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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777.

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X. Versuch. Ueber die Beziehung
es mit Wasser, um die Glut anhaltender und stärker zu
machen.

Was weiter aus diesen Begriffen gezogen werden
kann, zumal wenn man den Allgemeinbegrif von der
Fertigkeit näher durch die Natur einer fühlenden, und
vorstellenden Kraft zu bestimmen sucht, und die Folgen
mit den Erfahrungen, wie Fertigkeiten entstehen, ver-
größert, und wiederum geschwächt und vertilget werden,
vergleichen will, das gehöret nicht zu meiner gegenwär-
tigen Absicht, die mehr dahin gehet, Begriffe aus Be-
obachtungen zu suchen, als Beobachtungen aus Begrif-
fen zu erklären. Daher muß ich mich an der Küste der
Erfahrung zu halten suchen. Jch würde auch dieses letz-
tere Raisonnement über die Fertigkeiten mir nicht erlau-
bet haben, wenn nicht der Unterschied zwischen Ausdeh-
nung und Jntension unserer Fertigkeiten eine von den
vornehmsten Beobachtungen bey der Entwickelung der
menschlichen Seele aufklärte, nach der wir noch lange
fortfahren, die Kräfte am Unfang zu vergrößern, wenn
sie an Jntension keinen merklichen Zuwachs mehr anzu-
nehmen scheinen, davon ich anderswo ausführlicher zu
handeln Gelegenheit haben werde.

3.

Noch eine Aufgabe, die dritte: Wie geschiehet
das Nachmachen fremder Handlungen? Wie
wirket unsere Sympathie?

Der Mensch ist, wie Aristoteles gesagt hat zoon
mimetikotaton, das Thier, welches die größte Ge-
schicklichkeit zum Nachmachen besitzet. Die Wirkungen
dieses Vermögens sind erstaunlich, und, so viel ich weiß,
hat man noch den eigentlichen Grund dieses Vermögens,
aus dem seine ganze bis in das Jnnere der Natur ein-
dringende Macht begreiflich wird, nicht deutlich genug
aus einander gesetzt. Die vornehmste Schwierigkeit lie-

get

X. Verſuch. Ueber die Beziehung
es mit Waſſer, um die Glut anhaltender und ſtaͤrker zu
machen.

Was weiter aus dieſen Begriffen gezogen werden
kann, zumal wenn man den Allgemeinbegrif von der
Fertigkeit naͤher durch die Natur einer fuͤhlenden, und
vorſtellenden Kraft zu beſtimmen ſucht, und die Folgen
mit den Erfahrungen, wie Fertigkeiten entſtehen, ver-
groͤßert, und wiederum geſchwaͤcht und vertilget werden,
vergleichen will, das gehoͤret nicht zu meiner gegenwaͤr-
tigen Abſicht, die mehr dahin gehet, Begriffe aus Be-
obachtungen zu ſuchen, als Beobachtungen aus Begrif-
fen zu erklaͤren. Daher muß ich mich an der Kuͤſte der
Erfahrung zu halten ſuchen. Jch wuͤrde auch dieſes letz-
tere Raiſonnement uͤber die Fertigkeiten mir nicht erlau-
bet haben, wenn nicht der Unterſchied zwiſchen Ausdeh-
nung und Jntenſion unſerer Fertigkeiten eine von den
vornehmſten Beobachtungen bey der Entwickelung der
menſchlichen Seele aufklaͤrte, nach der wir noch lange
fortfahren, die Kraͤfte am Unfang zu vergroͤßern, wenn
ſie an Jntenſion keinen merklichen Zuwachs mehr anzu-
nehmen ſcheinen, davon ich anderswo ausfuͤhrlicher zu
handeln Gelegenheit haben werde.

3.

Noch eine Aufgabe, die dritte: Wie geſchiehet
das Nachmachen fremder Handlungen? Wie
wirket unſere Sympathie?

Der Menſch iſt, wie Ariſtoteles geſagt hat ζωον
μιμητικωτατον, das Thier, welches die groͤßte Ge-
ſchicklichkeit zum Nachmachen beſitzet. Die Wirkungen
dieſes Vermoͤgens ſind erſtaunlich, und, ſo viel ich weiß,
hat man noch den eigentlichen Grund dieſes Vermoͤgens,
aus dem ſeine ganze bis in das Jnnere der Natur ein-
dringende Macht begreiflich wird, nicht deutlich genug
aus einander geſetzt. Die vornehmſte Schwierigkeit lie-

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[664/0724] X. Verſuch. Ueber die Beziehung es mit Waſſer, um die Glut anhaltender und ſtaͤrker zu machen. Was weiter aus dieſen Begriffen gezogen werden kann, zumal wenn man den Allgemeinbegrif von der Fertigkeit naͤher durch die Natur einer fuͤhlenden, und vorſtellenden Kraft zu beſtimmen ſucht, und die Folgen mit den Erfahrungen, wie Fertigkeiten entſtehen, ver- groͤßert, und wiederum geſchwaͤcht und vertilget werden, vergleichen will, das gehoͤret nicht zu meiner gegenwaͤr- tigen Abſicht, die mehr dahin gehet, Begriffe aus Be- obachtungen zu ſuchen, als Beobachtungen aus Begrif- fen zu erklaͤren. Daher muß ich mich an der Kuͤſte der Erfahrung zu halten ſuchen. Jch wuͤrde auch dieſes letz- tere Raiſonnement uͤber die Fertigkeiten mir nicht erlau- bet haben, wenn nicht der Unterſchied zwiſchen Ausdeh- nung und Jntenſion unſerer Fertigkeiten eine von den vornehmſten Beobachtungen bey der Entwickelung der menſchlichen Seele aufklaͤrte, nach der wir noch lange fortfahren, die Kraͤfte am Unfang zu vergroͤßern, wenn ſie an Jntenſion keinen merklichen Zuwachs mehr anzu- nehmen ſcheinen, davon ich anderswo ausfuͤhrlicher zu handeln Gelegenheit haben werde. 3. Noch eine Aufgabe, die dritte: Wie geſchiehet das Nachmachen fremder Handlungen? Wie wirket unſere Sympathie? Der Menſch iſt, wie Ariſtoteles geſagt hat ζωον μιμητικωτατον, das Thier, welches die groͤßte Ge- ſchicklichkeit zum Nachmachen beſitzet. Die Wirkungen dieſes Vermoͤgens ſind erſtaunlich, und, ſo viel ich weiß, hat man noch den eigentlichen Grund dieſes Vermoͤgens, aus dem ſeine ganze bis in das Jnnere der Natur ein- dringende Macht begreiflich wird, nicht deutlich genug aus einander geſetzt. Die vornehmſte Schwierigkeit lie- get

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 1. Leipzig, 1777, S. 664. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche01_1777/724>, abgerufen am 26.04.2024.