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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809.

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Das Feldersystem.
ten nicht zum Nachtheile des Ackerbaues zu sehr vermindert werden müsse, ist eine
Frage, die man ohne genaue Kenntniß der Lokalität nicht beantworten kann. Auch
sind dadurch noch nicht alle Schwierigkeiten gegen die Einführung eines verbesserten
Ackersystems gehoben.

Mühsamer, aber auch von größerer Wirkung und keinesweges unmöglich ist der
allgemeine Umsatz der Aecker, wodurch einem jeden das Seinige an Grund und Bo-
den, nach gerechtem Ersatz der Quantität durch Qualität, in einer oder in einigen zu-
sammenhängenden Flächen zugetheilt wird, die er dann befriedigen und nach seiner
Willkühr benutzen kann. Hierdurch allein kann sich der Ackerbau der Nation und
jedes Einzelnen zur höchsten Vollkommenheit erheben, und dasjenige System in jeder
Wirthschaft eingeführt werden, was diese Vollkommenheit bewirkt. Aber freilich
sind die Hindernisse, die diesem allgemeinen Ackerumsatze entgegen stehen, -- viel-
leicht nicht so sehr in physischer Hinsicht, als in moralischer und politischer -- schwer
zu überwinden, wo einmal vollkommene Eigenthumsrechte jeder Klasse der Grundin-
haber zugesichert sind.

Ein anderes freilich auch nur palliatives Hülfsmittel denke ich mir in folgender
Einrichtung, die nach dem Lokale verschiedene Modifikationen leiden kann. Es werde
eine dreifeldrige Feldflur in neun gleiche Theile getheilt, und sechs oder sieben Jahre
hindurch -- je nachdem die Weideberechtigung ausgedehnter oder beschränkter war
-- jedem Eigenthümer in jedem Schlage die willkührliche Benutzung seiner Acker-
stücke überlassen, ohne daß er darin durch irgend eine Vor- oder Nachhute, die im-
mer von geringem Belange ist, gestört werde. Nur verpflichte man ihn, daß er zu
der vorletzten Frucht im fünften oder sechsten Jahre dünge, mit der letzten Frucht aber
weißen Klee einsäe. In den übrigen zwei oder drei Jahren kommt dann das Land
zur gemeinschaftlichen Weide, welche durch ihre Qualität alle vorherige Brach- und
Stoppelweide bei weitem übertreffen muß, und nach zurückgelegten Weidejahren den
Acker zu einem weit bessern Fruchtbau durch die Rasenfäulniß und den mehr konzen-
trirten Weidedünger geschickt gemacht hat. Durch die mannigfaltigen freien Ver-
suche der Ackerbauer wird sich bald die Rotation ergeben, welche nach der Beschaffen-
heit des Bodens und den Wirthschaftsverhältnissen die vortheilhafteste sey, und diese
wird von den meisten ohne allen Zweifel eingeführt werden. Welche Schwierigkei-
ten diese Einrichtung haben könne, -- wenn sie ernstlich und mit Ueberlegung bei

Das Felderſyſtem.
ten nicht zum Nachtheile des Ackerbaues zu ſehr vermindert werden muͤſſe, iſt eine
Frage, die man ohne genaue Kenntniß der Lokalitaͤt nicht beantworten kann. Auch
ſind dadurch noch nicht alle Schwierigkeiten gegen die Einfuͤhrung eines verbeſſerten
Ackerſyſtems gehoben.

Muͤhſamer, aber auch von groͤßerer Wirkung und keinesweges unmoͤglich iſt der
allgemeine Umſatz der Aecker, wodurch einem jeden das Seinige an Grund und Bo-
den, nach gerechtem Erſatz der Quantitaͤt durch Qualitaͤt, in einer oder in einigen zu-
ſammenhaͤngenden Flaͤchen zugetheilt wird, die er dann befriedigen und nach ſeiner
Willkuͤhr benutzen kann. Hierdurch allein kann ſich der Ackerbau der Nation und
jedes Einzelnen zur hoͤchſten Vollkommenheit erheben, und dasjenige Syſtem in jeder
Wirthſchaft eingefuͤhrt werden, was dieſe Vollkommenheit bewirkt. Aber freilich
ſind die Hinderniſſe, die dieſem allgemeinen Ackerumſatze entgegen ſtehen, — viel-
leicht nicht ſo ſehr in phyſiſcher Hinſicht, als in moraliſcher und politiſcher — ſchwer
zu uͤberwinden, wo einmal vollkommene Eigenthumsrechte jeder Klaſſe der Grundin-
haber zugeſichert ſind.

