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Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812.

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Die Schaafzucht.
man die deutschen Landracen einer genaueren Untersuchung kaum werth. Es
könnte indessen wohl der Fall eintreten, daß die Einführung einer deutschen
vorzüglichen Landrace und ihre Veredlung in sich selbst der Mühe lohnte,
und daß sie durch das Gewicht ihrer Wolle, und durch ihre größere Härte dann
vielleicht durch ihre mehrere Mastfähigkeit den höheren Werth der Merino-
wolle ersetzte.

Die Feinheit, Elasticität und Stärke der Landwolle ist in der That sehr
verschieden. Es giebt eine Art von Landschaafen, aus deren Wolle schon recht
gute Mitteltücher bereitet werden, und die vorzüglich dauerhaft sind. Es giebt
andre, die so stichelhaarig ist, daß sie nur zu ganz groben Zeugen gebraucht wer-
den kann. Auch in Aufehung der Dichtheit und Quantität der Wolle sind unsre
Schaafe sehr verschieden, und es ist fast immer mit einer größern Feinheit und
Elasticität auch mehrere Dichtigkeit des Fließes verbunden.

Es ist nicht zu leugnen, daß unsre Landschaafe mit schlechterer Weide und
Fütterung vorlieb nehmen als die spanischen, und daß sie zugleich härter und
wenigeren Krankheiten unterworfen sind. Wo daher die ganze Wirthschafts-
einrichtung die bessere Weide und Fütterung nicht gestattet, welche die Meri-
nos wenigstens zu einem befriedigenden Wollertrage erfordern, da kann man
die Beibehaltung der Landschaafe nicht so unbedingt tadeln. Wenn freilich
die Frage entsteht, warum manche Wirthschaft nicht so eingerichtet werde,
daß sie Merinoschaafe statt der Landschaafe vortheilhaft halten könne, so än-
dert sich die Ansicht der Sache, und hiervon ist jetzt nicht die Rede. Nur
wo eine Abänderung der Wirthschaftsverhältnisse und Verbesserung der Weiden
nicht ausgeführt wird und werden kann, scheint es mir, daß auch manche Wirth-
schaft keinen Vortheil von der Einführung der Merinos gegen die einer guten
Landrace haben werde, zumal wenn durch die allgemeine Verbreitung der Me-
rinos der Preis der guten gröberen Wolle in Verhältniß der feinen steigen
sollte. Ich weiß, daß verschiedene aufmerksame Landwirthe in mehreren Gegen-
den schon seit längerer Zeit Versuche mit der Veredlung einländischer Schaafe
in sich selbst gemacht haben; wahrscheinlich sind sie aber nun auch zu der Me-
rinokreuzung übergegangen. Zum Schlachtvieh schicken sich die Landschaafe, und
besonders gewisse Arten derselben, ohne allen Zweifel besser als die reinen Meri-

Die Schaafzucht.
man die deutſchen Landraçen einer genaueren Unterſuchung kaum werth. Es
koͤnnte indeſſen wohl der Fall eintreten, daß die Einfuͤhrung einer deutſchen
vorzuͤglichen Landraçe und ihre Veredlung in ſich ſelbſt der Muͤhe lohnte,
und daß ſie durch das Gewicht ihrer Wolle, und durch ihre groͤßere Haͤrte dann
vielleicht durch ihre mehrere Maſtfaͤhigkeit den hoͤheren Werth der Merino-
wolle erſetzte.

Die Feinheit, Elaſticitaͤt und Staͤrke der Landwolle iſt in der That ſehr
verſchieden. Es giebt eine Art von Landſchaafen, aus deren Wolle ſchon recht
gute Mitteltuͤcher bereitet werden, und die vorzuͤglich dauerhaft ſind. Es giebt
andre, die ſo ſtichelhaarig iſt, daß ſie nur zu ganz groben Zeugen gebraucht wer-
den kann. Auch in Aufehung der Dichtheit und Quantitaͤt der Wolle ſind unſre
Schaafe ſehr verſchieden, und es iſt faſt immer mit einer groͤßern Feinheit und
Elaſticitaͤt auch mehrere Dichtigkeit des Fließes verbunden.

