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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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und woraus der See entstanden ist. Am Pfingsttage kann man tief unten im See die Glocken des Klosters noch läuten hören. Auch soll es des Nachts nicht geheuer an seinen Ufern seyn, und man sagt, daß der See alle Jahre sein Opfer haben müsse.

Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
172. Der Gollen auf Usedom.

Auf der Insel Usedom, nicht weit von dem Dorfe Caminke am Haff liegt ein Berg, der Gollen oder Gollenberg geheißen, der in ganz Pommern wegen der schönen Aussicht bekannt ist, die man auf seiner Spitze hat. Der ist auf folgende Weise entstanden: In alten Zeiten lebte auf der Insel Usedom ein Fürst, der nur eine einzige Tochter und viele Schätze hatte. Er war sehr geizig, und wollte daher, um von den Schätzen nichts zu missen, bei seinen Lebzeiten die Prinzessin nicht verheirathen, wies vielmehr alle Freier zurück. Als er nun aber endlich starb, da war die Prinzessin schon in die Jahre gekommen, und eben so häßlich geworden, wie sie früher schön gewesen war. Deshalb wartete sie auch vergebens, daß sich noch ein Freier melden werde. Zuletzt erschien indeß ein mächtiger Zauberer, der wollte sie freien. Aber weil er grundhäßlich war, so gab sie ihm einen Korb. Darüber ergrimmte der Zauberer, und er verwandelte das Schloß, in welchem sie wohnte, in einen Berg, und bannte sie mit ihren Schätzen auf ewige Zeiten in denselben. Dabei sprach er die Worte:

Do ligt dat Gollen (Gold),
Schall mi wol över hollen,
Bet stumm'n betern Frieger kümmt
Ub'n Hansdag, 'n rein Sundagskind!

Der Berg, der also entstanden war, erhielt von da an den Namen, den er noch führt, und die verwünschte

und woraus der See entstanden ist. Am Pfingsttage kann man tief unten im See die Glocken des Klosters noch läuten hören. Auch soll es des Nachts nicht geheuer an seinen Ufern seyn, und man sagt, daß der See alle Jahre sein Opfer haben müsse.

Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte.
172. Der Gollen auf Usedom.

Auf der Insel Usedom, nicht weit von dem Dorfe Caminke am Haff liegt ein Berg, der Gollen oder Gollenberg geheißen, der in ganz Pommern wegen der schönen Aussicht bekannt ist, die man auf seiner Spitze hat. Der ist auf folgende Weise entstanden: In alten Zeiten lebte auf der Insel Usedom ein Fürst, der nur eine einzige Tochter und viele Schätze hatte. Er war sehr geizig, und wollte daher, um von den Schätzen nichts zu missen, bei seinen Lebzeiten die Prinzessin nicht verheirathen, wies vielmehr alle Freier zurück. Als er nun aber endlich starb, da war die Prinzessin schon in die Jahre gekommen, und eben so häßlich geworden, wie sie früher schön gewesen war. Deshalb wartete sie auch vergebens, daß sich noch ein Freier melden werde. Zuletzt erschien indeß ein mächtiger Zauberer, der wollte sie freien. Aber weil er grundhäßlich war, so gab sie ihm einen Korb. Darüber ergrimmte der Zauberer, und er verwandelte das Schloß, in welchem sie wohnte, in einen Berg, und bannte sie mit ihren Schätzen auf ewige Zeiten in denselben. Dabei sprach er die Worte:

Do ligt dat Gollen (Gold),
Schall mi wol över hollen,
Bet stumm’n betern Frieger kümmt
Ub’n Hansdag, ’n rein Sundagskind!

Der Berg, der also entstanden war, erhielt von da an den Namen, den er noch führt, und die verwünschte

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[212/0244] und woraus der See entstanden ist. Am Pfingsttage kann man tief unten im See die Glocken des Klosters noch läuten hören. Auch soll es des Nachts nicht geheuer an seinen Ufern seyn, und man sagt, daß der See alle Jahre sein Opfer haben müsse. Acten der Pomm. Gesellschaft für Geschichte. 172. Der Gollen auf Usedom. Auf der Insel Usedom, nicht weit von dem Dorfe Caminke am Haff liegt ein Berg, der Gollen oder Gollenberg geheißen, der in ganz Pommern wegen der schönen Aussicht bekannt ist, die man auf seiner Spitze hat. Der ist auf folgende Weise entstanden: In alten Zeiten lebte auf der Insel Usedom ein Fürst, der nur eine einzige Tochter und viele Schätze hatte. Er war sehr geizig, und wollte daher, um von den Schätzen nichts zu missen, bei seinen Lebzeiten die Prinzessin nicht verheirathen, wies vielmehr alle Freier zurück. Als er nun aber endlich starb, da war die Prinzessin schon in die Jahre gekommen, und eben so häßlich geworden, wie sie früher schön gewesen war. Deshalb wartete sie auch vergebens, daß sich noch ein Freier melden werde. Zuletzt erschien indeß ein mächtiger Zauberer, der wollte sie freien. Aber weil er grundhäßlich war, so gab sie ihm einen Korb. Darüber ergrimmte der Zauberer, und er verwandelte das Schloß, in welchem sie wohnte, in einen Berg, und bannte sie mit ihren Schätzen auf ewige Zeiten in denselben. Dabei sprach er die Worte: Do ligt dat Gollen (Gold), Schall mi wol över hollen, Bet stumm’n betern Frieger kümmt Ub’n Hansdag, ’n rein Sundagskind! Der Berg, der also entstanden war, erhielt von da an den Namen, den er noch führt, und die verwünschte

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/244>, abgerufen am 28.04.2024.