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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810.

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Bemerkungen.
angemessenen Boden mehrentheils gleichen Scheffelertrag mit dem Rocken giebt,
saugt den Boden bekanntlich stärker, wie dieser aus, und sehr wahrscheinlich
nach dem Verhältnisse, worin er den Rocken in Ansehung seiner Schwere und
seiner nahrhaften Theile überwiegt. Auf Boden also, und auf einer Stelle
wo Weizen überhaupt paßt, werden wir seine Anziehung = 40 Prozent an-
nehmen, und darnach seinen Ertrag bestimmen können. Er stehet nämlich in
dem Verhältnisse seines Nahrungsstoffes gegen den Rocken wie 13 : 10, seine An-
ziehung darnach wie 39 : 30. Und da sie noch etwas kräftiger scheint, so nehmen
wir 40. Die Sömmerung dagegen ziehet schwächer an, wie auch schon nach der
kürzeren Zeit ihrer Vegetation zu vermuthen ist. Wir können für selbige nur
25 Prozent, als der Wahrheit nahe kommend, annehmen. Ob Gerste oder Ha-
fer stärker aussauge, darüber sind die Meinungen seit jeher getheilt gewesen, und
es kömmt dabei wohl auf den Zustand des Bodens an. Erstere wird stärker aus-
saugen, wenn der Boden die Lockerung und Vorbereitung erhalten hat, welche
diese Frucht erfordert, indem sie nur unter dieser Bedingung vollständige Ernten
giebt. Der Hafer hingegen hat an sich eine stärkere Anziehungskraft, und auf
einem zäheren und minder bearbeiten Boden wird er mehr aussaugen, als Gerste,
aber auch in dem Verhältnisse eine so viel stärkere Ernte geben. Deshalb nehmen
wir sie im Durchschnitt als gleich an.

Wollen wir nach der im Boden vorhandenen Kraft den Ernteertrag jeder
einzelnen
Frucht bestimmen, so müssen wir überhaupt auf mehrere Nebenum-
stände Rücksicht nehmen. Eine Frucht wird auf Boden von gleicher Natur und
gleicher Kraft einen höheren Ertrag geben, wenn jene Nebenumstände sie begün-
stigen. Dahin gehört denn besonders -- außer der Witterung, die wir weder in
unserer Gewalt haben, noch vorhersehen können -- eine ihr gerade angemessene
Beackerung oder Vorfrucht, und Zerstörung desjenigen Unkrauts, was dieser
Frucht besonders zuwider ist. Diese müssen wir also im Auge behalten, wenn wir
einen Voranschlag des zu erwartenden Ertrages nach der Kraft des Bodens und
der Anziehungskraft des Getreides machen wollen; denn diese Anziehungskraft
äußert nur ihre volle Wirkung, wenn ihr nichts entgegen steht.


Bemerkungen.
angemeſſenen Boden mehrentheils gleichen Scheffelertrag mit dem Rocken giebt,
ſaugt den Boden bekanntlich ſtaͤrker, wie dieſer aus, und ſehr wahrſcheinlich
nach dem Verhaͤltniſſe, worin er den Rocken in Anſehung ſeiner Schwere und
ſeiner nahrhaften Theile uͤberwiegt. Auf Boden alſo, und auf einer Stelle
wo Weizen uͤberhaupt paßt, werden wir ſeine Anziehung = 40 Prozent an-
nehmen, und darnach ſeinen Ertrag beſtimmen koͤnnen. Er ſtehet naͤmlich in
dem Verhaͤltniſſe ſeines Nahrungsſtoffes gegen den Rocken wie 13 : 10, ſeine An-
ziehung darnach wie 39 : 30. Und da ſie noch etwas kraͤftiger ſcheint, ſo nehmen
wir 40. Die Soͤmmerung dagegen ziehet ſchwaͤcher an, wie auch ſchon nach der
kuͤrzeren Zeit ihrer Vegetation zu vermuthen iſt. Wir koͤnnen fuͤr ſelbige nur
25 Prozent, als der Wahrheit nahe kommend, annehmen. Ob Gerſte oder Ha-
fer ſtaͤrker ausſauge, daruͤber ſind die Meinungen ſeit jeher getheilt geweſen, und
es koͤmmt dabei wohl auf den Zuſtand des Bodens an. Erſtere wird ſtaͤrker aus-
ſaugen, wenn der Boden die Lockerung und Vorbereitung erhalten hat, welche
dieſe Frucht erfordert, indem ſie nur unter dieſer Bedingung vollſtaͤndige Ernten
giebt. Der Hafer hingegen hat an ſich eine ſtaͤrkere Anziehungskraft, und auf
einem zaͤheren und minder bearbeiten Boden wird er mehr ausſaugen, als Gerſte,
aber auch in dem Verhaͤltniſſe eine ſo viel ſtaͤrkere Ernte geben. Deshalb nehmen
wir ſie im Durchſchnitt als gleich an.

