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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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Dreyzehnter Bersuch.
Ueber das Seelenwesen im Menschen.
I.
Vorläufiger Begriff von der thierischen Natur
des Menschen und von dem Seelenwesen in
ihm.

Der Mensch ist ein Thier, und hat als Thier eine
thierische Natur, die keiner scharfsinniger un-
tersuchet hat, als Hr. Unzer in seiner Physiologie
der Thiere.
Als Thier besitzt der Mensch Seelen-
kräfte
und körperliche Kräfte. Zu den letzten gehö-
ren sowohl die mechanischen, die eine Folge des Me-
chanismus des Körpers sind, als auch die Nerven-
kräfte.
Diese letztern aber sind gleichfalls körperli-
che
Kräfte wie die erstern, und wie jene eine Folge der
Organisation. Wir kennen ihre Natur nicht, und wis-
sen von ihren Wirkungsgesetzen noch wenig, aber so viel
läßt sich sagen, daß ihre Wirkungen aus den bekannten
Grundsätzen der Mechanik zur Zeit noch nicht erkläret
werden können, daher sie auch durch den Namen der
organischen oder Nervenkräfte von den mechani-
schen ganz füglich unterschieden werden. Gleichwol
scheint es nicht zu bezweifeln zu seyn, daß sie uns nicht
etwas näher bekannt werden könnten, wenn eines Theils
nur die Mechanik der flüssigen elastischen Körper,
des Aethers, des Feuers, der Elektricität, des Magne-
tismus u. s. w. nicht so weit zurück wäre, als sie
es ist, und dann zweytens noch genauer aus Beobach-
tungen nach den Grundgesetzen, wornach sie wirken,

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K 3


Dreyzehnter Berſuch.
Ueber das Seelenweſen im Menſchen.
I.
Vorlaͤufiger Begriff von der thieriſchen Natur
des Menſchen und von dem Seelenweſen in
ihm.

Der Menſch iſt ein Thier, und hat als Thier eine
thieriſche Natur, die keiner ſcharfſinniger un-
terſuchet hat, als Hr. Unzer in ſeiner Phyſiologie
der Thiere.
Als Thier beſitzt der Menſch Seelen-
kraͤfte
und koͤrperliche Kraͤfte. Zu den letzten gehoͤ-
ren ſowohl die mechaniſchen, die eine Folge des Me-
chanismus des Koͤrpers ſind, als auch die Nerven-
kraͤfte.
Dieſe letztern aber ſind gleichfalls koͤrperli-
che
Kraͤfte wie die erſtern, und wie jene eine Folge der
Organiſation. Wir kennen ihre Natur nicht, und wiſ-
ſen von ihren Wirkungsgeſetzen noch wenig, aber ſo viel
laͤßt ſich ſagen, daß ihre Wirkungen aus den bekannten
Grundſaͤtzen der Mechanik zur Zeit noch nicht erklaͤret
werden koͤnnen, daher ſie auch durch den Namen der
organiſchen oder Nervenkraͤfte von den mechani-
ſchen ganz fuͤglich unterſchieden werden. Gleichwol
ſcheint es nicht zu bezweifeln zu ſeyn, daß ſie uns nicht
etwas naͤher bekannt werden koͤnnten, wenn eines Theils
nur die Mechanik der fluͤſſigen elaſtiſchen Koͤrper,
des Aethers, des Feuers, der Elektricitaͤt, des Magne-
tismus u. ſ. w. nicht ſo weit zuruͤck waͤre, als ſie
es iſt, und dann zweytens noch genauer aus Beobach-
tungen nach den Grundgeſetzen, wornach ſie wirken,

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[149/0179] Dreyzehnter Berſuch. Ueber das Seelenweſen im Menſchen. I. Vorlaͤufiger Begriff von der thieriſchen Natur des Menſchen und von dem Seelenweſen in ihm. Der Menſch iſt ein Thier, und hat als Thier eine thieriſche Natur, die keiner ſcharfſinniger un- terſuchet hat, als Hr. Unzer in ſeiner Phyſiologie der Thiere. Als Thier beſitzt der Menſch Seelen- kraͤfte und koͤrperliche Kraͤfte. Zu den letzten gehoͤ- ren ſowohl die mechaniſchen, die eine Folge des Me- chanismus des Koͤrpers ſind, als auch die Nerven- kraͤfte. Dieſe letztern aber ſind gleichfalls koͤrperli- che Kraͤfte wie die erſtern, und wie jene eine Folge der Organiſation. Wir kennen ihre Natur nicht, und wiſ- ſen von ihren Wirkungsgeſetzen noch wenig, aber ſo viel laͤßt ſich ſagen, daß ihre Wirkungen aus den bekannten Grundſaͤtzen der Mechanik zur Zeit noch nicht erklaͤret werden koͤnnen, daher ſie auch durch den Namen der organiſchen oder Nervenkraͤfte von den mechani- ſchen ganz fuͤglich unterſchieden werden. Gleichwol ſcheint es nicht zu bezweifeln zu ſeyn, daß ſie uns nicht etwas naͤher bekannt werden koͤnnten, wenn eines Theils nur die Mechanik der fluͤſſigen elaſtiſchen Koͤrper, des Aethers, des Feuers, der Elektricitaͤt, des Magne- tismus u. ſ. w. nicht ſo weit zuruͤck waͤre, als ſie es iſt, und dann zweytens noch genauer aus Beobach- tungen nach den Grundgeſetzen, wornach ſie wirken, gefor- K 3

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/179>, abgerufen am 30.04.2024.