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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 3. Hauptst. von Gott als dem
alleine mit seinen äusserlichen Thun und Wan-
del vernünfftig lebet/ sondern auch zum öfftern
äusserlich von GOtt vernünfftig raisoniret/ wie-
wohl er doch nicht mehr als ein Heuchler ist.

74.

Gleichwie aber diese Gegeneinanderhal-
tung eines Atheisten und eines Abergläubigen
schon von andern gelehrt und scharffsinnig aus-
geführet worden; als darffstu dich nicht daran
stossen/ daß man insgemein so sehr wieder die
Atheisterey/
gar selten aber wieder den ab-
göttischen und unvernünfftigen Aberglau-
ben
streitet und schreyet. Fast die gantze
Welt steckt in diesen letztern biß über die
Ohren/ und bemühet sich dannenhero den-
selben als eine wahrhafftige Gottesfurcht den
armen Unwissenden vorzumahlen. Und des-
wegen lässet man es sich eyfferig angelegen seyn/
das arme Volck auff den äusserlichen Gottes-
dienst zu treiben/ und selben zu verfechten/ den
innerlichen aber als eine Phantasterey auszu-
schreyen/ weil jener gar wohl mit dem Aber-
glauben bestehen kan/ ja öffters nichts als Aber-
glauben ist. Wiewvhl es nun wenig speculati-
vi
sche Atheisten giebt/ so schreyen doch die Aber-
gläubischen gewaltig wider dieselben/ theils daß
sie in der Lehre von GOtt nicht so gar alle Jrr-
thümer unbestritten lassen/ theils weil die Athei-
sten ebenmäßig ihre Feinde sind/ theils auch da-
mit sie die vernünfftigen Philosophos und fromme
Leute/ als die ihnen hauptsächlich zuwieder sind/

als

Das 3. Hauptſt. von Gott als dem
alleine mit ſeinen aͤuſſerlichen Thun und Wan-
del vernuͤnfftig lebet/ ſondern auch zum oͤfftern
aͤuſſerlich von GOtt vernuͤnfftig raiſoniret/ wie-
wohl er doch nicht mehr als ein Heuchler iſt.

74.

Gleichwie aber dieſe Gegeneinanderhal-
tung eines Atheiſten und eines Aberglaͤubigen
ſchon von andern gelehrt und ſcharffſinnig aus-
gefuͤhret worden; als darffſtu dich nicht daran
ſtoſſen/ daß man insgemein ſo ſehr wieder die
Atheiſterey/
gar ſelten aber wieder den ab-
goͤttiſchen und unvernuͤnfftigen Aberglau-
ben
ſtreitet und ſchreyet. Faſt die gantze
Welt ſteckt in dieſen letztern biß uͤber die
Ohren/ und bemuͤhet ſich dannenhero den-
ſelben als eine wahrhafftige Gottesfurcht den
armen Unwiſſenden vorzumahlen. Und des-
wegen laͤſſet man es ſich eyfferig angelegen ſeyn/
das arme Volck auff den aͤuſſerlichen Gottes-
dienſt zu treiben/ und ſelben zu verfechten/ den
innerlichen aber als eine Phantaſterey auszu-
ſchreyen/ weil jener gar wohl mit dem Aber-
glauben beſtehen kan/ ja oͤffters nichts als Aber-
glauben iſt. Wiewvhl es nun wenig ſpeculati-
vi
ſche Atheiſten giebt/ ſo ſchreyen doch die Aber-
glaͤubiſchen gewaltig wider dieſelben/ theils daß
ſie in der Lehre von GOtt nicht ſo gar alle Jrr-
thuͤmer unbeſtritten laſſen/ theils weil die Athei-
ſten ebenmaͤßig ihre Feinde ſind/ theils auch da-
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Leute/ als die ihnen hauptſaͤchlich zuwieder ſind/

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[152/0184] Das 3. Hauptſt. von Gott als dem alleine mit ſeinen aͤuſſerlichen Thun und Wan- del vernuͤnfftig lebet/ ſondern auch zum oͤfftern aͤuſſerlich von GOtt vernuͤnfftig raiſoniret/ wie- wohl er doch nicht mehr als ein Heuchler iſt. 74. Gleichwie aber dieſe Gegeneinanderhal- tung eines Atheiſten und eines Aberglaͤubigen ſchon von andern gelehrt und ſcharffſinnig aus- gefuͤhret worden; als darffſtu dich nicht daran ſtoſſen/ daß man insgemein ſo ſehr wieder die Atheiſterey/ gar ſelten aber wieder den ab- goͤttiſchen und unvernuͤnfftigen Aberglau- ben ſtreitet und ſchreyet. Faſt die gantze Welt ſteckt in dieſen letztern biß uͤber die Ohren/ und bemuͤhet ſich dannenhero den- ſelben als eine wahrhafftige Gottesfurcht den armen Unwiſſenden vorzumahlen. Und des- wegen laͤſſet man es ſich eyfferig angelegen ſeyn/ das arme Volck auff den aͤuſſerlichen Gottes- dienſt zu treiben/ und ſelben zu verfechten/ den innerlichen aber als eine Phantaſterey auszu- ſchreyen/ weil jener gar wohl mit dem Aber- glauben beſtehen kan/ ja oͤffters nichts als Aber- glauben iſt. Wiewvhl es nun wenig ſpeculati- viſche Atheiſten giebt/ ſo ſchreyen doch die Aber- glaͤubiſchen gewaltig wider dieſelben/ theils daß ſie in der Lehre von GOtt nicht ſo gar alle Jrr- thuͤmer unbeſtritten laſſen/ theils weil die Athei- ſten ebenmaͤßig ihre Feinde ſind/ theils auch da- mit ſie die vernuͤnfftigen Philoſophos und from̃e Leute/ als die ihnen hauptſaͤchlich zuwieder ſind/ als

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/184>, abgerufen am 27.04.2024.