Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796.

Bild:
<< vorherige Seite
19.
Adriano an Francesko.

Ich sehe aus Ihren Briefen, daß wir auf eine
beynahe wunderbare Weise sympathisiren, denn
werden Sie es mir wohl glauben wollen, wenn
ich Ihnen sage, daß ich wirklich schon Bräuti-
gam bin? Bey einer Heyrath ist das Glück, so
wie im ganzen übrigen Leben, ein Zufall, und
das lange Wählen ist daher völlig unnütz. Wir
leben wie in einem großen Lotto, wo Nieten
und Gewinnste unkenntlich durcheinander liegen,
das Aussuchen und Besinnen ist nur lächer-
lich. So hab' ich jetzt, ohne es selbst zu
wollen, eine Stelle bekommen, die ansehnlicher
und einträglicher ist, als jene, um die ich an-
hielt; die feine Klugheit will zwar immer den
Gang des Lebens und seiner Zufälle errathen,
allein sie irrt sich doch weit häufiger, als ihre
Berechnungen eintreffen; ich setze die Klugheit
darinn, alle Zufälle auf eine Art aufzufangen,
daß sie mir nicht schaden können, hierbey läuft

19.
Adriano an Francesko.

Ich ſehe aus Ihren Briefen, daß wir auf eine
beynahe wunderbare Weiſe ſympathiſiren, denn
werden Sie es mir wohl glauben wollen, wenn
ich Ihnen ſage, daß ich wirklich ſchon Braͤuti-
gam bin? Bey einer Heyrath iſt das Gluͤck, ſo
wie im ganzen uͤbrigen Leben, ein Zufall, und
das lange Waͤhlen iſt daher voͤllig unnuͤtz. Wir
leben wie in einem großen Lotto, wo Nieten
und Gewinnſte unkenntlich durcheinander liegen,
das Ausſuchen und Beſinnen iſt nur laͤcher-
lich. So hab' ich jetzt, ohne es ſelbſt zu
wollen, eine Stelle bekommen, die anſehnlicher
und eintraͤglicher iſt, als jene, um die ich an-
hielt; die feine Klugheit will zwar immer den
Gang des Lebens und ſeiner Zufaͤlle errathen,
allein ſie irrt ſich doch weit haͤufiger, als ihre
Berechnungen eintreffen; ich ſetze die Klugheit
darinn, alle Zufaͤlle auf eine Art aufzufangen,
daß ſie mir nicht ſchaden koͤnnen, hierbey laͤuft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0388" n="381"/>
        <div n="2">
          <head>19.<lb/><hi rendition="#g">Adriano</hi> an <hi rendition="#g">Francesko</hi>.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Florenz</hi>.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>ch &#x017F;ehe aus Ihren Briefen, daß wir auf eine<lb/>
beynahe wunderbare Wei&#x017F;e &#x017F;ympathi&#x017F;iren, denn<lb/>
werden Sie es mir wohl glauben wollen, wenn<lb/>
ich Ihnen &#x017F;age, daß ich wirklich &#x017F;chon Bra&#x0364;uti-<lb/>
gam bin? Bey einer Heyrath i&#x017F;t das Glu&#x0364;ck, &#x017F;o<lb/>
wie im ganzen u&#x0364;brigen Leben, ein Zufall, und<lb/>
das lange Wa&#x0364;hlen i&#x017F;t daher vo&#x0364;llig unnu&#x0364;tz. Wir<lb/>
leben wie in einem großen Lotto, wo Nieten<lb/>
und Gewinn&#x017F;te unkenntlich durcheinander liegen,<lb/>
das Aus&#x017F;uchen und Be&#x017F;innen i&#x017F;t nur la&#x0364;cher-<lb/>
lich. So hab' ich jetzt, ohne es &#x017F;elb&#x017F;t zu<lb/>
wollen, eine Stelle bekommen, die an&#x017F;ehnlicher<lb/>
und eintra&#x0364;glicher i&#x017F;t, als jene, um die ich an-<lb/>
hielt; die feine Klugheit will zwar immer den<lb/>
Gang des Lebens und &#x017F;einer Zufa&#x0364;lle errathen,<lb/>
allein &#x017F;ie irrt &#x017F;ich doch weit ha&#x0364;ufiger, als ihre<lb/>
Berechnungen eintreffen; ich &#x017F;etze die Klugheit<lb/>
darinn, alle Zufa&#x0364;lle auf eine Art aufzufangen,<lb/>
daß &#x017F;ie mir nicht &#x017F;chaden ko&#x0364;nnen, hierbey la&#x0364;uft<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[381/0388] 19. Adriano an Francesko. Florenz. Ich ſehe aus Ihren Briefen, daß wir auf eine beynahe wunderbare Weiſe ſympathiſiren, denn werden Sie es mir wohl glauben wollen, wenn ich Ihnen ſage, daß ich wirklich ſchon Braͤuti- gam bin? Bey einer Heyrath iſt das Gluͤck, ſo wie im ganzen uͤbrigen Leben, ein Zufall, und das lange Waͤhlen iſt daher voͤllig unnuͤtz. Wir leben wie in einem großen Lotto, wo Nieten und Gewinnſte unkenntlich durcheinander liegen, das Ausſuchen und Beſinnen iſt nur laͤcher- lich. So hab' ich jetzt, ohne es ſelbſt zu wollen, eine Stelle bekommen, die anſehnlicher und eintraͤglicher iſt, als jene, um die ich an- hielt; die feine Klugheit will zwar immer den Gang des Lebens und ſeiner Zufaͤlle errathen, allein ſie irrt ſich doch weit haͤufiger, als ihre Berechnungen eintreffen; ich ſetze die Klugheit darinn, alle Zufaͤlle auf eine Art aufzufangen, daß ſie mir nicht ſchaden koͤnnen, hierbey laͤuft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/388
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: William Lovell. Bd. 3. Berlin u. a., 1796, S. 381. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_lovell03_1796/388>, abgerufen am 27.04.2024.