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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
also die Kraft der Natur erhöhet werden, so ist dieß
nur durch eine Vermehrung wirksamer Wesen möglich,
die sich mit den anfänglichen Bestandtheilen des Organs
verbinden, und nun das ganze Seelenwesen zu einem
größern Jnbegriff wirksamer Wesen machen. Dieß
würde die Erhöhung unserer Selbstthätigkeit, des Ver-
standes, der Empfindsamkeit und so ferner, ausmachen.
Wenn diese Philosophen nun zugleich dieß ihr Seelen-
wesen zu einem unauflöslichen Ganzen machen, das so
wenig jemals wirklich aufgelöset wird, als die einfache
Substanz es werden kann, so fließen aus ihrer Hypo-
these in Hinsicht der Zukunft dieselbigen Folgen, wie
aus einer andern. Alsdenn besteht der ganze Unter-
schied zwischen ihrer Jdee von der Vervollkommnung
der menschlichen Natur, und derjenigen, die ich hier
festzusetzen gesucht habe, darinn, daß sie das zu perfici-
rende Wesen, worinnen zuletzt die Vergrößerung des
Reellen, der Kräfte und Vermögen gesetzet wird, als
etwas Zusammengesetztes sich vorstellen, und die Stufen-
erhöhung der Vermögen als eine innere Vermehrung an
Materie oder an Theilen, die außer einander und für
sich bestehbare Wesen sind, erklären; dagegen bey der
andern Voraussetzung solche eine Vergrößerung einer
unkörperlichen Größe in der Substanz der Seele selbst
ist. Jm übrigen können sie eben so von der Vollkom-
menheit der menschlichen Natur in ihrem Jnnern reden,
und die Vervollkommnung der Seele (des beseelten Or-
gans) von den Vollkommenheiten im Körper unterschei-
den, und diese auf jene eben so beziehen, als nach der
gewöhnlichen Jdee von der Seele.

4.

Jener Tänzer, der von sich gesagt haben soll, die
Welt habe nur Einen Alexander und nur Einen Vestris,
dachte etwas zu hoch von der Wichtigkeit seiner Kunst.

Der

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
alſo die Kraft der Natur erhoͤhet werden, ſo iſt dieß
nur durch eine Vermehrung wirkſamer Weſen moͤglich,
die ſich mit den anfaͤnglichen Beſtandtheilen des Organs
verbinden, und nun das ganze Seelenweſen zu einem
groͤßern Jnbegriff wirkſamer Weſen machen. Dieß
wuͤrde die Erhoͤhung unſerer Selbſtthaͤtigkeit, des Ver-
ſtandes, der Empfindſamkeit und ſo ferner, ausmachen.
Wenn dieſe Philoſophen nun zugleich dieß ihr Seelen-
weſen zu einem unaufloͤslichen Ganzen machen, das ſo
wenig jemals wirklich aufgeloͤſet wird, als die einfache
Subſtanz es werden kann, ſo fließen aus ihrer Hypo-
theſe in Hinſicht der Zukunft dieſelbigen Folgen, wie
aus einer andern. Alsdenn beſteht der ganze Unter-
ſchied zwiſchen ihrer Jdee von der Vervollkommnung
der menſchlichen Natur, und derjenigen, die ich hier
feſtzuſetzen geſucht habe, darinn, daß ſie das zu perfici-
rende Weſen, worinnen zuletzt die Vergroͤßerung des
Reellen, der Kraͤfte und Vermoͤgen geſetzet wird, als
etwas Zuſammengeſetztes ſich vorſtellen, und die Stufen-
erhoͤhung der Vermoͤgen als eine innere Vermehrung an
Materie oder an Theilen, die außer einander und fuͤr
ſich beſtehbare Weſen ſind, erklaͤren; dagegen bey der
andern Vorausſetzung ſolche eine Vergroͤßerung einer
unkoͤrperlichen Groͤße in der Subſtanz der Seele ſelbſt
iſt. Jm uͤbrigen koͤnnen ſie eben ſo von der Vollkom-
menheit der menſchlichen Natur in ihrem Jnnern reden,
und die Vervollkommnung der Seele (des beſeelten Or-
gans) von den Vollkommenheiten im Koͤrper unterſchei-
den, und dieſe auf jene eben ſo beziehen, als nach der
gewoͤhnlichen Jdee von der Seele.

4.

Jener Taͤnzer, der von ſich geſagt haben ſoll, die
Welt habe nur Einen Alexander und nur Einen Veſtris,
dachte etwas zu hoch von der Wichtigkeit ſeiner Kunſt.

Der
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[646/0676] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt alſo die Kraft der Natur erhoͤhet werden, ſo iſt dieß nur durch eine Vermehrung wirkſamer Weſen moͤglich, die ſich mit den anfaͤnglichen Beſtandtheilen des Organs verbinden, und nun das ganze Seelenweſen zu einem groͤßern Jnbegriff wirkſamer Weſen machen. Dieß wuͤrde die Erhoͤhung unſerer Selbſtthaͤtigkeit, des Ver- ſtandes, der Empfindſamkeit und ſo ferner, ausmachen. Wenn dieſe Philoſophen nun zugleich dieß ihr Seelen- weſen zu einem unaufloͤslichen Ganzen machen, das ſo wenig jemals wirklich aufgeloͤſet wird, als die einfache Subſtanz es werden kann, ſo fließen aus ihrer Hypo- theſe in Hinſicht der Zukunft dieſelbigen Folgen, wie aus einer andern. Alsdenn beſteht der ganze Unter- ſchied zwiſchen ihrer Jdee von der Vervollkommnung der menſchlichen Natur, und derjenigen, die ich hier feſtzuſetzen geſucht habe, darinn, daß ſie das zu perfici- rende Weſen, worinnen zuletzt die Vergroͤßerung des Reellen, der Kraͤfte und Vermoͤgen geſetzet wird, als etwas Zuſammengeſetztes ſich vorſtellen, und die Stufen- erhoͤhung der Vermoͤgen als eine innere Vermehrung an Materie oder an Theilen, die außer einander und fuͤr ſich beſtehbare Weſen ſind, erklaͤren; dagegen bey der andern Vorausſetzung ſolche eine Vergroͤßerung einer unkoͤrperlichen Groͤße in der Subſtanz der Seele ſelbſt iſt. Jm uͤbrigen koͤnnen ſie eben ſo von der Vollkom- menheit der menſchlichen Natur in ihrem Jnnern reden, und die Vervollkommnung der Seele (des beſeelten Or- gans) von den Vollkommenheiten im Koͤrper unterſchei- den, und dieſe auf jene eben ſo beziehen, als nach der gewoͤhnlichen Jdee von der Seele. 4. Jener Taͤnzer, der von ſich geſagt haben ſoll, die Welt habe nur Einen Alexander und nur Einen Veſtris, dachte etwas zu hoch von der Wichtigkeit ſeiner Kunſt. Der

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 646. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/676>, abgerufen am 30.04.2024.