichsten Privatpersonen
übersteigen.

Die Materie von den verschiedenen Absichten, die
man bey Kupfersammlungen haben kann, von der
besten Art dieselben zu erreichen, von der Wahl
der Stüke, von der Anordnung der Sammlung
und vielen andern dahin gehörigen Dingen, ver-
diente eine vollständige Ausführung, und würde
ein Werk von beträchtlichem Umfange werden.

Kürze.
(Redende Künste.)

Ohne Zweifel ist die Kürze eine der wichtigsten Voll-
kommenheiten der Rede. Sie trägt viel Gedanken
in wenig Worten vor, und erreicht also den Zwek
der Rede auf eine vollkommene Weise. Es hat
allemal etwas reizendes und einigermaaßen wunder-
bares für uns, wenn wir sehen, daß mit wenigem
viel ausgerichtet wird; und denn ist die Kürze den
Gedanken, was dem baaren Reichthum das Gold
ist, welches das Aufbehalten, Ueberzählen und Aus-

geben
Zweyter Theil. M m m m

[Spaltenumbruch]

Kup
Gemaͤchlichkeit zu betrachten, daß man ſich nicht
wundern daͤrf, wenn man den Geſchmak an Ku-
pferſtichen ſo allgemein ausgebreitet antrift. Aber
man ſtoͤßt auch hier, wie bey allen andern Liebha-
bereyen, bisweilen auf große Mißbraͤuche. Man
findet in allen Laͤndern eine ſeltſame Art Liebhaber,
die Kupferſtiche ſammeln, wie etwa die Kinder bunte
Steine, oder andre ihnen voͤllig unnuͤze Dinge mit
großen Eyfer ſammeln, blos um ſich mit etwas zu
beſchaͤftigen, und ohne den geringſten Vortheil dar-
aus zu ziehen, als eine voͤllig gleichguͤltige Thaͤtig-
keit zu befriedigen. An Oertern wo ein ſolches
Sammlen Mode worden, ſieht man ein wunder-
bares Beſtreben unter den Sammlern, wodurch je-
der es andern zuvorthun will: und dieſes Nachey-
fern wird nicht ſelten bis zu einer Art der Raſerey
getrieben. Es giebt Sammler, die ſich nur auf
gewiſſe Gattungen der Kupferſtiche einſchraͤnken,
die etwa die Sammlung von einer Schule, oder
auch nur von einem Kuͤnſtler vollſtaͤndig zu haben
wuͤnſchen, denen alſo ein fehlendes Blatt, wenn es
an ſich auch nicht den geringſten Werth haͤtte, un-
ruhige Naͤchte macht, und die es bey aufſtoßender
Gelegenheit um einen Preis anſchaffen, der ſeinen
wahren Werth hundertmal uͤberſteiget. Man trift
auch nicht ſelten bey dieſen Sammlern noch andre
Arten von Thorheiten an. Aber anſtatt dergleichen
Mißbraͤuche zu ruͤgen, wollen wir lieber verſuchen
einige Vorſchlaͤge zu thun, wie noch neue Gattun-
gen nuͤzlicher Sammlungen von Kupferſtichen zu
machen waͤren.

Vor allen Dingen wuͤnſchte ich, daß einer von
den geſchikteſten Kupferſtechern ſich die Muͤhe gaͤbe
ein Verzeichnis einer ſolchen Sammlung zu geben,
aus welcher man den Anfang und Fortgang der
Kunſt, nach den verſchiedenen merkbaren Stufen,
durch welche ſie zur Vollkommenheit geſtiegen iſt,
ſehen koͤnnte. Dieſe Sammlung wuͤrde eine Folge
von Blaͤttern ausmachen, darin jedes folgende in
der Behandlung etwas haͤtte, das den vorhergehen-
den noch fehlet, und wodurch die Kunſt des Ste-
chens, oder des Aezens um einen Schritt weiter
gebracht worden. Eine ſolche Sammlung wuͤrde
die wahre Geſchichte der Kunſt auf das Deutlichſte
darſtellen.

Man koͤnnte auch Verzeichniſſe ſolcher Samm-
lungen machen, deren jede vornehmlich einen Theil
der Kunſt in ſeiner Vollkommenheit darſtellte. Jn
[Spaltenumbruch]

Kup Kuͤr
die eine kaͤmen nur ſolche hiſtoriſche Stuͤke, die
ſich durch eine fuͤrtrefliche Erfindung, oder ſolche
die ſich durch eine vollkommene Anordnung auszeich-
neten; eine andre waͤre den Kupferſtichen gewid-
met, wo die Austheilung des Lichts und Schattens
vorzuͤglich gluͤklich angebracht worden. Fuͤr Por-
traite koͤnnte eine Sammlung gemacht werden,
darin jedes Blatt wegen der Stellung etwas vor-
zuͤgliches haͤtte.