Wollen wir nach der im Boden vorhandenen Kraft den Ernteertrag jeder
einzelnen
Frucht beſtimmen, ſo muͤſſen wir uͤberhaupt auf mehrere Nebenum-
ſtaͤnde Ruͤckſicht nehmen. Eine Frucht wird auf Boden von gleicher Natur und
gleicher Kraft einen hoͤheren Ertrag geben, wenn jene Nebenumſtaͤnde ſie beguͤn-
ſtigen. Dahin gehoͤrt denn beſonders — außer der Witterung, die wir weder in
unſerer Gewalt haben, noch vorherſehen koͤnnen — eine ihr gerade angemeſſene
Beackerung oder Vorfrucht, und Zerſtoͤrung desjenigen Unkrauts, was dieſer
Frucht beſonders zuwider iſt. Dieſe muͤſſen wir alſo im Auge behalten, wenn wir
einen Voranſchlag des zu erwartenden Ertrages nach der Kraft des Bodens und
der Anziehungskraft des Getreides machen wollen; denn dieſe Anziehungskraft
aͤußert nur ihre volle Wirkung, wenn ihr nichts entgegen ſteht.


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[XVI/0022] Bemerkungen. angemeſſenen Boden mehrentheils gleichen Scheffelertrag mit dem Rocken giebt, ſaugt den Boden bekanntlich ſtaͤrker, wie dieſer aus, und ſehr wahrſcheinlich nach dem Verhaͤltniſſe, worin er den Rocken in Anſehung ſeiner Schwere und ſeiner nahrhaften Theile uͤberwiegt. Auf Boden alſo, und auf einer Stelle wo Weizen uͤberhaupt paßt, werden wir ſeine Anziehung = 40 Prozent an- nehmen, und darnach ſeinen Ertrag beſtimmen koͤnnen. Er ſtehet naͤmlich in dem Verhaͤltniſſe ſeines Nahrungsſtoffes gegen den Rocken wie 13 : 10, ſeine An- ziehung darnach wie 39 : 30. Und da ſie noch etwas kraͤftiger ſcheint, ſo nehmen wir 40. Die Soͤmmerung dagegen ziehet ſchwaͤcher an, wie auch ſchon nach der kuͤrzeren Zeit ihrer Vegetation zu vermuthen iſt. Wir koͤnnen fuͤr ſelbige nur 25 Prozent, als der Wahrheit nahe kommend, annehmen. Ob Gerſte oder Ha- fer ſtaͤrker ausſauge, daruͤber ſind die Meinungen ſeit jeher getheilt geweſen, und es koͤmmt dabei wohl auf den Zuſtand des Bodens an. Erſtere wird ſtaͤrker aus- ſaugen, wenn der Boden die Lockerung und Vorbereitung erhalten hat, welche dieſe Frucht erfordert, indem ſie nur unter dieſer Bedingung vollſtaͤndige Ernten giebt. Der Hafer hingegen hat an ſich eine ſtaͤrkere Anziehungskraft, und auf einem zaͤheren und minder bearbeiten Boden wird er mehr ausſaugen, als Gerſte, aber auch in dem Verhaͤltniſſe eine ſo viel ſtaͤrkere Ernte geben. Deshalb nehmen wir ſie im Durchſchnitt als gleich an. Wollen wir nach der im Boden vorhandenen Kraft den Ernteertrag jeder einzelnen Frucht beſtimmen, ſo muͤſſen wir uͤberhaupt auf mehrere Nebenum- ſtaͤnde Ruͤckſicht nehmen. Eine Frucht wird auf Boden von gleicher Natur und gleicher Kraft einen hoͤheren Ertrag geben, wenn jene Nebenumſtaͤnde ſie beguͤn- ſtigen. Dahin gehoͤrt denn beſonders — außer der Witterung, die wir weder in unſerer Gewalt haben, noch vorherſehen koͤnnen — eine ihr gerade angemeſſene Beackerung oder Vorfrucht, und Zerſtoͤrung desjenigen Unkrauts, was dieſer Frucht beſonders zuwider iſt. Dieſe muͤſſen wir alſo im Auge behalten, wenn wir einen Voranſchlag des zu erwartenden Ertrages nach der Kraft des Bodens und der Anziehungskraft des Getreides machen wollen; denn dieſe Anziehungskraft aͤußert nur ihre volle Wirkung, wenn ihr nichts entgegen ſteht.

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 2. Berlin, 1810, S. XVI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft02_1810/22>, abgerufen am 26.04.2024.