Ein anderes freilich auch nur palliatives Huͤlfsmittel denke ich mir in folgender
Einrichtung, die nach dem Lokale verſchiedene Modifikationen leiden kann. Es werde
eine dreifeldrige Feldflur in neun gleiche Theile getheilt, und ſechs oder ſieben Jahre
hindurch — je nachdem die Weideberechtigung ausgedehnter oder beſchraͤnkter war
— jedem Eigenthuͤmer in jedem Schlage die willkuͤhrliche Benutzung ſeiner Acker-
ſtuͤcke uͤberlaſſen, ohne daß er darin durch irgend eine Vor- oder Nachhute, die im-
mer von geringem Belange iſt, geſtoͤrt werde. Nur verpflichte man ihn, daß er zu
der vorletzten Frucht im fuͤnften oder ſechſten Jahre duͤnge, mit der letzten Frucht aber
weißen Klee einſaͤe. In den uͤbrigen zwei oder drei Jahren kommt dann das Land
zur gemeinſchaftlichen Weide, welche durch ihre Qualitaͤt alle vorherige Brach- und
Stoppelweide bei weitem uͤbertreffen muß, und nach zuruͤckgelegten Weidejahren den
Acker zu einem weit beſſern Fruchtbau durch die Raſenfaͤulniß und den mehr konzen-
trirten Weideduͤnger geſchickt gemacht hat. Durch die mannigfaltigen freien Ver-
ſuche der Ackerbauer wird ſich bald die Rotation ergeben, welche nach der Beſchaffen-
heit des Bodens und den Wirthſchaftsverhaͤltniſſen die vortheilhafteſte ſey, und dieſe
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ten dieſe Einrichtung haben koͤnne, — wenn ſie ernſtlich und mit Ueberlegung bei

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[308/0354] Das Felderſyſtem. ten nicht zum Nachtheile des Ackerbaues zu ſehr vermindert werden muͤſſe, iſt eine Frage, die man ohne genaue Kenntniß der Lokalitaͤt nicht beantworten kann. Auch ſind dadurch noch nicht alle Schwierigkeiten gegen die Einfuͤhrung eines verbeſſerten Ackerſyſtems gehoben. Muͤhſamer, aber auch von groͤßerer Wirkung und keinesweges unmoͤglich iſt der allgemeine Umſatz der Aecker, wodurch einem jeden das Seinige an Grund und Bo- den, nach gerechtem Erſatz der Quantitaͤt durch Qualitaͤt, in einer oder in einigen zu- ſammenhaͤngenden Flaͤchen zugetheilt wird, die er dann befriedigen und nach ſeiner Willkuͤhr benutzen kann. Hierdurch allein kann ſich der Ackerbau der Nation und jedes Einzelnen zur hoͤchſten Vollkommenheit erheben, und dasjenige Syſtem in jeder Wirthſchaft eingefuͤhrt werden, was dieſe Vollkommenheit bewirkt. Aber freilich ſind die Hinderniſſe, die dieſem allgemeinen Ackerumſatze entgegen ſtehen, — viel- leicht nicht ſo ſehr in phyſiſcher Hinſicht, als in moraliſcher und politiſcher — ſchwer zu uͤberwinden, wo einmal vollkommene Eigenthumsrechte jeder Klaſſe der Grundin- haber zugeſichert ſind. Ein anderes freilich auch nur palliatives Huͤlfsmittel denke ich mir in folgender Einrichtung, die nach dem Lokale verſchiedene Modifikationen leiden kann. Es werde eine dreifeldrige Feldflur in neun gleiche Theile getheilt, und ſechs oder ſieben Jahre hindurch — je nachdem die Weideberechtigung ausgedehnter oder beſchraͤnkter war — jedem Eigenthuͤmer in jedem Schlage die willkuͤhrliche Benutzung ſeiner Acker- ſtuͤcke uͤberlaſſen, ohne daß er darin durch irgend eine Vor- oder Nachhute, die im- mer von geringem Belange iſt, geſtoͤrt werde. Nur verpflichte man ihn, daß er zu der vorletzten Frucht im fuͤnften oder ſechſten Jahre duͤnge, mit der letzten Frucht aber weißen Klee einſaͤe. In den uͤbrigen zwei oder drei Jahren kommt dann das Land zur gemeinſchaftlichen Weide, welche durch ihre Qualitaͤt alle vorherige Brach- und Stoppelweide bei weitem uͤbertreffen muß, und nach zuruͤckgelegten Weidejahren den Acker zu einem weit beſſern Fruchtbau durch die Raſenfaͤulniß und den mehr konzen- trirten Weideduͤnger geſchickt gemacht hat. Durch die mannigfaltigen freien Ver- ſuche der Ackerbauer wird ſich bald die Rotation ergeben, welche nach der Beſchaffen- heit des Bodens und den Wirthſchaftsverhaͤltniſſen die vortheilhafteſte ſey, und dieſe wird von den meiſten ohne allen Zweifel eingefuͤhrt werden. Welche Schwierigkei- ten dieſe Einrichtung haben koͤnne, — wenn ſie ernſtlich und mit Ueberlegung bei

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 1. Berlin, 1809, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft01_1809/354>, abgerufen am 26.04.2024.