Es laͤßt ſich leicht begreifen, wie nuͤzlich derglei-
chen Sammlungen dem Kuͤnſtler und dem Liebha-
ber ſeyn wuͤrden. Jn die Sammlungen jeder Gat-
tungen duͤrften nicht eben immer dieſelben Stuͤke
kommen; denn ofte hat man viel Stuͤke, davon
jedes tuͤchtig waͤre, eine gewiſſe Luͤke der Samm-
lung auszufuͤllen. Alſo muͤßten die Verzeichniſſe ſo
eingerichtet werden, daß fuͤr jeden beſondern Theil
der Kunſt mehrere Stuͤcke als Beyſpiele darin ver-
zeichnet waͤren, damit der Liebhaber wenigſtens ei-
nes, oder ein Paar derſelben anſchaffen koͤnnte.
So koͤnnten z. B. zur Geſchichte der Kunſt, meh-
rere Sammlungen gemacht werden, davon keine
dieſelben Blaͤtter enthielte, die ſchon in einer an-
dern ſind. Allgemeine Sammlungen, die ſich auf
alle Zweyge der Kunſt und auf alle Schulen erſtre-
ken, ſind Unternehmungen, die man oͤffentlichen
Anſtalten uͤberlaſſen muß, weil der dazu noͤthige
Aufwand die Kraͤfte der reichſten Privatperſonen
uͤberſteigen.

Die Materie von den verſchiedenen Abſichten, die
man bey Kupferſammlungen haben kann, von der
beſten Art dieſelben zu erreichen, von der Wahl
der Stuͤke, von der Anordnung der Sammlung
und vielen andern dahin gehoͤrigen Dingen, ver-
diente eine vollſtaͤndige Ausfuͤhrung, und wuͤrde
ein Werk von betraͤchtlichem Umfange werden.

Kuͤrze.
(Redende Kuͤnſte.)

Ohne Zweifel iſt die Kuͤrze eine der wichtigſten Voll-
kommenheiten der Rede. Sie traͤgt viel Gedanken
in wenig Worten vor, und erreicht alſo den Zwek
der Rede auf eine vollkommene Weiſe. Es hat
allemal etwas reizendes und einigermaaßen wunder-
bares fuͤr uns, wenn wir ſehen, daß mit wenigem
viel ausgerichtet wird; und denn iſt die Kuͤrze den
Gedanken, was dem baaren Reichthum das Gold
iſt, welches das Aufbehalten, Ueberzaͤhlen und Aus-

