Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweite Abtheilung.
die stets erneut und verjüngt in ihm aufsteigen.
Angerührt, angelacht von tausendfältiger Liebe
wickelt die Seele sich in Lieder von allen Farben
und jubelt himmelan, daß das träge alltägliche
Leben sie lange nicht wieder findet.

Wie ein goldner Funke ein Feuerwerk anzündet,
daß sich alle Räder glühend drehn, und alle Sterne
in ihren Kreisen funkeln, die Flamme freiwillig die
verschlungenen Linien durchläuft, und alles in bunt-
flammende Bewegung treibt, daß das trunkene
Auge staunend sich ergötzt, und den Strudel der
wechselnden farbigen Flammen mit Entzücken be-
trachtet: so ist es mit den wankenden, glänzenden
Bildern, die die Freude uns vorführt. Ach! was
war es, wenn es vorüber ist? Oder wenn Du es
mit kunstrichterlichem Auge siehst? Laß dem magi-
schen Feuer seinen Lauf, die wunderliche Stickerei
nimmt sich nur auf einem dunkeln Nachtgrunde
aus, beim hellen Tageslicht würde sie nüchtern und
verlegen mit allen ihren Farben kokettiren.

Wißt Ihr denn, was Ihr wollt, die Ihr in
allen Dingen den Zusammenhang sucht? Wenn der
goldne Wein im Glase blinkt, und der gute Geist
von dort in Euch hineinsteigt, wenn Ihr Leben und
Seele in doppelter Wirkung empfindet, und alle
Schleusen Eures Wesens geöffnet sind, durch die
das zurückgehaltene Entzücken mächtiglich hinbraust,
wenn dann die lezten Tiefen, in die noch kein Ton
drang, wiederklingen, wenn alles sich in Eine Me-
lodie gesellt, und in der Luft verwandte Geister
unsichtbare Tänze feiern, -- was denkt Ihr da,

Zweite Abtheilung.
die ſtets erneut und verjuͤngt in ihm aufſteigen.
Angeruͤhrt, angelacht von tauſendfaͤltiger Liebe
wickelt die Seele ſich in Lieder von allen Farben
und jubelt himmelan, daß das traͤge alltaͤgliche
Leben ſie lange nicht wieder findet.

Wie ein goldner Funke ein Feuerwerk anzuͤndet,
daß ſich alle Raͤder gluͤhend drehn, und alle Sterne
in ihren Kreiſen funkeln, die Flamme freiwillig die
verſchlungenen Linien durchlaͤuft, und alles in bunt-
flammende Bewegung treibt, daß das trunkene
Auge ſtaunend ſich ergoͤtzt, und den Strudel der
wechſelnden farbigen Flammen mit Entzuͤcken be-
trachtet: ſo iſt es mit den wankenden, glaͤnzenden
Bildern, die die Freude uns vorfuͤhrt. Ach! was
war es, wenn es voruͤber iſt? Oder wenn Du es
mit kunſtrichterlichem Auge ſiehſt? Laß dem magi-
ſchen Feuer ſeinen Lauf, die wunderliche Stickerei
nimmt ſich nur auf einem dunkeln Nachtgrunde
aus, beim hellen Tageslicht wuͤrde ſie nuͤchtern und
verlegen mit allen ihren Farben kokettiren.

