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Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777.

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XIV. Vers. Ueber die Perfektibilität
meine, man sey berechtiget, das unsrige vergleichungs-
weise das philosophische zu nennen. Die Empfind-
samkeit, die Phantasie, der Verstand und die vernünf-
tige Thätigkeit werden vorzüglich erwecket, gereizet und
erhöhet; zunächst in dem schreibenden und lesenden Pu-
blikum, und von da aus weiter in dem übrigen Haufen.
Jedes für sich allein kann übertrieben und im Ganzen
schädlich werden. Dieß offenbaret sich häufig genug.
Jndessen wird es am meisten darauf ankommen, "daß
"keine von den besondern einseitigen Denkungsarten,
"die jetzo unter und durcheinander gähren, zu sehr herr-
"schend werde, und daß richtige Kenntnisse von des
"Menschen Natur und Beziehungen sich mehr ausbrei-
"ten und festsetzen."

Siebenter Abschnitt.
Von der Beziehung der Vervollkommnung des
Menschen auf seine Glückseligkeit.

1) Die Vervollkommnung des Menschen und
seine Glückseligkeit sind in Verbindung, aber
doch unterschieden.

2) Die Glückseligkeit kann nicht allein nach der
Zufriedenheit geschätzet werden.

3) Ob die Entwickelung der Menschheit zu
weit gehen könne für ihre Glückseligkeit?

4) Gedanken einiger Neuern über die Grenze
der Vervollkommnung, wenn diese der
Glückseligkeit nicht schädlich werden soll.

5) Die Glückseligkeit der Menschen bestehet
nicht ganz in dem unthätigen Genuß sinnli-
cher Vergnügungen.

6) Von

XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt
meine, man ſey berechtiget, das unſrige vergleichungs-
weiſe das philoſophiſche zu nennen. Die Empfind-
ſamkeit, die Phantaſie, der Verſtand und die vernuͤnf-
tige Thaͤtigkeit werden vorzuͤglich erwecket, gereizet und
erhoͤhet; zunaͤchſt in dem ſchreibenden und leſenden Pu-
blikum, und von da aus weiter in dem uͤbrigen Haufen.
Jedes fuͤr ſich allein kann uͤbertrieben und im Ganzen
ſchaͤdlich werden. Dieß offenbaret ſich haͤufig genug.
Jndeſſen wird es am meiſten darauf ankommen, „daß
„keine von den beſondern einſeitigen Denkungsarten,
„die jetzo unter und durcheinander gaͤhren, zu ſehr herr-
„ſchend werde, und daß richtige Kenntniſſe von des
„Menſchen Natur und Beziehungen ſich mehr ausbrei-
„ten und feſtſetzen.“

Siebenter Abſchnitt.
Von der Beziehung der Vervollkommnung des
Menſchen auf ſeine Gluͤckſeligkeit.

1) Die Vervollkommnung des Menſchen und
ſeine Gluͤckſeligkeit ſind in Verbindung, aber
doch unterſchieden.

2) Die Gluͤckſeligkeit kann nicht allein nach der
Zufriedenheit geſchaͤtzet werden.

3) Ob die Entwickelung der Menſchheit zu
weit gehen koͤnne fuͤr ihre Gluͤckſeligkeit?

4) Gedanken einiger Neuern uͤber die Grenze
der Vervollkommnung, wenn dieſe der
Gluͤckſeligkeit nicht ſchaͤdlich werden ſoll.

5) Die Gluͤckſeligkeit der Menſchen beſtehet
nicht ganz in dem unthaͤtigen Genuß ſinnli-
cher Vergnuͤgungen.

6) Von
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[790/0820] XIV. Verſ. Ueber die Perfektibilitaͤt meine, man ſey berechtiget, das unſrige vergleichungs- weiſe das philoſophiſche zu nennen. Die Empfind- ſamkeit, die Phantaſie, der Verſtand und die vernuͤnf- tige Thaͤtigkeit werden vorzuͤglich erwecket, gereizet und erhoͤhet; zunaͤchſt in dem ſchreibenden und leſenden Pu- blikum, und von da aus weiter in dem uͤbrigen Haufen. Jedes fuͤr ſich allein kann uͤbertrieben und im Ganzen ſchaͤdlich werden. Dieß offenbaret ſich haͤufig genug. Jndeſſen wird es am meiſten darauf ankommen, „daß „keine von den beſondern einſeitigen Denkungsarten, „die jetzo unter und durcheinander gaͤhren, zu ſehr herr- „ſchend werde, und daß richtige Kenntniſſe von des „Menſchen Natur und Beziehungen ſich mehr ausbrei- „ten und feſtſetzen.“ Siebenter Abſchnitt. Von der Beziehung der Vervollkommnung des Menſchen auf ſeine Gluͤckſeligkeit. 1) Die Vervollkommnung des Menſchen und ſeine Gluͤckſeligkeit ſind in Verbindung, aber doch unterſchieden. 2) Die Gluͤckſeligkeit kann nicht allein nach der Zufriedenheit geſchaͤtzet werden. 3) Ob die Entwickelung der Menſchheit zu weit gehen koͤnne fuͤr ihre Gluͤckſeligkeit? 4) Gedanken einiger Neuern uͤber die Grenze der Vervollkommnung, wenn dieſe der Gluͤckſeligkeit nicht ſchaͤdlich werden ſoll. 5) Die Gluͤckſeligkeit der Menſchen beſtehet nicht ganz in dem unthaͤtigen Genuß ſinnli- cher Vergnuͤgungen. 6) Von

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Zitationshilfe: Tetens, Johann Nicolas: Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung. Bd. 2. Leipzig, 1777, S. 790. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tetens_versuche02_1777/820>, abgerufen am 30.04.2024.