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Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692.

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Das 9. H. von der vernünfftigen Liebe
ander bezeigen. Zudem wäre keine Proportion
zwischen dem Verbrechen und der Straffe/ wenn
man das Versehen eines Menschen/ der sich bey
seiner Heyrath mehr aus Schwachheit als ab-
sonderlichen Boßheit nicht wohl in acht genom-
men/ mit einer so grossen Gemüths-Qvaal be-
straffen wolte.

19.

Was aber im übrigen nach Anleitung der
Natur bey dem Ehestande zu beobachten sey/ da-
von haben wir allbereit anderswo ausführlich ge-
handelt/ und zugleich erörtert: Ob es der Natur
zuwider sey oder nicht/ viel Weiber oder Män-
ner/ oder die Weiber mit vielen gemein zu
haben?
Wohin wir uns um Kürtze willen be-
ziehen/ und für unnöthig halten/ unsere Lehr-
Sätze anhero zu widerhohlen.

20.

Die Gesellschafft der Eltern und Kin-
der zielet der Natur nach auf eine vernünfftige
ungleiche Liebe/
wie wir dieselbe oben beschrie-
ben haben/ in der die Eltern schuldig sind/ ihre
Liebe solcher Gestalt gegen die Kinder zu bezei-
gen/ daß so lange diese in der Unvollkommenheit
stecken/ sie eine Ehrfurcht gegen die Eltern tra-
gen/ und so wohl durch das gute Exempel der
Eltern/ als durch ihre tägliche Lehren und
Anführungen sich aus der Unvollkommenheit
heraus reissen. Weshalben auch die Eltern
schuldig sind/ für allen Dingen um die Ausbesse-
rung der Kinder besorgt zu seyn/ und keine andere
Pflicht oder Freundschafft dieser Obliegen-

heit

Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe
ander bezeigen. Zudem waͤre keine Proportion
zwiſchen dem Verbrechen und der Straffe/ wenn
man das Verſehen eines Menſchen/ der ſich bey
ſeiner Heyrath mehr aus Schwachheit als ab-
ſonderlichen Boßheit nicht wohl in acht genom-
men/ mit einer ſo groſſen Gemuͤths-Qvaal be-
ſtraffen wolte.

19.

Was aber im uͤbrigen nach Anleitung der
Natur bey dem Eheſtande zu beobachten ſey/ da-
von haben wir allbereit anderswo ausfuͤhrlich ge-
handelt/ und zugleich eroͤrtert: Ob es der Natur
zuwider ſey oder nicht/ viel Weiber oder Maͤn-
ner/ oder die Weiber mit vielen gemein zu
haben?
Wohin wir uns um Kuͤrtze willen be-
ziehen/ und fuͤr unnoͤthig halten/ unſere Lehr-
Saͤtze anhero zu widerhohlen.

20.

Die Geſellſchafft der Eltern und Kin-
der zielet der Natur nach auf eine vernuͤnfftige
ungleiche Liebe/
wie wir dieſelbe oben beſchrie-
ben haben/ in der die Eltern ſchuldig ſind/ ihre
Liebe ſolcher Geſtalt gegen die Kinder zu bezei-
gen/ daß ſo lange dieſe in der Unvollkommenheit
ſtecken/ ſie eine Ehrfurcht gegen die Eltern tra-
gen/ und ſo wohl durch das gute Exempel der
Eltern/ als durch ihre taͤgliche Lehren und
Anfuͤhrungen ſich aus der Unvollkommenheit
heraus reiſſen. Weshalben auch die Eltern
ſchuldig ſind/ fuͤr allen Dingen um die Ausbeſſe-
rung der Kindeꝛ beſorgt zu ſeyn/ und keine andere
Pflicht oder Freundſchafft dieſer Obliegen-

heit
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[366[362]/0394] Das 9. H. von der vernuͤnfftigen Liebe ander bezeigen. Zudem waͤre keine Proportion zwiſchen dem Verbrechen und der Straffe/ wenn man das Verſehen eines Menſchen/ der ſich bey ſeiner Heyrath mehr aus Schwachheit als ab- ſonderlichen Boßheit nicht wohl in acht genom- men/ mit einer ſo groſſen Gemuͤths-Qvaal be- ſtraffen wolte. 19. Was aber im uͤbrigen nach Anleitung der Natur bey dem Eheſtande zu beobachten ſey/ da- von haben wir allbereit anderswo ausfuͤhrlich ge- handelt/ und zugleich eroͤrtert: Ob es der Natur zuwider ſey oder nicht/ viel Weiber oder Maͤn- ner/ oder die Weiber mit vielen gemein zu haben? Wohin wir uns um Kuͤrtze willen be- ziehen/ und fuͤr unnoͤthig halten/ unſere Lehr- Saͤtze anhero zu widerhohlen. 20. Die Geſellſchafft der Eltern und Kin- der zielet der Natur nach auf eine vernuͤnfftige ungleiche Liebe/ wie wir dieſelbe oben beſchrie- ben haben/ in der die Eltern ſchuldig ſind/ ihre Liebe ſolcher Geſtalt gegen die Kinder zu bezei- gen/ daß ſo lange dieſe in der Unvollkommenheit ſtecken/ ſie eine Ehrfurcht gegen die Eltern tra- gen/ und ſo wohl durch das gute Exempel der Eltern/ als durch ihre taͤgliche Lehren und Anfuͤhrungen ſich aus der Unvollkommenheit heraus reiſſen. Weshalben auch die Eltern ſchuldig ſind/ fuͤr allen Dingen um die Ausbeſſe- rung der Kindeꝛ beſorgt zu ſeyn/ und keine andere Pflicht oder Freundſchafft dieſer Obliegen- heit

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Zitationshilfe: Thomasius, Christian: Von der Kunst Vernünfftig und Tugendhafft zu lieben. Halle (Saale), 1692, S. 366[362]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thomasius_einleitungsittenlehre_1692/394>, abgerufen am 26.04.2024.