Wißt Ihr denn, was Ihr wollt, die Ihr in
allen Dingen den Zuſammenhang ſucht? Wenn der
goldne Wein im Glaſe blinkt, und der gute Geiſt
von dort in Euch hineinſteigt, wenn Ihr Leben und
Seele in doppelter Wirkung empfindet, und alle
Schleuſen Eures Weſens geoͤffnet ſind, durch die
das zuruͤckgehaltene Entzuͤcken maͤchtiglich hinbrauſt,
wenn dann die lezten Tiefen, in die noch kein Ton
drang, wiederklingen, wenn alles ſich in Eine Me-
lodie geſellt, und in der Luft verwandte Geiſter
unſichtbare Taͤnze feiern, — was denkt Ihr da,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <p><pb facs="#f0309" n="300"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/>
die &#x017F;tets erneut und verju&#x0364;ngt in ihm auf&#x017F;teigen.<lb/>
Angeru&#x0364;hrt, angelacht von tau&#x017F;endfa&#x0364;ltiger Liebe<lb/>
wickelt die Seele &#x017F;ich in Lieder von allen Farben<lb/>
und jubelt himmelan, daß das tra&#x0364;ge allta&#x0364;gliche<lb/>
Leben &#x017F;ie lange nicht wieder findet.</p><lb/>
                  <p>Wie ein goldner Funke ein Feuerwerk anzu&#x0364;ndet,<lb/>
daß &#x017F;ich alle Ra&#x0364;der glu&#x0364;hend drehn, und alle Sterne<lb/>
in ihren Krei&#x017F;en funkeln, die Flamme freiwillig die<lb/>
ver&#x017F;chlungenen Linien durchla&#x0364;uft, und alles in bunt-<lb/>
flammende Bewegung treibt, daß das trunkene<lb/>
Auge &#x017F;taunend &#x017F;ich ergo&#x0364;tzt, und den Strudel der<lb/>
wech&#x017F;elnden farbigen Flammen mit Entzu&#x0364;cken be-<lb/>
trachtet: &#x017F;o i&#x017F;t es mit den wankenden, gla&#x0364;nzenden<lb/>
Bildern, die die Freude uns vorfu&#x0364;hrt. Ach! was<lb/>
war es, wenn es voru&#x0364;ber i&#x017F;t? Oder wenn Du es<lb/>
mit kun&#x017F;trichterlichem Auge &#x017F;ieh&#x017F;t? Laß dem magi-<lb/>
&#x017F;chen Feuer &#x017F;einen Lauf, die wunderliche Stickerei<lb/>
nimmt &#x017F;ich nur auf einem dunkeln Nachtgrunde<lb/>
aus, beim hellen Tageslicht wu&#x0364;rde &#x017F;ie nu&#x0364;chtern und<lb/>
verlegen mit allen ihren Farben kokettiren.</p><lb/>
                  <p>Wißt Ihr denn, was Ihr wollt, die Ihr in<lb/>
allen Dingen den Zu&#x017F;ammenhang &#x017F;ucht? Wenn der<lb/>
goldne Wein im Gla&#x017F;e blinkt, und der gute Gei&#x017F;t<lb/>
von dort in Euch hinein&#x017F;teigt, wenn Ihr Leben und<lb/>
Seele in doppelter Wirkung empfindet, und alle<lb/>
Schleu&#x017F;en Eures We&#x017F;ens geo&#x0364;ffnet &#x017F;ind, durch die<lb/>
das zuru&#x0364;ckgehaltene Entzu&#x0364;cken ma&#x0364;chtiglich hinbrau&#x017F;t,<lb/>
wenn dann die lezten Tiefen, in die noch kein Ton<lb/>
drang, wiederklingen, wenn alles &#x017F;ich in Eine Me-<lb/>
lodie ge&#x017F;ellt, und in der Luft verwandte Gei&#x017F;ter<lb/>
un&#x017F;ichtbare Ta&#x0364;nze feiern, &#x2014; was denkt Ihr da,<lb/></p>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[300/0309] Zweite Abtheilung. die ſtets erneut und verjuͤngt in ihm aufſteigen. Angeruͤhrt, angelacht von tauſendfaͤltiger Liebe wickelt die Seele ſich in Lieder von allen Farben und jubelt himmelan, daß das traͤge alltaͤgliche Leben ſie lange nicht wieder findet. Wie ein goldner Funke ein Feuerwerk anzuͤndet, daß ſich alle Raͤder gluͤhend drehn, und alle Sterne in ihren Kreiſen funkeln, die Flamme freiwillig die verſchlungenen Linien durchlaͤuft, und alles in bunt- flammende Bewegung treibt, daß das trunkene Auge ſtaunend ſich ergoͤtzt, und den Strudel der wechſelnden farbigen Flammen mit Entzuͤcken be- trachtet: ſo iſt es mit den wankenden, glaͤnzenden Bildern, die die Freude uns vorfuͤhrt. Ach! was war es, wenn es voruͤber iſt? Oder wenn Du es mit kunſtrichterlichem Auge ſiehſt? Laß dem magi- ſchen Feuer ſeinen Lauf, die wunderliche Stickerei nimmt ſich nur auf einem dunkeln Nachtgrunde aus, beim hellen Tageslicht wuͤrde ſie nuͤchtern und verlegen mit allen ihren Farben kokettiren. Wißt Ihr denn, was Ihr wollt, die Ihr in allen Dingen den Zuſammenhang ſucht? Wenn der goldne Wein im Glaſe blinkt, und der gute Geiſt von dort in Euch hineinſteigt, wenn Ihr Leben und Seele in doppelter Wirkung empfindet, und alle Schleuſen Eures Weſens geoͤffnet ſind, durch die das zuruͤckgehaltene Entzuͤcken maͤchtiglich hinbrauſt, wenn dann die lezten Tiefen, in die noch kein Ton drang, wiederklingen, wenn alles ſich in Eine Me- lodie geſellt, und in der Luft verwandte Geiſter unſichtbare Taͤnze feiern, — was denkt Ihr da,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/309
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 2. Berlin, 1812, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus02_1812/309>, abgerufen am 26.04.2024.