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Zweyter Theil. M m m m
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[641/0076] Kup Kup Kuͤr Gemaͤchlichkeit zu betrachten, daß man ſich nicht wundern daͤrf, wenn man den Geſchmak an Ku- pferſtichen ſo allgemein ausgebreitet antrift. Aber man ſtoͤßt auch hier, wie bey allen andern Liebha- bereyen, bisweilen auf große Mißbraͤuche. Man findet in allen Laͤndern eine ſeltſame Art Liebhaber, die Kupferſtiche ſammeln, wie etwa die Kinder bunte Steine, oder andre ihnen voͤllig unnuͤze Dinge mit großen Eyfer ſammeln, blos um ſich mit etwas zu beſchaͤftigen, und ohne den geringſten Vortheil dar- aus zu ziehen, als eine voͤllig gleichguͤltige Thaͤtig- keit zu befriedigen. An Oertern wo ein ſolches Sammlen Mode worden, ſieht man ein wunder- bares Beſtreben unter den Sammlern, wodurch je- der es andern zuvorthun will: und dieſes Nachey- fern wird nicht ſelten bis zu einer Art der Raſerey getrieben. Es giebt Sammler, die ſich nur auf gewiſſe Gattungen der Kupferſtiche einſchraͤnken, die etwa die Sammlung von einer Schule, oder auch nur von einem Kuͤnſtler vollſtaͤndig zu haben wuͤnſchen, denen alſo ein fehlendes Blatt, wenn es an ſich auch nicht den geringſten Werth haͤtte, un- ruhige Naͤchte macht, und die es bey aufſtoßender Gelegenheit um einen Preis anſchaffen, der ſeinen wahren Werth hundertmal uͤberſteiget. Man trift auch nicht ſelten bey dieſen Sammlern noch andre Arten von Thorheiten an. Aber anſtatt dergleichen Mißbraͤuche zu ruͤgen, wollen wir lieber verſuchen einige Vorſchlaͤge zu thun, wie noch neue Gattun- gen nuͤzlicher Sammlungen von Kupferſtichen zu machen waͤren. Vor allen Dingen wuͤnſchte ich, daß einer von den geſchikteſten Kupferſtechern ſich die Muͤhe gaͤbe ein Verzeichnis einer ſolchen Sammlung zu geben, aus welcher man den Anfang und Fortgang der Kunſt, nach den verſchiedenen merkbaren Stufen, durch welche ſie zur Vollkommenheit geſtiegen iſt, ſehen koͤnnte. Dieſe Sammlung wuͤrde eine Folge von Blaͤttern ausmachen, darin jedes folgende in der Behandlung etwas haͤtte, das den vorhergehen- den noch fehlet, und wodurch die Kunſt des Ste- chens, oder des Aezens um einen Schritt weiter gebracht worden. Eine ſolche Sammlung wuͤrde die wahre Geſchichte der Kunſt auf das Deutlichſte darſtellen. Man koͤnnte auch Verzeichniſſe ſolcher Samm- lungen machen, deren jede vornehmlich einen Theil der Kunſt in ſeiner Vollkommenheit darſtellte. Jn die eine kaͤmen nur ſolche hiſtoriſche Stuͤke, die ſich durch eine fuͤrtrefliche Erfindung, oder ſolche die ſich durch eine vollkommene Anordnung auszeich- neten; eine andre waͤre den Kupferſtichen gewid- met, wo die Austheilung des Lichts und Schattens vorzuͤglich gluͤklich angebracht worden. Fuͤr Por- traite koͤnnte eine Sammlung gemacht werden, darin jedes Blatt wegen der Stellung etwas vor- zuͤgliches haͤtte. Es laͤßt ſich leicht begreifen, wie nuͤzlich derglei- chen Sammlungen dem Kuͤnſtler und dem Liebha- ber ſeyn wuͤrden. Jn die Sammlungen jeder Gat- tungen duͤrften nicht eben immer dieſelben Stuͤke kommen; denn ofte hat man viel Stuͤke, davon jedes tuͤchtig waͤre, eine gewiſſe Luͤke der Samm- lung auszufuͤllen. Alſo muͤßten die Verzeichniſſe ſo eingerichtet werden, daß fuͤr jeden beſondern Theil der Kunſt mehrere Stuͤcke als Beyſpiele darin ver- zeichnet waͤren, damit der Liebhaber wenigſtens ei- nes, oder ein Paar derſelben anſchaffen koͤnnte. So koͤnnten z. B. zur Geſchichte der Kunſt, meh- rere Sammlungen gemacht werden, davon keine dieſelben Blaͤtter enthielte, die ſchon in einer an- dern ſind. Allgemeine Sammlungen, die ſich auf alle Zweyge der Kunſt und auf alle Schulen erſtre- ken, ſind Unternehmungen, die man oͤffentlichen Anſtalten uͤberlaſſen muß, weil der dazu noͤthige Aufwand die Kraͤfte der reichſten Privatperſonen uͤberſteigen. Die Materie von den verſchiedenen Abſichten, die man bey Kupferſammlungen haben kann, von der beſten Art dieſelben zu erreichen, von der Wahl der Stuͤke, von der Anordnung der Sammlung und vielen andern dahin gehoͤrigen Dingen, ver- diente eine vollſtaͤndige Ausfuͤhrung, und wuͤrde ein Werk von betraͤchtlichem Umfange werden. Kuͤrze. (Redende Kuͤnſte.) Ohne Zweifel iſt die Kuͤrze eine der wichtigſten Voll- kommenheiten der Rede. Sie traͤgt viel Gedanken in wenig Worten vor, und erreicht alſo den Zwek der Rede auf eine vollkommene Weiſe. Es hat allemal etwas reizendes und einigermaaßen wunder- bares fuͤr uns, wenn wir ſehen, daß mit wenigem viel ausgerichtet wird; und denn iſt die Kuͤrze den Gedanken, was dem baaren Reichthum das Gold iſt, welches das Aufbehalten, Ueberzaͤhlen und Aus- geben Zweyter Theil. M m m m

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Zitationshilfe: Sulzer, Johann Georg: Allgemeine Theorie der Schönen Künste. Bd. 2. Leipzig, 1774, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sulzer_theorie02_1774/76>, abgerufen am 29.04.2024.