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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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und Freyheit.
XV.
Vereinigung der allgemeinen Vernunftsätze mit
dem Begriff von der Freyheit.

1) Die Verknüpfung zwischen Ursachen und
Wirkungen ist nicht allemal eine nothwen-
dige
Verknüpfung.

2) Unter welchen Voraussetzungen die verur-
sachende Verknüpfung zufällig sey?

3) Unter welchen sie nothwendig ist?
4) Zufälligkeit der Verknüpfung, wenn
freye Ursachen wirken.

5) Eine Erinnerung über den Gebrauch der
Gemeinbegriffe von Nothwendigkeit und
Zufälligkeit.

1.

Nach meiner Ueberzeugung haben die vorhergehenden
Betrachtungen so viel außer Zweifel gesetzt, daß
in unsern Empfindungen und Beobachtungen über die
Freyheit alles sehr wohl mit einander zusammenhange.
Denn wenn wir auf einer Seite uns unabhängig von
den äußern Umständen und von den innern Bewegungs-
gründen bestimmen, und uns so fühlen, auf der andern
Seite aber doch diesen Motiven unterworfen zu seyn
scheinen: so vereiniget sich dieses beides durch die Be-
merkung mit einander, daß allerdings unsere innere
Kraft unabhängig und eben so gut zum Wollen als zum
Nichtwollen, zum Thun als zum Lassen, innerlich auf-
gelegt ist, wenn sie sich auf die bewegende Vorstellung
nicht anders, als auf einen ihr vorkommenden schickli-
chen Gegenstand bestimmet, und darauf ihre Wirksam-
keit anwender. Von dieser Seite betrachtet ist also,
wie ich meyne, die Lehre von der Freyheit als ein Theil

der
II. Theil. J
und Freyheit.
XV.
Vereinigung der allgemeinen Vernunftſaͤtze mit
dem Begriff von der Freyheit.

1) Die Verknuͤpfung zwiſchen Urſachen und
Wirkungen iſt nicht allemal eine nothwen-
dige
Verknuͤpfung.

2) Unter welchen Vorausſetzungen die verur-
ſachende Verknuͤpfung zufaͤllig ſey?

3) Unter welchen ſie nothwendig iſt?
4) Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfung, wenn
freye Urſachen wirken.

5) Eine Erinnerung uͤber den Gebrauch der
Gemeinbegriffe von Nothwendigkeit und
Zufaͤlligkeit.

1.

Nach meiner Ueberzeugung haben die vorhergehenden
Betrachtungen ſo viel außer Zweifel geſetzt, daß
in unſern Empfindungen und Beobachtungen uͤber die
Freyheit alles ſehr wohl mit einander zuſammenhange.
Denn wenn wir auf einer Seite uns unabhaͤngig von
den aͤußern Umſtaͤnden und von den innern Bewegungs-
gruͤnden beſtimmen, und uns ſo fuͤhlen, auf der andern
Seite aber doch dieſen Motiven unterworfen zu ſeyn
ſcheinen: ſo vereiniget ſich dieſes beides durch die Be-
merkung mit einander, daß allerdings unſere innere
Kraft unabhaͤngig und eben ſo gut zum Wollen als zum
Nichtwollen, zum Thun als zum Laſſen, innerlich auf-
gelegt iſt, wenn ſie ſich auf die bewegende Vorſtellung
nicht anders, als auf einen ihr vorkommenden ſchickli-
chen Gegenſtand beſtimmet, und darauf ihre Wirkſam-
keit anwender. Von dieſer Seite betrachtet iſt alſo,
wie ich meyne, die Lehre von der Freyheit als ein Theil

der
II. Theil. J
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[129/0159] und Freyheit. XV. Vereinigung der allgemeinen Vernunftſaͤtze mit dem Begriff von der Freyheit. 1) Die Verknuͤpfung zwiſchen Urſachen und Wirkungen iſt nicht allemal eine nothwen- dige Verknuͤpfung. 2) Unter welchen Vorausſetzungen die verur- ſachende Verknuͤpfung zufaͤllig ſey? 3) Unter welchen ſie nothwendig iſt? 4) Zufaͤlligkeit der Verknuͤpfung, wenn freye Urſachen wirken. 5) Eine Erinnerung uͤber den Gebrauch der Gemeinbegriffe von Nothwendigkeit und Zufaͤlligkeit. 1. Nach meiner Ueberzeugung haben die vorhergehenden Betrachtungen ſo viel außer Zweifel geſetzt, daß in unſern Empfindungen und Beobachtungen uͤber die Freyheit alles ſehr wohl mit einander zuſammenhange. Denn wenn wir auf einer Seite uns unabhaͤngig von den aͤußern Umſtaͤnden und von den innern Bewegungs- gruͤnden beſtimmen, und uns ſo fuͤhlen, auf der andern Seite aber doch dieſen Motiven unterworfen zu ſeyn ſcheinen: ſo vereiniget ſich dieſes beides durch die Be- merkung mit einander, daß allerdings unſere innere Kraft unabhaͤngig und eben ſo gut zum Wollen als zum Nichtwollen, zum Thun als zum Laſſen, innerlich auf- gelegt iſt, wenn ſie ſich auf die bewegende Vorſtellung nicht anders, als auf einen ihr vorkommenden ſchickli- chen Gegenſtand beſtimmet, und darauf ihre Wirkſam- keit anwender. Von dieſer Seite betrachtet iſt alſo, wie ich meyne, die Lehre von der Freyheit als ein Theil der II. Theil. J

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/159>, abgerufen am 30.04.2024.