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Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

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von den Generibus der Verse.
Naemi weint in dir, und ist zur Mara worden,
Die sonst mit ihrem Muth Amazonen gegleicht;
Es ist dieselbige nunmehr im Witwen-Orden,
Und fühlt den herben Schmertz, der Seel' und Leib durchstreicht.
Derjenige liegt tod, der Sie, den Sie geliebet,
Und nimmt ihr halbes Hertz mit sich ins finstre Grab;
Mit Willen hat sie ihn kein eintzig mahl betrübet;
Jm krancken Alter war Sie sein getreuer Stab.
Der Höchste stärcke Sie ln ihrem Witwen-Stande;
Es zeig' ihr tapfres Hertz noch ferner seine Krafft;
Der Muth, den sie besitzt, dient ihr zum Unterpfande,
GOtt hab' ihr vor das Creutz ein Mittel angeschafft.
Mein Vater ist erblaßt! So hör' ich andre klagen:
Hier sitzt ein Frauen, Bild, und zeiget ihren Schmertz;
Dort müssen Höchstbetrübt drey Herren Söhne sagen:
Es greifst des Vaters Tod empfindlichst an das Hertz.
Hochwertheste, Sie thun, was ihre Treu befiehlet,
Und wer ihr Hertze kenn't, der billigt ihre That:
GOtt aber, welcher sonst betrübte Seelen kühlet,
Sey auch in dieser Angst ihr allerbester Rath.
Der Höchste schaffe nur, daß die Frau Mutter lebe,
Und immerfort gesund, beglückt, vergnüget sey.
Ach! daß der Himmel doch dem Wunsch' Erhörung gebe,
So wird der Grafen Glück von Tag zu Tage neu.
Jch solt' und wolte nun auch an die Armen dencken,
Die deines Hauptes Tod in grosse Klagen setzt:
Der Höchste ließ sie ja durch diesen Mann beschencken;
Viel hundert Armen hat er durch sein Geld ergetzt.
Allein diß würde sich zu dieser Schrifft nicht schicken:
Jch habe nur mit dir, Hochwerthes Haus, zu thun;
Ein and'rer mag den Punct in seine Verse rücken:
Jch aber lasse nun die Feder wieder ruhn.
Bleib mir indessen hold; Befördre mein Gelücke,
Und nimm davor zum Danck mein' unverfälschte Treu,
Jngleichen mein Gebet, so ich zum Himmel schicke,
Und glaube, daß ich stets mit Lust dein Diener sey.
Jch
F
von den Generibus der Verſe.
Naemi weint in dir, und iſt zur Mara worden,
Die ſonſt mit ihrem Muth Amazonen gegleicht;
Es iſt dieſelbige nunmehr im Witwen-Orden,
Und fuͤhlt den herben Schmertz, der Seel’ und Leib durchſtreicht.
Derjenige liegt tod, der Sie, den Sie geliebet,
Und nimmt ihr halbes Hertz mit ſich ins finſtre Grab;
Mit Willen hat ſie ihn kein eintzig mahl betruͤbet;
Jm krancken Alter war Sie ſein getreuer Stab.
Der Hoͤchſte ſtaͤrcke Sie ln ihrem Witwen-Stande;
Es zeig’ ihr tapfres Hertz noch ferner ſeine Krafft;
Der Muth, den ſie beſitzt, dient ihr zum Unterpfande,
GOtt hab’ ihr vor das Creutz ein Mittel angeſchafft.
Mein Vater iſt erblaßt! So hoͤr’ ich andre klagen:
Hier ſitzt ein Frauen, Bild, und zeiget ihren Schmertz;
Dort muͤſſen Hoͤchſtbetruͤbt drey Herren Soͤhne ſagen:
Es greifſt des Vaters Tod empfindlichſt an das Hertz.
Hochwertheſte, Sie thun, was ihre Treu befiehlet,
Und wer ihr Hertze kenn’t, der billigt ihre That:
GOtt aber, welcher ſonſt betruͤbte Seelen kuͤhlet,
Sey auch in dieſer Angſt ihr allerbeſter Rath.
