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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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41. Sanct Johann, Sanct Johann.

Um das Jahr 1460 war Bürgermeister in Colberg Einer aus dem Geschlechte von Schlieffen, Namens Peter Schlieff. Der hatte die Gewohnheit, besonders, wenn er angetrunken war, zu Allem, was er sprach, hinzuzusetzen: Sanct Johann, Sanct Johann! weil der heilige Johannes der Täufer Patron des Stifts Cammin war, unter welches Colberg gehörte. Einsmals ließ ihn der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Absichten auf Pommern hatte, zu sich nach Schievelbein kommen, er zeigte sich sehr gnädig gegen ihn, und ließ ihn voll trinken. Danach, als er voll war, redete er mit ihm, daß er gehört hätte, daß Colberg eine hübsche und feste Stadt sei, und daß gute Leute darin wohnten, und daß sie doch böse Gunst bei ihren Herren, dem Bischofe von Cammin und den Herzögen von Pommern hätten; das sei ihm ihrenthalben Leid, und so sie seiner worin bedürften, so sollten sie einen treuen Helfer und gnädigen Herrn an ihm haben. Peter Schlieff merkte wohl, wo solche Worte hinaus sollten, weil er aber kein Verräther an seinem Lande werden wollte, so stellte er sich, als wäre er über den Witz hinaus voll, und sagte: Sanct Johann, Sanct Johann, Herren genug! damit meinend, sie hätten bereits mehr Herren, als sie von Nöthen hätten, und bedürften des Markgrafen nicht noch dazu. Aber der Markgraf ließ nicht von ihm ab, und sagte, wenn sie dann von ihren Herren vergewaltigt würden, so wäre es doch gut, daß sie irgendwo Zuflucht und Trost wüßten. Darauf antwortet Peter Schlieff wiederum wie ein voller Mensch: Sanct Johann, Sanct Johann! Er meinte aber: der sollte ihre Zuflucht und Trost sein. Und was ihm der Markgraf von der Sache mehr sagte, er antwortete immerzu: Sanct Johann, Sanct Johann! Als nun der Markgraf sah, daß

41. Sanct Johann, Sanct Johann.

Um das Jahr 1460 war Bürgermeister in Colberg Einer aus dem Geschlechte von Schlieffen, Namens Peter Schlieff. Der hatte die Gewohnheit, besonders, wenn er angetrunken war, zu Allem, was er sprach, hinzuzusetzen: Sanct Johann, Sanct Johann! weil der heilige Johannes der Täufer Patron des Stifts Cammin war, unter welches Colberg gehörte. Einsmals ließ ihn der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Absichten auf Pommern hatte, zu sich nach Schievelbein kommen, er zeigte sich sehr gnädig gegen ihn, und ließ ihn voll trinken. Danach, als er voll war, redete er mit ihm, daß er gehört hätte, daß Colberg eine hübsche und feste Stadt sei, und daß gute Leute darin wohnten, und daß sie doch böse Gunst bei ihren Herren, dem Bischofe von Cammin und den Herzögen von Pommern hätten; das sei ihm ihrenthalben Leid, und so sie seiner worin bedürften, so sollten sie einen treuen Helfer und gnädigen Herrn an ihm haben. Peter Schlieff merkte wohl, wo solche Worte hinaus sollten, weil er aber kein Verräther an seinem Lande werden wollte, so stellte er sich, als wäre er über den Witz hinaus voll, und sagte: Sanct Johann, Sanct Johann, Herren genug! damit meinend, sie hätten bereits mehr Herren, als sie von Nöthen hätten, und bedürften des Markgrafen nicht noch dazu. Aber der Markgraf ließ nicht von ihm ab, und sagte, wenn sie dann von ihren Herren vergewaltigt würden, so wäre es doch gut, daß sie irgendwo Zuflucht und Trost wüßten. Darauf antwortet Peter Schlieff wiederum wie ein voller Mensch: Sanct Johann, Sanct Johann! Er meinte aber: der sollte ihre Zuflucht und Trost sein. Und was ihm der Markgraf von der Sache mehr sagte, er antwortete immerzu: Sanct Johann, Sanct Johann! Als nun der Markgraf sah, daß

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[69/0101] 41. Sanct Johann, Sanct Johann. Um das Jahr 1460 war Bürgermeister in Colberg Einer aus dem Geschlechte von Schlieffen, Namens Peter Schlieff. Der hatte die Gewohnheit, besonders, wenn er angetrunken war, zu Allem, was er sprach, hinzuzusetzen: Sanct Johann, Sanct Johann! weil der heilige Johannes der Täufer Patron des Stifts Cammin war, unter welches Colberg gehörte. Einsmals ließ ihn der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der Absichten auf Pommern hatte, zu sich nach Schievelbein kommen, er zeigte sich sehr gnädig gegen ihn, und ließ ihn voll trinken. Danach, als er voll war, redete er mit ihm, daß er gehört hätte, daß Colberg eine hübsche und feste Stadt sei, und daß gute Leute darin wohnten, und daß sie doch böse Gunst bei ihren Herren, dem Bischofe von Cammin und den Herzögen von Pommern hätten; das sei ihm ihrenthalben Leid, und so sie seiner worin bedürften, so sollten sie einen treuen Helfer und gnädigen Herrn an ihm haben. Peter Schlieff merkte wohl, wo solche Worte hinaus sollten, weil er aber kein Verräther an seinem Lande werden wollte, so stellte er sich, als wäre er über den Witz hinaus voll, und sagte: Sanct Johann, Sanct Johann, Herren genug! damit meinend, sie hätten bereits mehr Herren, als sie von Nöthen hätten, und bedürften des Markgrafen nicht noch dazu. Aber der Markgraf ließ nicht von ihm ab, und sagte, wenn sie dann von ihren Herren vergewaltigt würden, so wäre es doch gut, daß sie irgendwo Zuflucht und Trost wüßten. Darauf antwortet Peter Schlieff wiederum wie ein voller Mensch: Sanct Johann, Sanct Johann! Er meinte aber: der sollte ihre Zuflucht und Trost sein. Und was ihm der Markgraf von der Sache mehr sagte, er antwortete immerzu: Sanct Johann, Sanct Johann! Als nun der Markgraf sah, daß

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/101>, abgerufen am 28.04.2024.