Alles naturgemässe Wachsthum, folglich alle gesunde Lebensthätigkeit überhaupt, beruhet da- her auf dem Gleichgewichte antagonistischer Reitze, welche bey ihrer Einwirkung auf den lebenden Organismus die Receptivität in Bezie- hung auf sich selber vermindern, aber wechsel- seitig für einander erhöhen. Alle Stöhrung die- ses Gleichgewichts nähert den Organismus der niedrigsten Stufe des Lebens. Diese Stöhrung kann aber auf eine doppelte Art geschehen: ent- weder dadurch, dass der eine von zwey anta- gonistischen Reitzen vermehrt wird, indem der andere unverändert bleibt; oder durch Vermin- derung des einen bey unverändertem Einflusse des andern. Der Erfolg dieser Stöhrung ist in beyden Fällen Näherung zur niedrigsten Stufe des Lebens. Aber die Phänomene dieser Nähe- rung sind in beyden Fällen verschieden. So stirbt die Pflanze eines andern Todes bey entzo- genem Lichte und unveränderter Wärme, als bey unverändertem Lichte und vermehrter Wärme.
Nicht jede Stöhrung jenes Gleichgewichts zieht aber sogleich Krankheit nach sich. Es giebt gewisse Gränzen, innerhalb welcher der eine von zwey antagonistischen Reitzen das Ue- bergewicht über den andern haben kann, ohne dass der Zustand der Gesundheit dadurch aufge-
hoben
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§. 7.
Alles naturgemäſse Wachsthum, folglich alle gesunde Lebensthätigkeit überhaupt, beruhet da- her auf dem Gleichgewichte antagonistischer Reitze, welche bey ihrer Einwirkung auf den lebenden Organismus die Receptivität in Bezie- hung auf sich selber vermindern, aber wechsel- seitig für einander erhöhen. Alle Stöhrung die- ses Gleichgewichts nähert den Organismus der niedrigsten Stufe des Lebens. Diese Stöhrung kann aber auf eine doppelte Art geschehen: ent- weder dadurch, daſs der eine von zwey anta- gonistischen Reitzen vermehrt wird, indem der andere unverändert bleibt; oder durch Vermin- derung des einen bey unverändertem Einflusse des andern. Der Erfolg dieser Stöhrung ist in beyden Fällen Näherung zur niedrigsten Stufe des Lebens. Aber die Phänomene dieser Nähe- rung sind in beyden Fällen verschieden. So stirbt die Pflanze eines andern Todes bey entzo- genem Lichte und unveränderter Wärme, als bey unverändertem Lichte und vermehrter Wärme.
Nicht jede Stöhrung jenes Gleichgewichts zieht aber sogleich Krankheit nach sich. Es giebt gewisse Gränzen, innerhalb welcher der eine von zwey antagonistischen Reitzen das Ue- bergewicht über den andern haben kann, ohne daſs der Zustand der Gesundheit dadurch aufge-
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§. 7.
Alles naturgemäſse Wachsthum, folglich alle
gesunde Lebensthätigkeit überhaupt, beruhet da-
her auf dem Gleichgewichte antagonistischer
Reitze, welche bey ihrer Einwirkung auf den
lebenden Organismus die Receptivität in Bezie-
hung auf sich selber vermindern, aber wechsel-
seitig für einander erhöhen. Alle Stöhrung die-
ses Gleichgewichts nähert den Organismus der
niedrigsten Stufe des Lebens. Diese Stöhrung
kann aber auf eine doppelte Art geschehen: ent-
weder dadurch, daſs der eine von zwey anta-
gonistischen Reitzen vermehrt wird, indem der
andere unverändert bleibt; oder durch Vermin-
derung des einen bey unverändertem Einflusse
des andern. Der Erfolg dieser Stöhrung ist in
beyden Fällen Näherung zur niedrigsten Stufe
des Lebens. Aber die Phänomene dieser Nähe-
rung sind in beyden Fällen verschieden. So
stirbt die Pflanze eines andern Todes bey entzo-
genem Lichte und unveränderter Wärme, als bey
unverändertem Lichte und vermehrter Wärme.
Nicht jede Stöhrung jenes Gleichgewichts
zieht aber sogleich Krankheit nach sich. Es
giebt gewisse Gränzen, innerhalb welcher der
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bergewicht über den andern haben kann, ohne
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Treviranus, Gottfried Reinhold: Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte. Bd. 3. Göttingen, 1805, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treviranus_biologie03_1805/599>, abgerufen am 26.04.2024.
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