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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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224. Der leichte Pflug.

Es war einmal ein Bauer auf der Insel Rügen, der fand, als er eines Morgens zu seinem Felde ging, auf einem steinernen Kreuze, das am Wege stand, einen schönen, blanken Wurm, der immer auf dem Kreuze hin und her lief, als wenn er große Angst hätte, und gern fort wolle und doch nicht könne. Nachdem das der Bauer eine Zeitlang voller Verwunderung angesehen hatte, fiel ihm ein, daß die kleinen Zwerge des Landes, wenn sie zufällig an etwas Geweihtes gerathen, daran festgehalten werden und nicht von der Stelle können. Er dachte also, daß der Wurm ein solcher Zwerg sey, der nicht von dem Kreuze könne, und er hoffte, dadurch sein Glück zu machen. Und so geschah es auch. Denn wie er nun den Wurm einfing, da verwandelte sich der auf der Stelle, und der Bauer hatte wirklich einen kleinen schwarzen Zwerg in der Hand. Der krümmte sich nun gewaltig, und wollte dem Bauern entschlüpfen, und wie er sah, daß das nicht anging, gab er gute Worte und bat jämmerlich um seine Freiheit. Der Bauer aber war klug, und sagte zu ihm: Nur still, du kleiner Gesell; umsonst kommst du nicht los. Ich werde dich nicht eher wieder zu den Deinigen lassen, als bis du mir versprichst, daß du mir einen Pflug machen willst, der so leicht ist, daß ihn auch das kleinste Füllen ziehen kann.

Die schwarzen Zwerge sind böse und tückisch, und gönnen den Menschen nichts. Der Gefangene antwortete daher dem Bauer gar nicht und schwieg mausestill, und dachte, dem Anderen werde die Zeit schon lang werden, und endlich müsse er ihn denn doch wieder frei geben. In dem eigensinnigen, tückischen Schweigen blieb er lange so. Es half selbst nicht, als der Bauer ihn prügelte und geißelte, daß ihm das Blut von dem kleinen Leibe floß.

224. Der leichte Pflug.

Es war einmal ein Bauer auf der Insel Rügen, der fand, als er eines Morgens zu seinem Felde ging, auf einem steinernen Kreuze, das am Wege stand, einen schönen, blanken Wurm, der immer auf dem Kreuze hin und her lief, als wenn er große Angst hätte, und gern fort wolle und doch nicht könne. Nachdem das der Bauer eine Zeitlang voller Verwunderung angesehen hatte, fiel ihm ein, daß die kleinen Zwerge des Landes, wenn sie zufällig an etwas Geweihtes gerathen, daran festgehalten werden und nicht von der Stelle können. Er dachte also, daß der Wurm ein solcher Zwerg sey, der nicht von dem Kreuze könne, und er hoffte, dadurch sein Glück zu machen. Und so geschah es auch. Denn wie er nun den Wurm einfing, da verwandelte sich der auf der Stelle, und der Bauer hatte wirklich einen kleinen schwarzen Zwerg in der Hand. Der krümmte sich nun gewaltig, und wollte dem Bauern entschlüpfen, und wie er sah, daß das nicht anging, gab er gute Worte und bat jämmerlich um seine Freiheit. Der Bauer aber war klug, und sagte zu ihm: Nur still, du kleiner Gesell; umsonst kommst du nicht los. Ich werde dich nicht eher wieder zu den Deinigen lassen, als bis du mir versprichst, daß du mir einen Pflug machen willst, der so leicht ist, daß ihn auch das kleinste Füllen ziehen kann.

Die schwarzen Zwerge sind böse und tückisch, und gönnen den Menschen nichts. Der Gefangene antwortete daher dem Bauer gar nicht und schwieg mausestill, und dachte, dem Anderen werde die Zeit schon lang werden, und endlich müsse er ihn denn doch wieder frei geben. In dem eigensinnigen, tückischen Schweigen blieb er lange so. Es half selbst nicht, als der Bauer ihn prügelte und geißelte, daß ihm das Blut von dem kleinen Leibe floß.

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[265/0297] 224. Der leichte Pflug. Es war einmal ein Bauer auf der Insel Rügen, der fand, als er eines Morgens zu seinem Felde ging, auf einem steinernen Kreuze, das am Wege stand, einen schönen, blanken Wurm, der immer auf dem Kreuze hin und her lief, als wenn er große Angst hätte, und gern fort wolle und doch nicht könne. Nachdem das der Bauer eine Zeitlang voller Verwunderung angesehen hatte, fiel ihm ein, daß die kleinen Zwerge des Landes, wenn sie zufällig an etwas Geweihtes gerathen, daran festgehalten werden und nicht von der Stelle können. Er dachte also, daß der Wurm ein solcher Zwerg sey, der nicht von dem Kreuze könne, und er hoffte, dadurch sein Glück zu machen. Und so geschah es auch. Denn wie er nun den Wurm einfing, da verwandelte sich der auf der Stelle, und der Bauer hatte wirklich einen kleinen schwarzen Zwerg in der Hand. Der krümmte sich nun gewaltig, und wollte dem Bauern entschlüpfen, und wie er sah, daß das nicht anging, gab er gute Worte und bat jämmerlich um seine Freiheit. Der Bauer aber war klug, und sagte zu ihm: Nur still, du kleiner Gesell; umsonst kommst du nicht los. Ich werde dich nicht eher wieder zu den Deinigen lassen, als bis du mir versprichst, daß du mir einen Pflug machen willst, der so leicht ist, daß ihn auch das kleinste Füllen ziehen kann. Die schwarzen Zwerge sind böse und tückisch, und gönnen den Menschen nichts. Der Gefangene antwortete daher dem Bauer gar nicht und schwieg mausestill, und dachte, dem Anderen werde die Zeit schon lang werden, und endlich müsse er ihn denn doch wieder frei geben. In dem eigensinnigen, tückischen Schweigen blieb er lange so. Es half selbst nicht, als der Bauer ihn prügelte und geißelte, daß ihm das Blut von dem kleinen Leibe floß.

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/297>, abgerufen am 27.04.2024.