Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite


Der 17te April.
Erheb, o Sonne! seine Macht,
O Mond! erhebe Gott!
Jhr helle Leuchten in der Nacht,
Jhr Sterne! preiset Gott!


Nur einiges Nachdenken, so setzet der nächtliche Himmel in Er-
staunen. Mein blosses Auge entdecket zwar nur sieben bis
achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernröhren, erblickt es
eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee-
gestöber. Jch sehe sie, und falle nieder; ich sehe jetzt auf
einige Wunder an den Weltkörpern, und bete an.

So unordentlich das Gestirn unter einander geworfen zu seyn
scheint, so ist doch die allergenaueste Ordnung von dem göttlichen
Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat seine
angewiesene Laufbahn. Könte ein einziger aus seinem Geleise
treten, so würde durch ihn ein Theil der Schöpfung, wo nicht
das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abstand des Einen
von dem andern ist so geordnet, daß keinem darunter Nachtheil
zuwachsen kan. Wäre unsre Erde der Sonne um ein merkliches
häher, so würde uns die Hitze verderben, so wie bei einer wei-
tern Entfernung uns die Kälte aufreiben würde. Und wäre die
Erde von dem Monde noch einige mal so weit entfernt, wie dun-
kel würde alsdann sein Licht für uns seyn! wie schwach Ebbe und
Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond sei-
nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender
Betrachtung des gestirnten Himmels lernet der niedrige Mensch
groß, der stolze aber klein von sich denken. Jeder Kronprinz solte
erst seine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge-
nung studitet hätte.

Gott!


Der 17te April.
Erheb, o Sonne! ſeine Macht,
O Mond! erhebe Gott!
Jhr helle Leuchten in der Nacht,
Jhr Sterne! preiſet Gott!


Nur einiges Nachdenken, ſo ſetzet der naͤchtliche Himmel in Er-
ſtaunen. Mein bloſſes Auge entdecket zwar nur ſieben bis
achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernroͤhren, erblickt es
eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee-
geſtoͤber. Jch ſehe ſie, und falle nieder; ich ſehe jetzt auf
einige Wunder an den Weltkoͤrpern, und bete an.

So unordentlich das Geſtirn unter einander geworfen zu ſeyn
ſcheint, ſo iſt doch die allergenaueſte Ordnung von dem goͤttlichen
Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat ſeine
angewieſene Laufbahn. Koͤnte ein einziger aus ſeinem Geleiſe
treten, ſo wuͤrde durch ihn ein Theil der Schoͤpfung, wo nicht
das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abſtand des Einen
von dem andern iſt ſo geordnet, daß keinem darunter Nachtheil
zuwachſen kan. Waͤre unſre Erde der Sonne um ein merkliches
haͤher, ſo wuͤrde uns die Hitze verderben, ſo wie bei einer wei-
tern Entfernung uns die Kaͤlte aufreiben wuͤrde. Und waͤre die
Erde von dem Monde noch einige mal ſo weit entfernt, wie dun-
kel wuͤrde alsdann ſein Licht fuͤr uns ſeyn! wie ſchwach Ebbe und
Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond ſei-
nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender
Betrachtung des geſtirnten Himmels lernet der niedrige Menſch
groß, der ſtolze aber klein von ſich denken. Jeder Kronprinz ſolte
erſt ſeine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge-
nung ſtuditet haͤtte.

