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Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826.

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Gesetzt nun, der Hauptstaat verbiete die Getreideein-
fuhr aus den Nebenstaaten, wie wird dies auf den Ge-
treidepreis in einem unfern von der Zentralstadt liegen-
den Nebenstaat mit einem abgerundeten Gebiet wirken?

Nach der Sperrung wird der Getreidepreis in dem
Nebenstaat nicht weiter durch den Preis in der Zentral-
stadt regulirt; der Nebenstaat tritt nun in Beziehung
auf den Getreidehandel in die Verhältnisse eines isolirt
liegenden Staats, und der Preis des Getreides wird nun
nach eben den Gesetzen, die wir für den isolirten Staat
-- als Einheit betrachtet -- gefunden haben, bestimmt,
d. h. der Preis in der kleinen Stadt des Nebenstaats
muß so hoch seyn, daß dadurch dem entferntesten Pro-
duzenten die Produktions- und Transportkosten ersetzt
werden. Da aber das Gebiet der Stadt nur klein ist
und da das Getreide nicht aus weiter Ferne herbeige-
schafft zu werden braucht, so kann auch der Getreidepreis
in der kleinen Stadt sich nur wenig über die Produktions-
kosten erheben, und die Landrente, die der Grund und
Boden in diesem Nebenstaat sonst gab, verschwindet dann
fast ganz.

Sehr merkwürdig bleibt es, daß die Sperrung diese
Wirkung auf einen Staat, der doch nur sein eigenes
Bedürfniß an Getreide erzielt, und der früher eben so
wenig Korn als jetzt nach der Zentralstadt lieferte, aus-
üben kann, und der Natur der Sache nach ausüben muß.

In einem ähnlichen Verhältniß, wie die Nebenstaa-
ten zu der Zentralstadt, stehen die europäischen Staaten
zu dem reichen Staat, der den höchsten Getreidepreis zah-
len kann, zu England und namentlich zu dessen Haupt-
stadt, London.

Auch in diesen europäischen Staaten wird, selbst
dann wenn sie weder Korn einführen noch ausführen, der
Getreidepreis durch den Weltmarkt von London beherrscht,

Geſetzt nun, der Hauptſtaat verbiete die Getreideein-
fuhr aus den Nebenſtaaten, wie wird dies auf den Ge-
treidepreis in einem unfern von der Zentralſtadt liegen-
den Nebenſtaat mit einem abgerundeten Gebiet wirken?

Nach der Sperrung wird der Getreidepreis in dem
Nebenſtaat nicht weiter durch den Preis in der Zentral-
ſtadt regulirt; der Nebenſtaat tritt nun in Beziehung
auf den Getreidehandel in die Verhaͤltniſſe eines iſolirt
liegenden Staats, und der Preis des Getreides wird nun
nach eben den Geſetzen, die wir fuͤr den iſolirten Staat
— als Einheit betrachtet — gefunden haben, beſtimmt,
d. h. der Preis in der kleinen Stadt des Nebenſtaats
muß ſo hoch ſeyn, daß dadurch dem entfernteſten Pro-
duzenten die Produktions- und Transportkoſten erſetzt
werden. Da aber das Gebiet der Stadt nur klein iſt
und da das Getreide nicht aus weiter Ferne herbeige-
ſchafft zu werden braucht, ſo kann auch der Getreidepreis
in der kleinen Stadt ſich nur wenig uͤber die Produktions-
koſten erheben, und die Landrente, die der Grund und
Boden in dieſem Nebenſtaat ſonſt gab, verſchwindet dann
faſt ganz.

Sehr merkwuͤrdig bleibt es, daß die Sperrung dieſe
Wirkung auf einen Staat, der doch nur ſein eigenes
Beduͤrfniß an Getreide erzielt, und der fruͤher eben ſo
wenig Korn als jetzt nach der Zentralſtadt lieferte, aus-
uͤben kann, und der Natur der Sache nach ausuͤben muß.

In einem aͤhnlichen Verhaͤltniß, wie die Nebenſtaa-
ten zu der Zentralſtadt, ſtehen die europaͤiſchen Staaten
zu dem reichen Staat, der den hoͤchſten Getreidepreis zah-
len kann, zu England und namentlich zu deſſen Haupt-
ſtadt, London.

Auch in dieſen europaͤiſchen Staaten wird, ſelbſt
dann wenn ſie weder Korn einfuͤhren noch ausfuͤhren, der
Getreidepreis durch den Weltmarkt von London beherrſcht,

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[284/0298] Geſetzt nun, der Hauptſtaat verbiete die Getreideein- fuhr aus den Nebenſtaaten, wie wird dies auf den Ge- treidepreis in einem unfern von der Zentralſtadt liegen- den Nebenſtaat mit einem abgerundeten Gebiet wirken? Nach der Sperrung wird der Getreidepreis in dem Nebenſtaat nicht weiter durch den Preis in der Zentral- ſtadt regulirt; der Nebenſtaat tritt nun in Beziehung auf den Getreidehandel in die Verhaͤltniſſe eines iſolirt liegenden Staats, und der Preis des Getreides wird nun nach eben den Geſetzen, die wir fuͤr den iſolirten Staat — als Einheit betrachtet — gefunden haben, beſtimmt, d. h. der Preis in der kleinen Stadt des Nebenſtaats muß ſo hoch ſeyn, daß dadurch dem entfernteſten Pro- duzenten die Produktions- und Transportkoſten erſetzt werden. Da aber das Gebiet der Stadt nur klein iſt und da das Getreide nicht aus weiter Ferne herbeige- ſchafft zu werden braucht, ſo kann auch der Getreidepreis in der kleinen Stadt ſich nur wenig uͤber die Produktions- koſten erheben, und die Landrente, die der Grund und Boden in dieſem Nebenſtaat ſonſt gab, verſchwindet dann faſt ganz. Sehr merkwuͤrdig bleibt es, daß die Sperrung dieſe Wirkung auf einen Staat, der doch nur ſein eigenes Beduͤrfniß an Getreide erzielt, und der fruͤher eben ſo wenig Korn als jetzt nach der Zentralſtadt lieferte, aus- uͤben kann, und der Natur der Sache nach ausuͤben muß. In einem aͤhnlichen Verhaͤltniß, wie die Nebenſtaa- ten zu der Zentralſtadt, ſtehen die europaͤiſchen Staaten zu dem reichen Staat, der den hoͤchſten Getreidepreis zah- len kann, zu England und namentlich zu deſſen Haupt- ſtadt, London. Auch in dieſen europaͤiſchen Staaten wird, ſelbſt dann wenn ſie weder Korn einfuͤhren noch ausfuͤhren, der Getreidepreis durch den Weltmarkt von London beherrſcht,

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Zitationshilfe: Thünen, Johann Heinrich von: Der isolirte Staat in Beziehung auf Landwirthschaft und Nationalökonomie. Hamburg, 1826, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/thuenen_staat_1826/298>, abgerufen am 26.04.2024.