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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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im Menschen.
und dem Wollen der Seele noch eine gewisse Disposi-
tion in dem Körper voraussetzet.

9.

Dieß war die Eine Klasse von Reihen körperlicher
Veränderungen, die am mindesten durch die Seele
verbunden sind. Lasset uns nun noch die äußersten auf
der entgegengesetzten Seite, das ist, diejenigen, die am
meisten durch die Seele zusammenhangen, oder die
willkürlichsten, aus demselbigen Gesichtspunkte be-
trachten.

Zu den willkürlichen Reihen gehören überhaupt
alle diejenigen, in welchen die Verbindung in ihrer Fol-
ge, ohne Dazwischenkunft der Vorstellungskraft und des
Bestrebens in der Seele, nicht entstanden ist. Der Zu-
sammenhang zwischen der vorhergehenden und nachfol-
genden Bewegung gehet also entweder allein durch die
Seele, oder sie hat doch durch diese zuerst gehen müssen,
ehe eine organische Anreihung in dem Körper entstan-
den ist. Bey dem Menschen gehören alle körperliche
Handlungen, worinn sich Begierden äußern, die auf
vorgestellte Gegenstände gerichtet sind, zu dieser Klasse,
und, wie schon oben erinnert ist, auch das Greifen nach
dem Degen bey dem Kriegsmann, der unvermuthet
überfallen wird. Aber es giebt auch willkürliche Fer-
tigkeiten, in welchen nicht nur die Vorstellungen von
den Objekten, worauf sie gerichtet sind, zufällig und
willkürlich sind, sondern auch die Vorstellungen von der
Handlungsweise in der Seele, wodurch sie bestimmet
werden, wie die Fertigkeit zu malen, zu tanzen, zu
schreiben, und so ferner alle unsere erworbenen Geschick-
lichkeiten, die ihren Sitz in dem Körper haben.

Zu ihrem Unterscheidungsmerkmal gehöret auch die-
ses, daß die nachfolgende Bewegung, welche auf den
Eindruck oder auf das Wollen der Seele erfolget, für

sich
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im Menſchen.
und dem Wollen der Seele noch eine gewiſſe Dispoſi-
tion in dem Koͤrper vorausſetzet.

9.

Dieß war die Eine Klaſſe von Reihen koͤrperlicher
Veraͤnderungen, die am mindeſten durch die Seele
verbunden ſind. Laſſet uns nun noch die aͤußerſten auf
der entgegengeſetzten Seite, das iſt, diejenigen, die am
meiſten durch die Seele zuſammenhangen, oder die
willkuͤrlichſten, aus demſelbigen Geſichtspunkte be-
trachten.

Zu den willkuͤrlichen Reihen gehoͤren uͤberhaupt
alle diejenigen, in welchen die Verbindung in ihrer Fol-
ge, ohne Dazwiſchenkunft der Vorſtellungskraft und des
Beſtrebens in der Seele, nicht entſtanden iſt. Der Zu-
ſammenhang zwiſchen der vorhergehenden und nachfol-
genden Bewegung gehet alſo entweder allein durch die
Seele, oder ſie hat doch durch dieſe zuerſt gehen muͤſſen,
ehe eine organiſche Anreihung in dem Koͤrper entſtan-
den iſt. Bey dem Menſchen gehoͤren alle koͤrperliche
Handlungen, worinn ſich Begierden aͤußern, die auf
vorgeſtellte Gegenſtaͤnde gerichtet ſind, zu dieſer Klaſſe,
und, wie ſchon oben erinnert iſt, auch das Greifen nach
dem Degen bey dem Kriegsmann, der unvermuthet
uͤberfallen wird. Aber es giebt auch willkuͤrliche Fer-
tigkeiten, in welchen nicht nur die Vorſtellungen von
den Objekten, worauf ſie gerichtet ſind, zufaͤllig und
willkuͤrlich ſind, ſondern auch die Vorſtellungen von der
Handlungsweiſe in der Seele, wodurch ſie beſtimmet
werden, wie die Fertigkeit zu malen, zu tanzen, zu
ſchreiben, und ſo ferner alle unſere erworbenen Geſchick-
lichkeiten, die ihren Sitz in dem Koͤrper haben.

Zu ihrem Unterſcheidungsmerkmal gehoͤret auch die-
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[339/0369] im Menſchen. und dem Wollen der Seele noch eine gewiſſe Dispoſi- tion in dem Koͤrper vorausſetzet. 9. Dieß war die Eine Klaſſe von Reihen koͤrperlicher Veraͤnderungen, die am mindeſten durch die Seele verbunden ſind. Laſſet uns nun noch die aͤußerſten auf der entgegengeſetzten Seite, das iſt, diejenigen, die am meiſten durch die Seele zuſammenhangen, oder die willkuͤrlichſten, aus demſelbigen Geſichtspunkte be- trachten. Zu den willkuͤrlichen Reihen gehoͤren uͤberhaupt alle diejenigen, in welchen die Verbindung in ihrer Fol- ge, ohne Dazwiſchenkunft der Vorſtellungskraft und des Beſtrebens in der Seele, nicht entſtanden iſt. Der Zu- ſammenhang zwiſchen der vorhergehenden und nachfol- genden Bewegung gehet alſo entweder allein durch die Seele, oder ſie hat doch durch dieſe zuerſt gehen muͤſſen, ehe eine organiſche Anreihung in dem Koͤrper entſtan- den iſt. Bey dem Menſchen gehoͤren alle koͤrperliche Handlungen, worinn ſich Begierden aͤußern, die auf vorgeſtellte Gegenſtaͤnde gerichtet ſind, zu dieſer Klaſſe, und, wie ſchon oben erinnert iſt, auch das Greifen nach dem Degen bey dem Kriegsmann, der unvermuthet uͤberfallen wird. Aber es giebt auch willkuͤrliche Fer- tigkeiten, in welchen nicht nur die Vorſtellungen von den Objekten, worauf ſie gerichtet ſind, zufaͤllig und willkuͤrlich ſind, ſondern auch die Vorſtellungen von der Handlungsweiſe in der Seele, wodurch ſie beſtimmet werden, wie die Fertigkeit zu malen, zu tanzen, zu ſchreiben, und ſo ferner alle unſere erworbenen Geſchick- lichkeiten, die ihren Sitz in dem Koͤrper haben. Zu ihrem Unterſcheidungsmerkmal gehoͤret auch die- ſes, daß die nachfolgende Bewegung, welche auf den Eindruck oder auf das Wollen der Seele erfolget, fuͤr ſich Y 2

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/369>, abgerufen am 30.04.2024.