Gott!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0260" n="223[253]"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der 17<hi rendition="#sup">te</hi> April.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>rheb, o Sonne! &#x017F;eine Macht,</l><lb/>
              <l>O Mond! erhebe Gott!</l><lb/>
              <l>Jhr helle Leuchten in der Nacht,</l><lb/>
              <l>Jhr Sterne! prei&#x017F;et Gott!</l>
            </lg><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p><hi rendition="#in">N</hi>ur einiges Nachdenken, &#x017F;o &#x017F;etzet der na&#x0364;chtliche Himmel in Er-<lb/>
&#x017F;taunen. Mein blo&#x017F;&#x017F;es Auge entdecket zwar nur &#x017F;ieben bis<lb/>
achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernro&#x0364;hren, erblickt es<lb/>
eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee-<lb/>
ge&#x017F;to&#x0364;ber. Jch &#x017F;ehe &#x017F;ie, und falle nieder; ich &#x017F;ehe jetzt auf<lb/><hi rendition="#fr">einige Wunder an den Weltko&#x0364;rpern,</hi> und bete an.</p><lb/>
            <p>So unordentlich das Ge&#x017F;tirn unter einander geworfen zu &#x017F;eyn<lb/>
&#x017F;cheint, &#x017F;o i&#x017F;t doch die allergenaue&#x017F;te Ordnung von dem go&#x0364;ttlichen<lb/>
Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat &#x017F;eine<lb/>
angewie&#x017F;ene Laufbahn. Ko&#x0364;nte ein einziger aus &#x017F;einem Gelei&#x017F;e<lb/>
treten, &#x017F;o wu&#x0364;rde durch ihn ein Theil der Scho&#x0364;pfung, wo nicht<lb/>
das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Ab&#x017F;tand des Einen<lb/>
von dem andern i&#x017F;t &#x017F;o geordnet, daß keinem darunter Nachtheil<lb/>
zuwach&#x017F;en kan. Wa&#x0364;re un&#x017F;re Erde der Sonne um ein merkliches<lb/>
ha&#x0364;her, &#x017F;o wu&#x0364;rde uns die Hitze verderben, &#x017F;o wie bei einer wei-<lb/>
tern Entfernung uns die Ka&#x0364;lte aufreiben wu&#x0364;rde. Und wa&#x0364;re die<lb/>
Erde von dem Monde noch einige mal &#x017F;o weit entfernt, wie dun-<lb/>
kel wu&#x0364;rde alsdann &#x017F;ein Licht fu&#x0364;r uns &#x017F;eyn! wie &#x017F;chwach Ebbe und<lb/>
Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond &#x017F;ei-<lb/>
nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender<lb/>
Betrachtung des ge&#x017F;tirnten Himmels lernet der niedrige Men&#x017F;ch<lb/>
groß, der &#x017F;tolze aber klein von &#x017F;ich denken. Jeder Kronprinz &#x017F;olte<lb/>
er&#x017F;t &#x017F;eine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge-<lb/>
nung &#x017F;tuditet ha&#x0364;tte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Gott!</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223[253]/0260] Der 17te April. Erheb, o Sonne! ſeine Macht, O Mond! erhebe Gott! Jhr helle Leuchten in der Nacht, Jhr Sterne! preiſet Gott! Nur einiges Nachdenken, ſo ſetzet der naͤchtliche Himmel in Er- ſtaunen. Mein bloſſes Auge entdecket zwar nur ſieben bis achthundert Sterne: aber bewafnet mit Fernroͤhren, erblickt es eine wimmolnde Menge, gleich den Flocken bei dichtem Schnee- geſtoͤber. Jch ſehe ſie, und falle nieder; ich ſehe jetzt auf einige Wunder an den Weltkoͤrpern, und bete an. So unordentlich das Geſtirn unter einander geworfen zu ſeyn ſcheint, ſo iſt doch die allergenaueſte Ordnung von dem goͤttlichen Bauherrn dabei beobachtet worden. Ein jeder Planet hat ſeine angewieſene Laufbahn. Koͤnte ein einziger aus ſeinem Geleiſe treten, ſo wuͤrde durch ihn ein Theil der Schoͤpfung, wo nicht das Ganze, in Verfall gerathen. Aber der Abſtand des Einen von dem andern iſt ſo geordnet, daß keinem darunter Nachtheil zuwachſen kan. Waͤre unſre Erde der Sonne um ein merkliches haͤher, ſo wuͤrde uns die Hitze verderben, ſo wie bei einer wei- tern Entfernung uns die Kaͤlte aufreiben wuͤrde. Und waͤre die Erde von dem Monde noch einige mal ſo weit entfernt, wie dun- kel wuͤrde alsdann ſein Licht fuͤr uns ſeyn! wie ſchwach Ebbe und Flut! wie langweiliger jeder Monat, ehe nemlich der Mond ſei- nen Lauf um uns alsdann vollendete! Kurz: bei nachdenkender Betrachtung des geſtirnten Himmels lernet der niedrige Menſch groß, der ſtolze aber klein von ſich denken. Jeder Kronprinz ſolte erſt ſeine Staaten kennen lernen, wenn er die Reiche Gottes ge- nung ſtuditet haͤtte. Gott!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/260
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 223[253]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/260>, abgerufen am 08.05.2024.