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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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und Obligationen, so wird geantwortet. Denn dem civilen
Rechte werden nur einige Vermehrungen und Veränderun-
gen dieser Institute zugeschrieben. Es ist deutlich, dass
hier eine ganz verschiedene Ansicht des Allgemeinen vor-
liegt, aus welcher auch ganz verschiedene Folgerungen sich
ergeben. Gewisse Arten der Verbundenheit und Zusammen-
gehörigkeit sind schon in der animalischen Idee des Men-
schen enthalten. Dieselben werden nicht durch irgend einen
Willen, geschweige durch irgend einen menschlichen Willen
geschlossen; es folgt auch nicht daraus, dass sie bei den
Thieren vorhanden sind, dass ein Mensch mit einem Thiere
sie eingehen könne oder können müsse; mithin folgt ebenso
wenig, weil sie allen Menschen gemein sind, dass jeder
Mensch mit jedem Menschen, wenn er nur wolle, dergleichen
Verbindungen machen könne. Ebenso folgt so etwas
nicht in Bezug auf die Institutionen, welche specifisch
menschlich sind. Vielmehr: wie sich die Idee des Menschen
zu der des Thieres oder einer engeren animalischen Gat-
tung verhält, also verhält sich die Idee, sage des Hellenen,
zur Idee des Menschen. Wie sich, obgleich Paarung auch
Sitte der Thiere ist, nur Mensch mit Menschen paart, so
mag auch, so allgemein die Ehe unter den Menschen ist,
der Hellene nur mit der Hellenin in gültigem Bunde
leben; ob zwar mit irgendwelchem Menschenweibe seine
Begattung vorkommen mag, ja als physiologischer Act sogar
(turpe dictu) mit Thieren möglich ist.

§ 18.

So hat die Allgemeinheit der Ehe unter Men-
schen
den zwiefachen Sinn: einmal diesen, dass solches
gemeinschaftliche Zusammenleben zwischen männlichen und
weiblichen Menschen überhaupt stattfinden kann; den an-
deren aber, dass jedes Volk oder sogar jede Stadt jene all-
gemeine Idee auf eine eigenthümliche Weise ausprägt und
an bestimmte Bedingungen die Möglichkeit der nach ihrem
Willen und Recht gültigen Ehe anknüpft. Mithin, wie jeder
Mensch, als Mensch, prädestinirt ist zu einem bestimmten
Rechte, also der Römer als Römer zu einem bestimmteren.
Hierin ist kein Grund entdeckbar, warum das Allgemeine

und Obligationen, so wird geantwortet. Denn dem civilen
Rechte werden nur einige Vermehrungen und Veränderun-
gen dieser Institute zugeschrieben. Es ist deutlich, dass
hier eine ganz verschiedene Ansicht des Allgemeinen vor-
liegt, aus welcher auch ganz verschiedene Folgerungen sich
ergeben. Gewisse Arten der Verbundenheit und Zusammen-
gehörigkeit sind schon in der animalischen Idee des Men-
schen enthalten. Dieselben werden nicht durch irgend einen
Willen, geschweige durch irgend einen menschlichen Willen
geschlossen; es folgt auch nicht daraus, dass sie bei den
Thieren vorhanden sind, dass ein Mensch mit einem Thiere
sie eingehen könne oder können müsse; mithin folgt ebenso
wenig, weil sie allen Menschen gemein sind, dass jeder
Mensch mit jedem Menschen, wenn er nur wolle, dergleichen
Verbindungen machen könne. Ebenso folgt so etwas
nicht in Bezug auf die Institutionen, welche specifisch
menschlich sind. Vielmehr: wie sich die Idee des Menschen
zu der des Thieres oder einer engeren animalischen Gat-
tung verhält, also verhält sich die Idee, sage des Hellenen,
zur Idee des Menschen. Wie sich, obgleich Paarung auch
Sitte der Thiere ist, nur Mensch mit Menschen paart, so
mag auch, so allgemein die Ehe unter den Menschen ist,
der Hellene nur mit der Hellenin in gültigem Bunde
leben; ob zwar mit irgendwelchem Menschenweibe seine
Begattung vorkommen mag, ja als physiologischer Act sogar
(turpe dictu) mit Thieren möglich ist.

§ 18.

So hat die Allgemeinheit der Ehe unter Men-
schen
den zwiefachen Sinn: einmal diesen, dass solches
gemeinschaftliche Zusammenleben zwischen männlichen und
weiblichen Menschen überhaupt stattfinden kann; den an-
deren aber, dass jedes Volk oder sogar jede Stadt jene all-
gemeine Idee auf eine eigenthümliche Weise ausprägt und
an bestimmte Bedingungen die Möglichkeit der nach ihrem
Willen und Recht gültigen Ehe anknüpft. Mithin, wie jeder
Mensch, als Mensch, prädestinirt ist zu einem bestimmten
Rechte, also der Römer als Römer zu einem bestimmteren.
Hierin ist kein Grund entdeckbar, warum das Allgemeine

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[240/0276] und Obligationen, so wird geantwortet. Denn dem civilen Rechte werden nur einige Vermehrungen und Veränderun- gen dieser Institute zugeschrieben. Es ist deutlich, dass hier eine ganz verschiedene Ansicht des Allgemeinen vor- liegt, aus welcher auch ganz verschiedene Folgerungen sich ergeben. Gewisse Arten der Verbundenheit und Zusammen- gehörigkeit sind schon in der animalischen Idee des Men- schen enthalten. Dieselben werden nicht durch irgend einen Willen, geschweige durch irgend einen menschlichen Willen geschlossen; es folgt auch nicht daraus, dass sie bei den Thieren vorhanden sind, dass ein Mensch mit einem Thiere sie eingehen könne oder können müsse; mithin folgt ebenso wenig, weil sie allen Menschen gemein sind, dass jeder Mensch mit jedem Menschen, wenn er nur wolle, dergleichen Verbindungen machen könne. Ebenso folgt so etwas nicht in Bezug auf die Institutionen, welche specifisch menschlich sind. Vielmehr: wie sich die Idee des Menschen zu der des Thieres oder einer engeren animalischen Gat- tung verhält, also verhält sich die Idee, sage des Hellenen, zur Idee des Menschen. Wie sich, obgleich Paarung auch Sitte der Thiere ist, nur Mensch mit Menschen paart, so mag auch, so allgemein die Ehe unter den Menschen ist, der Hellene nur mit der Hellenin in gültigem Bunde leben; ob zwar mit irgendwelchem Menschenweibe seine Begattung vorkommen mag, ja als physiologischer Act sogar (turpe dictu) mit Thieren möglich ist. § 18. So hat die Allgemeinheit der Ehe unter Men- schen den zwiefachen Sinn: einmal diesen, dass solches gemeinschaftliche Zusammenleben zwischen männlichen und weiblichen Menschen überhaupt stattfinden kann; den an- deren aber, dass jedes Volk oder sogar jede Stadt jene all- gemeine Idee auf eine eigenthümliche Weise ausprägt und an bestimmte Bedingungen die Möglichkeit der nach ihrem Willen und Recht gültigen Ehe anknüpft. Mithin, wie jeder Mensch, als Mensch, prädestinirt ist zu einem bestimmten Rechte, also der Römer als Römer zu einem bestimmteren. Hierin ist kein Grund entdeckbar, warum das Allgemeine

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/276>, abgerufen am 26.04.2024.