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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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heit darstellen, deren Subject alle ihre Zustände und Ver-
änderungen nach innen und nach aussen durch Gedächtniss
und Gewissen auf sich bezieht und mit sich verbunden em-
pfindet.

Als die Sphäre einer menschlichen Willkür ver-
stehe ich: Alles, was Einer ist und was Einer hat, insofern
als er dessen Zustände und Veränderungen als durch sein
Denken bestimmt und davon abhängig begreift und in seiner
Bewusstheit hat.

Die Sphäre des Wesenwillens -- oder wie man schlecht-
hin sagen mag: die Willenssphäre -- ist gleich der Materie
des Wesenwillens, insofern als dieselbe auf äussere Wesen
und Sachen ausgedehnt gedacht wird. Wenn der allgemeine
Begriff durch Freiheit, so kann dieser besondere durch
Eigenthum definirt werden. Ebenso verhalten sich Will-
kürsphäre und Stoff der Willkür. Das wirkliche Eigen-
thum, insofern es der Willenssphäre entspricht, nenne ich
Besitz, insofern der Willkürsphäre, Vermögen. Also
wie Besitz zu den Formen des Wesenwillens, so verhält sich
Vermögen zu den Formen der Willkür. Aeussere Gegen-
stände werden hier betrachtet nur insofern als der Wille
eines Subjectes darin enthalten ist, sich darauf bezieht und
damit verbunden ist. Und: wie die Formen des Willens
überhaupt determinirte Kräfte und Möglichkeiten des Thuns,
so sind Besitz und Vermögen determinirte Kräfte und Mög-
lichkeiten des Genusses oder Gebrauches von Sachen.

Zur Erkenntniss dieses Gegensatzes dient wiederum
die doppelte Kategorie des Organes und des Werkzeuges.
Besitz kann als organisches und inneres, Vermögen als
äusseres und mechanisches Eigenthum begriffen werden.
Rein psychologisch angesehen ist jener eine Erweiterung des
eigenen realen Wesens, daher nothwendiger Weise selber
eine Realität und am vollkommensten, wenn ein individuell
Lebendiges oder aus solchem bestehend. Dagegen der psy-
chologische Werth des Vermögens: Erweiterung und Ver-
mehrung von Objecten seines Denkens als von den ihm zu-
stehenden Möglichkeiten der Action; an und für sich
durchaus ideeller Natur, wird es am besten auf einen realen
Ausdruck gebracht durch Sachen, welche blos die subjective

heit darstellen, deren Subject alle ihre Zustände und Ver-
änderungen nach innen und nach aussen durch Gedächtniss
und Gewissen auf sich bezieht und mit sich verbunden em-
pfindet.

Als die Sphäre einer menschlichen Willkür ver-
stehe ich: Alles, was Einer ist und was Einer hat, insofern
als er dessen Zustände und Veränderungen als durch sein
Denken bestimmt und davon abhängig begreift und in seiner
Bewusstheit hat.

Die Sphäre des Wesenwillens — oder wie man schlecht-
hin sagen mag: die Willenssphäre — ist gleich der Materie
des Wesenwillens, insofern als dieselbe auf äussere Wesen
und Sachen ausgedehnt gedacht wird. Wenn der allgemeine
Begriff durch Freiheit, so kann dieser besondere durch
Eigenthum definirt werden. Ebenso verhalten sich Will-
kürsphäre und Stoff der Willkür. Das wirkliche Eigen-
thum, insofern es der Willenssphäre entspricht, nenne ich
Besitz, insofern der Willkürsphäre, Vermögen. Also
wie Besitz zu den Formen des Wesenwillens, so verhält sich
Vermögen zu den Formen der Willkür. Aeussere Gegen-
stände werden hier betrachtet nur insofern als der Wille
eines Subjectes darin enthalten ist, sich darauf bezieht und
damit verbunden ist. Und: wie die Formen des Willens
überhaupt determinirte Kräfte und Möglichkeiten des Thuns,
so sind Besitz und Vermögen determinirte Kräfte und Mög-
lichkeiten des Genusses oder Gebrauches von Sachen.

Zur Erkenntniss dieses Gegensatzes dient wiederum
die doppelte Kategorie des Organes und des Werkzeuges.
Besitz kann als organisches und inneres, Vermögen als
äusseres und mechanisches Eigenthum begriffen werden.
Rein psychologisch angesehen ist jener eine Erweiterung des
eigenen realen Wesens, daher nothwendiger Weise selber
eine Realität und am vollkommensten, wenn ein individuell
Lebendiges oder aus solchem bestehend. Dagegen der psy-
chologische Werth des Vermögens: Erweiterung und Ver-
mehrung von Objecten seines Denkens als von den ihm zu-
stehenden Möglichkeiten der Action; an und für sich
durchaus ideeller Natur, wird es am besten auf einen realen
Ausdruck gebracht durch Sachen, welche blos die subjective

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[208/0244] heit darstellen, deren Subject alle ihre Zustände und Ver- änderungen nach innen und nach aussen durch Gedächtniss und Gewissen auf sich bezieht und mit sich verbunden em- pfindet. Als die Sphäre einer menschlichen Willkür ver- stehe ich: Alles, was Einer ist und was Einer hat, insofern als er dessen Zustände und Veränderungen als durch sein Denken bestimmt und davon abhängig begreift und in seiner Bewusstheit hat. Die Sphäre des Wesenwillens — oder wie man schlecht- hin sagen mag: die Willenssphäre — ist gleich der Materie des Wesenwillens, insofern als dieselbe auf äussere Wesen und Sachen ausgedehnt gedacht wird. Wenn der allgemeine Begriff durch Freiheit, so kann dieser besondere durch Eigenthum definirt werden. Ebenso verhalten sich Will- kürsphäre und Stoff der Willkür. Das wirkliche Eigen- thum, insofern es der Willenssphäre entspricht, nenne ich Besitz, insofern der Willkürsphäre, Vermögen. Also wie Besitz zu den Formen des Wesenwillens, so verhält sich Vermögen zu den Formen der Willkür. Aeussere Gegen- stände werden hier betrachtet nur insofern als der Wille eines Subjectes darin enthalten ist, sich darauf bezieht und damit verbunden ist. Und: wie die Formen des Willens überhaupt determinirte Kräfte und Möglichkeiten des Thuns, so sind Besitz und Vermögen determinirte Kräfte und Mög- lichkeiten des Genusses oder Gebrauches von Sachen. Zur Erkenntniss dieses Gegensatzes dient wiederum die doppelte Kategorie des Organes und des Werkzeuges. Besitz kann als organisches und inneres, Vermögen als äusseres und mechanisches Eigenthum begriffen werden. Rein psychologisch angesehen ist jener eine Erweiterung des eigenen realen Wesens, daher nothwendiger Weise selber eine Realität und am vollkommensten, wenn ein individuell Lebendiges oder aus solchem bestehend. Dagegen der psy- chologische Werth des Vermögens: Erweiterung und Ver- mehrung von Objecten seines Denkens als von den ihm zu- stehenden Möglichkeiten der Action; an und für sich durchaus ideeller Natur, wird es am besten auf einen realen Ausdruck gebracht durch Sachen, welche blos die subjective

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/244>, abgerufen am 26.04.2024.