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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Der Weizen.
er doch oft wieder aus. Jedoch darf man deshalb die Abwässerung des Ackers
nicht verabsäumen.

Das Weizenfeld hat im Frühjahr oft nach ungünstigem Winter bis zu Anfang
des Mays das traurigste Ansehen, und man kann kaum eine Pflanze darauf ent-
decken. Darum muß man die Hoffnung bis zu Ende des Mays nicht aufgeben,
und eine anhaltende warme Witterung abwarten, bevor man sich zum Umpflügen
entschließt. Man lese hierüber die schätzbaren Beobachtungen, welche im Jahre
1803 in Mecklenburg gemacht und in den Annolen der Mecklenburgischen
Landwirthschafts-Gesellschaft
Bd. II. S. 169. u. f. aufbewahrt find.

§. 57.

Veaetations-
periode. Eg-
gen der jun-
gen Saat.
Der Weizen verdient es vor allen Getreidearten, daß man auch während
seiner Vegetationsperiode alle Aufmerksamkeit auf ihn verwende, und ihm zu
Hülfe komme. Er belohnt alle auf ihm gewandte Mühe reichlich.

Wenn im Frühjahr seine Vegetation eben beginnt, und der Boden genug-
sam abgetrocknet ist, so geschieht ihm immer durch ein kräftiges Eggen mit eiser-
nen Zinken eine große Wohlthat. Dadurch wird die Winterborke gebrochen, die
Ackerkrume wieder in Verbindung mit der Atmosphäre gesetzt, eine frische geluf-
tete Erde an die nun austreibenden Kronwurzeln gebracht, die Pflanzen zu meh-
rerer Bestaudung gereizt, und junges hervorkeimendes Unkraut zerstört. Man
muß eine gute sonnichte Witterung dazu wählen, und an einem schönen Früh-
lingstage dieser Arbeit alle andren nachsetzen. Man muß diese Arbeit ohne alle
Besorgniß, deren man sich zum erstenmal kaum wird erwehren können, vorneh-
men. Wenn der Acker unmittelbar nachher wie ein frisch bestellter aussieht, so
daß man kaum ein grünes Blatt darauf wahrnimmt, und nur bloße Erdkrume
da zu seyn scheint, dann ist es am besten gerathen. Findet man auch abgerissene
Weizenblätter -- ganze Pflanzen wird man nicht ausgerissen finden -- so ist daran
nichts gelegen. Nach acht oder vierzehn Tagen, nach Beschaffenheit der Witte-
rung, wird man die Pflanze neu hervortreibend, und den Acker weit dichter damit be-
legt finden, als einen andern der diese wohlthätige Operation nicht ausgestanden hat.
In Gegenden, wo man sie allgemein kennt, würde man jede andere Nachlässigkeit
einem Wirthe eher verzeihen, als die Unterlassung derselben im gerechten Zeitpunkte
und bei günstiger Witterung. Man läßt dann alles liegen und stehen, um mit

Der Weizen.
er doch oft wieder aus. Jedoch darf man deshalb die Abwaͤſſerung des Ackers
nicht verabſaͤumen.

Das Weizenfeld hat im Fruͤhjahr oft nach unguͤnſtigem Winter bis zu Anfang
des Mays das traurigſte Anſehen, und man kann kaum eine Pflanze darauf ent-
decken. Darum muß man die Hoffnung bis zu Ende des Mays nicht aufgeben,
und eine anhaltende warme Witterung abwarten, bevor man ſich zum Umpfluͤgen
entſchließt. Man leſe hieruͤber die ſchaͤtzbaren Beobachtungen, welche im Jahre
1803 in Mecklenburg gemacht und in den Annolen der Mecklenburgiſchen
Landwirthſchafts-Geſellſchaft
Bd. II. S. 169. u. f. aufbewahrt find.

§. 57.

Veaetations-
periode. Eg-
gen der jun-
gen Saat.
Der Weizen verdient es vor allen Getreidearten, daß man auch waͤhrend
ſeiner Vegetationsperiode alle Aufmerkſamkeit auf ihn verwende, und ihm zu
Huͤlfe komme. Er belohnt alle auf ihm gewandte Muͤhe reichlich.