Es iſt nicht zu leugnen, daß unſre Landſchaafe mit ſchlechterer Weide und
Fuͤtterung vorlieb nehmen als die ſpaniſchen, und daß ſie zugleich haͤrter und
wenigeren Krankheiten unterworfen ſind. Wo daher die ganze Wirthſchafts-
einrichtung die beſſere Weide und Fuͤtterung nicht geſtattet, welche die Meri-
nos wenigſtens zu einem befriedigenden Wollertrage erfordern, da kann man
die Beibehaltung der Landſchaafe nicht ſo unbedingt tadeln. Wenn freilich
die Frage entſteht, warum manche Wirthſchaft nicht ſo eingerichtet werde,
daß ſie Merinoſchaafe ſtatt der Landſchaafe vortheilhaft halten koͤnne, ſo aͤn-
dert ſich die Anſicht der Sache, und hiervon iſt jetzt nicht die Rede. Nur
wo eine Abaͤnderung der Wirthſchaftsverhaͤltniſſe und Verbeſſerung der Weiden
nicht ausgefuͤhrt wird und werden kann, ſcheint es mir, daß auch manche Wirth-
ſchaft keinen Vortheil von der Einfuͤhrung der Merinos gegen die einer guten
Landraçe haben werde, zumal wenn durch die allgemeine Verbreitung der Me-
rinos der Preis der guten groͤberen Wolle in Verhaͤltniß der feinen ſteigen
ſollte. Ich weiß, daß verſchiedene aufmerkſame Landwirthe in mehreren Gegen-
den ſchon ſeit laͤngerer Zeit Verſuche mit der Veredlung einlaͤndiſcher Schaafe
in ſich ſelbſt gemacht haben; wahrſcheinlich ſind ſie aber nun auch zu der Me-
rinokreuzung uͤbergegangen. Zum Schlachtvieh ſchicken ſich die Landſchaafe, und
beſonders gewiſſe Arten derſelben, ohne allen Zweifel beſſer als die reinen Meri-

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[397/0421] Die Schaafzucht. man die deutſchen Landraçen einer genaueren Unterſuchung kaum werth. Es koͤnnte indeſſen wohl der Fall eintreten, daß die Einfuͤhrung einer deutſchen vorzuͤglichen Landraçe und ihre Veredlung in ſich ſelbſt der Muͤhe lohnte, und daß ſie durch das Gewicht ihrer Wolle, und durch ihre groͤßere Haͤrte dann vielleicht durch ihre mehrere Maſtfaͤhigkeit den hoͤheren Werth der Merino- wolle erſetzte. Die Feinheit, Elaſticitaͤt und Staͤrke der Landwolle iſt in der That ſehr verſchieden. Es giebt eine Art von Landſchaafen, aus deren Wolle ſchon recht gute Mitteltuͤcher bereitet werden, und die vorzuͤglich dauerhaft ſind. Es giebt andre, die ſo ſtichelhaarig iſt, daß ſie nur zu ganz groben Zeugen gebraucht wer- den kann. Auch in Aufehung der Dichtheit und Quantitaͤt der Wolle ſind unſre Schaafe ſehr verſchieden, und es iſt faſt immer mit einer groͤßern Feinheit und Elaſticitaͤt auch mehrere Dichtigkeit des Fließes verbunden. Es iſt nicht zu leugnen, daß unſre Landſchaafe mit ſchlechterer Weide und Fuͤtterung vorlieb nehmen als die ſpaniſchen, und daß ſie zugleich haͤrter und wenigeren Krankheiten unterworfen ſind. Wo daher die ganze Wirthſchafts- einrichtung die beſſere Weide und Fuͤtterung nicht geſtattet, welche die Meri- nos wenigſtens zu einem befriedigenden Wollertrage erfordern, da kann man die Beibehaltung der Landſchaafe nicht ſo unbedingt tadeln. Wenn freilich die Frage entſteht, warum manche Wirthſchaft nicht ſo eingerichtet werde, daß ſie Merinoſchaafe ſtatt der Landſchaafe vortheilhaft halten koͤnne, ſo aͤn- dert ſich die Anſicht der Sache, und hiervon iſt jetzt nicht die Rede. Nur wo eine Abaͤnderung der Wirthſchaftsverhaͤltniſſe und Verbeſſerung der Weiden nicht ausgefuͤhrt wird und werden kann, ſcheint es mir, daß auch manche Wirth- ſchaft keinen Vortheil von der Einfuͤhrung der Merinos gegen die einer guten Landraçe haben werde, zumal wenn durch die allgemeine Verbreitung der Me- rinos der Preis der guten groͤberen Wolle in Verhaͤltniß der feinen ſteigen ſollte. Ich weiß, daß verſchiedene aufmerkſame Landwirthe in mehreren Gegen- den ſchon ſeit laͤngerer Zeit Verſuche mit der Veredlung einlaͤndiſcher Schaafe in ſich ſelbſt gemacht haben; wahrſcheinlich ſind ſie aber nun auch zu der Me- rinokreuzung uͤbergegangen. Zum Schlachtvieh ſchicken ſich die Landſchaafe, und beſonders gewiſſe Arten derſelben, ohne allen Zweifel beſſer als die reinen Meri-

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Zitationshilfe: Thaer, Albrecht: Grundsätze der rationellen Landwirthschaft. Bd. 4. Berlin, 1812, S. 397. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thaer_landwirthschaft04_1812/421>, abgerufen am 27.04.2024.