Der Hoͤchſte ſchaffe nur, daß die Frau Mutter lebe,
Und immerfort geſund, begluͤckt, vergnuͤget ſey.
Ach! daß der Himmel doch dem Wunſch’ Erhörung gebe,
So wird der Grafen Gluͤck von Tag zu Tage neu.
Jch ſolt’ und wolte nun auch an die Armen dencken,
Die deines Hauptes Tod in groſſe Klagen ſetzt:
Der Hoͤchſte ließ ſie ja durch dieſen Mann beſchencken;
Viel hundert Armen hat er durch ſein Geld ergetzt.
Allein diß wuͤrde ſich zu dieſer Schrifft nicht ſchicken:
Jch habe nur mit dir, Hochwerthes Haus, zu thun;
Ein and’rer mag den Punct in ſeine Verſe ruͤcken:
Jch aber laſſe nun die Feder wieder ruhn.
Bleib mir indeſſen hold; Befoͤrdre mein Geluͤcke,
Und nimm davor zum Danck mein’ unverfälſchte Treu,
Jngleichen mein Gebet, ſo ich zum Himmel ſchicke,
Und glaube, daß ich ſtets mit Luſt dein Diener ſey.
Jch
F
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[79/0083] von den Generibus der Verſe. Naemi weint in dir, und iſt zur Mara worden, Die ſonſt mit ihrem Muth Amazonen gegleicht; Es iſt dieſelbige nunmehr im Witwen-Orden, Und fuͤhlt den herben Schmertz, der Seel’ und Leib durchſtreicht. Derjenige liegt tod, der Sie, den Sie geliebet, Und nimmt ihr halbes Hertz mit ſich ins finſtre Grab; Mit Willen hat ſie ihn kein eintzig mahl betruͤbet; Jm krancken Alter war Sie ſein getreuer Stab. Der Hoͤchſte ſtaͤrcke Sie ln ihrem Witwen-Stande; Es zeig’ ihr tapfres Hertz noch ferner ſeine Krafft; Der Muth, den ſie beſitzt, dient ihr zum Unterpfande, GOtt hab’ ihr vor das Creutz ein Mittel angeſchafft. Mein Vater iſt erblaßt! So hoͤr’ ich andre klagen: Hier ſitzt ein Frauen, Bild, und zeiget ihren Schmertz; Dort muͤſſen Hoͤchſtbetruͤbt drey Herren Soͤhne ſagen: Es greifſt des Vaters Tod empfindlichſt an das Hertz. Hochwertheſte, Sie thun, was ihre Treu befiehlet, Und wer ihr Hertze kenn’t, der billigt ihre That: GOtt aber, welcher ſonſt betruͤbte Seelen kuͤhlet, Sey auch in dieſer Angſt ihr allerbeſter Rath. Der Hoͤchſte ſchaffe nur, daß die Frau Mutter lebe, Und immerfort geſund, begluͤckt, vergnuͤget ſey. Ach! daß der Himmel doch dem Wunſch’ Erhörung gebe, So wird der Grafen Gluͤck von Tag zu Tage neu. Jch ſolt’ und wolte nun auch an die Armen dencken, Die deines Hauptes Tod in groſſe Klagen ſetzt: Der Hoͤchſte ließ ſie ja durch dieſen Mann beſchencken; Viel hundert Armen hat er durch ſein Geld ergetzt. Allein diß wuͤrde ſich zu dieſer Schrifft nicht ſchicken: Jch habe nur mit dir, Hochwerthes Haus, zu thun; Ein and’rer mag den Punct in ſeine Verſe ruͤcken: Jch aber laſſe nun die Feder wieder ruhn. Bleib mir indeſſen hold; Befoͤrdre mein Geluͤcke, Und nimm davor zum Danck mein’ unverfälſchte Treu, Jngleichen mein Gebet, ſo ich zum Himmel ſchicke, Und glaube, daß ich ſtets mit Luſt dein Diener ſey. Jch F

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Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/83>, abgerufen am 26.04.2024.