Wenn im Fruͤhjahr ſeine Vegetation eben beginnt, und der Boden genug-
ſam abgetrocknet iſt, ſo geſchieht ihm immer durch ein kraͤftiges Eggen mit eiſer-
nen Zinken eine große Wohlthat. Dadurch wird die Winterborke gebrochen, die
Ackerkrume wieder in Verbindung mit der Atmoſphaͤre geſetzt, eine friſche geluf-
tete Erde an die nun austreibenden Kronwurzeln gebracht, die Pflanzen zu meh-
rerer Beſtaudung gereizt, und junges hervorkeimendes Unkraut zerſtoͤrt. Man
muß eine gute ſonnichte Witterung dazu waͤhlen, und an einem ſchoͤnen Fruͤh-
lingstage dieſer Arbeit alle andren nachſetzen. Man muß dieſe Arbeit ohne alle
Beſorgniß, deren man ſich zum erſtenmal kaum wird erwehren koͤnnen, vorneh-
men. Wenn der Acker unmittelbar nachher wie ein friſch beſtellter ausſieht, ſo
daß man kaum ein gruͤnes Blatt darauf wahrnimmt, und nur bloße Erdkrume
da zu ſeyn ſcheint, dann iſt es am beſten gerathen. Findet man auch abgeriſſene
Weizenblaͤtter — ganze Pflanzen wird man nicht ausgeriſſen finden — ſo iſt daran
nichts gelegen. Nach acht oder vierzehn Tagen, nach Beſchaffenheit der Witte-
rung, wird man die Pflanze neu hervortreibend, und den Acker weit dichter damit be-
legt finden, als einen andern der dieſe wohlthaͤtige Operation nicht ausgeſtanden hat.
In Gegenden, wo man ſie allgemein kennt, wuͤrde man jede andere Nachlaͤſſigkeit
einem Wirthe eher verzeihen, als die Unterlaſſung derſelben im gerechten Zeitpunkte
und bei guͤnſtiger Witterung. Man laͤßt dann alles liegen und ſtehen, um mit

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[58/0082] Der Weizen. er doch oft wieder aus. Jedoch darf man deshalb die Abwaͤſſerung des Ackers nicht verabſaͤumen. Das Weizenfeld hat im Fruͤhjahr oft nach unguͤnſtigem Winter bis zu Anfang des Mays das traurigſte Anſehen, und man kann kaum eine Pflanze darauf ent- decken. Darum muß man die Hoffnung bis zu Ende des Mays nicht aufgeben, und eine anhaltende warme Witterung abwarten, bevor man ſich zum Umpfluͤgen entſchließt. Man leſe hieruͤber die ſchaͤtzbaren Beobachtungen, welche im Jahre 1803 in Mecklenburg gemacht und in den Annolen der Mecklenburgiſchen Landwirthſchafts-Geſellſchaft Bd. II. S. 169. u. f. aufbewahrt find. §. 57. Der Weizen verdient es vor allen Getreidearten, daß man auch waͤhrend ſeiner Vegetationsperiode alle Aufmerkſamkeit auf ihn verwende, und ihm zu Huͤlfe komme. Er belohnt alle auf ihm gewandte Muͤhe reichlich. Veaetations- periode. Eg- gen der jun- gen Saat. Wenn im Fruͤhjahr ſeine Vegetation eben beginnt, und der Boden genug- ſam abgetrocknet iſt, ſo geſchieht ihm immer durch ein kraͤftiges Eggen mit eiſer- nen Zinken eine große Wohlthat. Dadurch wird die Winterborke gebrochen, die Ackerkrume wieder in Verbindung mit der Atmoſphaͤre geſetzt, eine friſche geluf- tete Erde an die nun austreibenden Kronwurzeln gebracht, die Pflanzen zu meh- rerer Beſtaudung gereizt, und junges hervorkeimendes Unkraut zerſtoͤrt. Man muß eine gute ſonnichte Witterung dazu waͤhlen, und an einem ſchoͤnen Fruͤh- lingstage dieſer Arbeit alle andren nachſetzen. Man muß dieſe Arbeit ohne alle Beſorgniß, deren man ſich zum erſtenmal kaum wird erwehren koͤnnen, vorneh- men. Wenn der Acker unmittelbar nachher wie ein friſch beſtellter ausſieht, ſo daß man kaum ein gruͤnes Blatt darauf wahrnimmt, und nur bloße Erdkrume da zu ſeyn ſcheint, dann iſt es am beſten gerathen. Findet man auch abgeriſſene Weizenblaͤtter — ganze Pflanzen wird man nicht ausgeriſſen finden — ſo iſt daran nichts gelegen. Nach acht oder vierzehn Tagen, nach Beſchaffenheit der Witte- rung, wird man die Pflanze neu hervortreibend, und den Acker weit dichter damit be- legt finden, als einen andern der dieſe wohlthaͤtige Operation nicht ausgeſtanden hat. In Gegenden, wo man ſie allgemein kennt, wuͤrde man jede andere Nachlaͤſſigkeit einem Wirthe eher verzeihen, als die Unterlaſſung derſelben im gerechten Zeitpunkte und bei guͤnſtiger Witterung. Man laͤßt dann alles liegen und ſtehen, um mit

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/82>, abgerufen am 26.04.2024.