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Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Johann Ludwig Tieck, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, gest. 8. April 1853 ebendaselbst, Sohn eines wackern Seilermeisters, zeigte schon auf dem Gymnasium ein frühreifes Talent, schrieb später für den alten Nicolai Erzählungen unbedeutender Art, wie "Peter Lebrecht" u. dgl., aber auch Bedeutendes, wie den Roman "William Lovell", lebte 1799--1800 zu Jena im Verkehr mit den Brüdern Schlegel, Novalis, Brentano, Fichte, Schelling, daneben auch mit Goethe und Schiller, und erwuchs zum dichterischen Haupte der romantischen Schule, in welcher Eigenschaft er mit der "Genoveva", dem "Kaiser Octavianus", dem späteren "Fortunat" und mit den im "Phantasus" gesammelten Märchen, Märchennovellen und Märchendramen geraume Zeit die deutsche Geisteswelt beherrschte. Er half die ersten kindlichen Anfänge des Studiums unserer mittelalterlichen Poesie heraufführen, das er nachher mit Shakespeare'schen Stücken vertauschte, die jedoch ziemlich unfruchtbar geblieben sind. In der Mitte seines Lebens, 1819, ließ er sich dauernd zu Dresden nieder, wo er als Dramaturg am Theater wirkte, besonders aber durch seine berühmten abendlichen Vorlesungen einen von nah und fern um ihn versammelten Kreis begeisterte. Dort schrieb er die Novellen, welche die dritte Periode seiner schriftstellerischen Laufbahn bezeichnen. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. wurde er von diesem Freunde der romantischen Dichtungen und Strebungen 1841 nach Berlin gezogen, wo ihm in heiterer, doch nicht ganz ungetrübter Muße sein Lebensabend verfloß. Ein Verdienst, das ihm bei keiner Gelegenheit vergessen werden darf, ist, daß er, neben den Schriften von Maler Müller, Lenz, Schröder, die Schriften Heinrichs v. Kleist herausgegeben hat, die ohne ihn vielleicht noch lange unbeachtet geblieben wären.

Johann Ludwig Tieck, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, gest. 8. April 1853 ebendaselbst, Sohn eines wackern Seilermeisters, zeigte schon auf dem Gymnasium ein frühreifes Talent, schrieb später für den alten Nicolai Erzählungen unbedeutender Art, wie „Peter Lebrecht“ u. dgl., aber auch Bedeutendes, wie den Roman „William Lovell“, lebte 1799—1800 zu Jena im Verkehr mit den Brüdern Schlegel, Novalis, Brentano, Fichte, Schelling, daneben auch mit Goethe und Schiller, und erwuchs zum dichterischen Haupte der romantischen Schule, in welcher Eigenschaft er mit der „Genoveva“, dem „Kaiser Octavianus“, dem späteren „Fortunat“ und mit den im „Phantasus“ gesammelten Märchen, Märchennovellen und Märchendramen geraume Zeit die deutsche Geisteswelt beherrschte. Er half die ersten kindlichen Anfänge des Studiums unserer mittelalterlichen Poesie heraufführen, das er nachher mit Shakespeare'schen Stücken vertauschte, die jedoch ziemlich unfruchtbar geblieben sind. In der Mitte seines Lebens, 1819, ließ er sich dauernd zu Dresden nieder, wo er als Dramaturg am Theater wirkte, besonders aber durch seine berühmten abendlichen Vorlesungen einen von nah und fern um ihn versammelten Kreis begeisterte. Dort schrieb er die Novellen, welche die dritte Periode seiner schriftstellerischen Laufbahn bezeichnen. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. wurde er von diesem Freunde der romantischen Dichtungen und Strebungen 1841 nach Berlin gezogen, wo ihm in heiterer, doch nicht ganz ungetrübter Muße sein Lebensabend verfloß. Ein Verdienst, das ihm bei keiner Gelegenheit vergessen werden darf, ist, daß er, neben den Schriften von Maler Müller, Lenz, Schröder, die Schriften Heinrichs v. Kleist herausgegeben hat, die ohne ihn vielleicht noch lange unbeachtet geblieben wären.

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[0005] Johann Ludwig Tieck, geb. 31. Mai 1773 in Berlin, gest. 8. April 1853 ebendaselbst, Sohn eines wackern Seilermeisters, zeigte schon auf dem Gymnasium ein frühreifes Talent, schrieb später für den alten Nicolai Erzählungen unbedeutender Art, wie „Peter Lebrecht“ u. dgl., aber auch Bedeutendes, wie den Roman „William Lovell“, lebte 1799—1800 zu Jena im Verkehr mit den Brüdern Schlegel, Novalis, Brentano, Fichte, Schelling, daneben auch mit Goethe und Schiller, und erwuchs zum dichterischen Haupte der romantischen Schule, in welcher Eigenschaft er mit der „Genoveva“, dem „Kaiser Octavianus“, dem späteren „Fortunat“ und mit den im „Phantasus“ gesammelten Märchen, Märchennovellen und Märchendramen geraume Zeit die deutsche Geisteswelt beherrschte. Er half die ersten kindlichen Anfänge des Studiums unserer mittelalterlichen Poesie heraufführen, das er nachher mit Shakespeare'schen Stücken vertauschte, die jedoch ziemlich unfruchtbar geblieben sind. In der Mitte seines Lebens, 1819, ließ er sich dauernd zu Dresden nieder, wo er als Dramaturg am Theater wirkte, besonders aber durch seine berühmten abendlichen Vorlesungen einen von nah und fern um ihn versammelten Kreis begeisterte. Dort schrieb er die Novellen, welche die dritte Periode seiner schriftstellerischen Laufbahn bezeichnen. Nach der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. wurde er von diesem Freunde der romantischen Dichtungen und Strebungen 1841 nach Berlin gezogen, wo ihm in heiterer, doch nicht ganz ungetrübter Muße sein Lebensabend verfloß. Ein Verdienst, das ihm bei keiner Gelegenheit vergessen werden darf, ist, daß er, neben den Schriften von Maler Müller, Lenz, Schröder, die Schriften Heinrichs v. Kleist herausgegeben hat, die ohne ihn vielleicht noch lange unbeachtet geblieben wären.

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Die Gemälde. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 2. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–123. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_gemaelde_1910/5>, abgerufen am 26.04.2024.