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Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840.

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gezogen, wo sie auch die Stadt Rügenwalde erbaut haben. Dort saßen sie ruhig, bis der Mehrtheil der Langbarte das Land zu Rügen also geräumt hatten. Da brachen sie auf, überfielen die zurückgebliebenen Langbarte, und nahmen ihre alte Heimath wieder ein. Die Langbarte zerstreueten sich überall im Lande umher, und wurden da von nun an Wandalen genannt.

Th. Kantzow, Pomerania. I. S. 24-26.
7. Der Liebeskampf.

Es ist schon tausend Jahre her und noch länger, als einst in Polen ein Herzog lebte, welcher Cracus hieß, und der auch die Stadt Crakau soll erbaut haben. Dieser hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Von den Söhnen hieß der Eine Cracus wie der Vater, der andere Lechus; die Tochter hieß Wenda. Die Regierung sollte nach des alten Herzogs Tode an seinen ältesten Sohn, den Cracus, fallen; aber Lechus gönnte sie diesem nicht, und brachte ihn eine Tages auf der Jagd meuchelmörderischer Weise um. Doch die Polen wollten nun keinen Brudermörder über sich haben, und gaben das Reich der Wenda. Zu dieser kamen darauf viele Könige und Prinzen, die sie zur Ehe begehrten; denn sie war zugleich mächtig, klug und schön. Allein sie wollte lieber Prinzessin allein sein, als eines Prinzen Weib, und sie schlug alle Anträge ab, und ließ mit solchen Antworten die Freier von sich.

Das hörte ein Fürst der Rügianer im Pommerlande, Namens Rütiger, ein gar mächtiger und tapferer Held. Er glaubte die Fürstin zu gewinnen, und zog aus an ihren Hof und buhlte um sie. Allein er bekam keinen besseren Bescheid als die Uebrigen. Darüber ergrimmte der Fürst in seinem Herzen, und da er in großer Liebe zu der Prinzessin entbrannt war, so brachte er ein ansehnlich Heer auf

gezogen, wo sie auch die Stadt Rügenwalde erbaut haben. Dort saßen sie ruhig, bis der Mehrtheil der Langbarte das Land zu Rügen also geräumt hatten. Da brachen sie auf, überfielen die zurückgebliebenen Langbarte, und nahmen ihre alte Heimath wieder ein. Die Langbarte zerstreueten sich überall im Lande umher, und wurden da von nun an Wandalen genannt.

Th. Kantzow, Pomerania. I. S. 24-26.
7. Der Liebeskampf.

Es ist schon tausend Jahre her und noch länger, als einst in Polen ein Herzog lebte, welcher Cracus hieß, und der auch die Stadt Crakau soll erbaut haben. Dieser hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Von den Söhnen hieß der Eine Cracus wie der Vater, der andere Lechus; die Tochter hieß Wenda. Die Regierung sollte nach des alten Herzogs Tode an seinen ältesten Sohn, den Cracus, fallen; aber Lechus gönnte sie diesem nicht, und brachte ihn eine Tages auf der Jagd meuchelmörderischer Weise um. Doch die Polen wollten nun keinen Brudermörder über sich haben, und gaben das Reich der Wenda. Zu dieser kamen darauf viele Könige und Prinzen, die sie zur Ehe begehrten; denn sie war zugleich mächtig, klug und schön. Allein sie wollte lieber Prinzessin allein sein, als eines Prinzen Weib, und sie schlug alle Anträge ab, und ließ mit solchen Antworten die Freier von sich.

Das hörte ein Fürst der Rügianer im Pommerlande, Namens Rütiger, ein gar mächtiger und tapferer Held. Er glaubte die Fürstin zu gewinnen, und zog aus an ihren Hof und buhlte um sie. Allein er bekam keinen besseren Bescheid als die Uebrigen. Darüber ergrimmte der Fürst in seinem Herzen, und da er in großer Liebe zu der Prinzessin entbrannt war, so brachte er ein ansehnlich Heer auf

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[14/0046] gezogen, wo sie auch die Stadt Rügenwalde erbaut haben. Dort saßen sie ruhig, bis der Mehrtheil der Langbarte das Land zu Rügen also geräumt hatten. Da brachen sie auf, überfielen die zurückgebliebenen Langbarte, und nahmen ihre alte Heimath wieder ein. Die Langbarte zerstreueten sich überall im Lande umher, und wurden da von nun an Wandalen genannt. Th. Kantzow, Pomerania. I. S. 24-26. 7. Der Liebeskampf. Es ist schon tausend Jahre her und noch länger, als einst in Polen ein Herzog lebte, welcher Cracus hieß, und der auch die Stadt Crakau soll erbaut haben. Dieser hinterließ zwei Söhne und eine Tochter. Von den Söhnen hieß der Eine Cracus wie der Vater, der andere Lechus; die Tochter hieß Wenda. Die Regierung sollte nach des alten Herzogs Tode an seinen ältesten Sohn, den Cracus, fallen; aber Lechus gönnte sie diesem nicht, und brachte ihn eine Tages auf der Jagd meuchelmörderischer Weise um. Doch die Polen wollten nun keinen Brudermörder über sich haben, und gaben das Reich der Wenda. Zu dieser kamen darauf viele Könige und Prinzen, die sie zur Ehe begehrten; denn sie war zugleich mächtig, klug und schön. Allein sie wollte lieber Prinzessin allein sein, als eines Prinzen Weib, und sie schlug alle Anträge ab, und ließ mit solchen Antworten die Freier von sich. Das hörte ein Fürst der Rügianer im Pommerlande, Namens Rütiger, ein gar mächtiger und tapferer Held. Er glaubte die Fürstin zu gewinnen, und zog aus an ihren Hof und buhlte um sie. Allein er bekam keinen besseren Bescheid als die Uebrigen. Darüber ergrimmte der Fürst in seinem Herzen, und da er in großer Liebe zu der Prinzessin entbrannt war, so brachte er ein ansehnlich Heer auf

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Zitationshilfe: Temme, Jodocus Donatus Hubertus: Die Volkssagen von Pommern und Rügen. Berlin, 1840, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/temme_volkssagen_1840/46>, abgerufen am 27.04.2024.