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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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der sinnlichen Lust und Unlust.
§. 249.

Die eigentlichen Erwartungen der Seele, oder die
Erkenntniß, daß eine vorhergesehene Empfindung oder Vor-
stellung eben diejenige sey, die sie zukünftig bekommen wird,
scheinen eben so, wie die Erinnerungen, (§. 238.) nicht
zu den Vorstellungsarten der Seele zu gehören, die in den
mechanischen Maschinen außerhalb dem Gehirne einige
Seelenwirkungen äußern, außer in so fern es die Empfin-
dungen oder andern Vorstellungen thun, die man erwar-
tet. Wenn ein Hungriger nur an eine Speise gedenkt, so
läuft ihm der Mund voll Wasser, und dieses geschieht in
jedem Falle, er mag nun entweder wirklich vermuthen,
daß er sie genießen werde, oder mag nur daran gedenken.
Die Ergießung der Speicheldrüsen ist die Seelenwirkung
der Vorhersehung in der Maschine des Körpers, und die
Erwartung scheint sie in nichts zu verändern. Das Er-
warten ist also eben so, wie der Witz, Scharfsinn, u. s. w.
eine solche Art der Seelenkräfte, deren Seelenwirkungen
nur im Gehirne bleiben, und materielle Jdeen der andern
Art sind, §. 119. dahingegen die äußern Empfindungen
und andern Vorstellungen, die man erwartet, in den me-
chanischen Maschinen eben dieselben Seelenwirkungen her-
vorbringen, wie andre Vorhersehungen, §. 74. ohne Be-
ziehung auf ihre Erwartung.

Wirkungen des sinnlichen Vergnügens und Misver-
gnügens durch die Nerven in die mechanischen
Maschinen.
§. 250.

Sobald eine Empfindung oder andre Vorstellung der
Seele gefällt oder misfällt, das ist, sobald sie Triebfedern
des Gemüths in sich enthält, §. 88. saget man, daß sie
das Herz rühre, daß das Herz Antheil daran nehme,
daß es nicht gleichgültig dabey bleibe.
Diese Art zu

reden
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der ſinnlichen Luſt und Unluſt.
§. 249.

Die eigentlichen Erwartungen der Seele, oder die
Erkenntniß, daß eine vorhergeſehene Empfindung oder Vor-
ſtellung eben diejenige ſey, die ſie zukuͤnftig bekommen wird,
ſcheinen eben ſo, wie die Erinnerungen, (§. 238.) nicht
zu den Vorſtellungsarten der Seele zu gehoͤren, die in den
mechaniſchen Maſchinen außerhalb dem Gehirne einige
Seelenwirkungen aͤußern, außer in ſo fern es die Empfin-
dungen oder andern Vorſtellungen thun, die man erwar-
tet. Wenn ein Hungriger nur an eine Speiſe gedenkt, ſo
laͤuft ihm der Mund voll Waſſer, und dieſes geſchieht in
jedem Falle, er mag nun entweder wirklich vermuthen,
daß er ſie genießen werde, oder mag nur daran gedenken.
Die Ergießung der Speicheldruͤſen iſt die Seelenwirkung
der Vorherſehung in der Maſchine des Koͤrpers, und die
Erwartung ſcheint ſie in nichts zu veraͤndern. Das Er-
warten iſt alſo eben ſo, wie der Witz, Scharfſinn, u. ſ. w.
eine ſolche Art der Seelenkraͤfte, deren Seelenwirkungen
nur im Gehirne bleiben, und materielle Jdeen der andern
Art ſind, §. 119. dahingegen die aͤußern Empfindungen
und andern Vorſtellungen, die man erwartet, in den me-
chaniſchen Maſchinen eben dieſelben Seelenwirkungen her-
vorbringen, wie andre Vorherſehungen, §. 74. ohne Be-
ziehung auf ihre Erwartung.

Wirkungen des ſinnlichen Vergnuͤgens und Misver-
gnuͤgens durch die Nerven in die mechaniſchen
Maſchinen.
§. 250.

Sobald eine Empfindung oder andre Vorſtellung der
Seele gefaͤllt oder misfaͤllt, das iſt, ſobald ſie Triebfedern
des Gemuͤths in ſich enthaͤlt, §. 88. ſaget man, daß ſie
das Herz ruͤhre, daß das Herz Antheil daran nehme,
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Dieſe Art zu

reden
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[227/0251] der ſinnlichen Luſt und Unluſt. §. 249. Die eigentlichen Erwartungen der Seele, oder die Erkenntniß, daß eine vorhergeſehene Empfindung oder Vor- ſtellung eben diejenige ſey, die ſie zukuͤnftig bekommen wird, ſcheinen eben ſo, wie die Erinnerungen, (§. 238.) nicht zu den Vorſtellungsarten der Seele zu gehoͤren, die in den mechaniſchen Maſchinen außerhalb dem Gehirne einige Seelenwirkungen aͤußern, außer in ſo fern es die Empfin- dungen oder andern Vorſtellungen thun, die man erwar- tet. Wenn ein Hungriger nur an eine Speiſe gedenkt, ſo laͤuft ihm der Mund voll Waſſer, und dieſes geſchieht in jedem Falle, er mag nun entweder wirklich vermuthen, daß er ſie genießen werde, oder mag nur daran gedenken. Die Ergießung der Speicheldruͤſen iſt die Seelenwirkung der Vorherſehung in der Maſchine des Koͤrpers, und die Erwartung ſcheint ſie in nichts zu veraͤndern. Das Er- warten iſt alſo eben ſo, wie der Witz, Scharfſinn, u. ſ. w. eine ſolche Art der Seelenkraͤfte, deren Seelenwirkungen nur im Gehirne bleiben, und materielle Jdeen der andern Art ſind, §. 119. dahingegen die aͤußern Empfindungen und andern Vorſtellungen, die man erwartet, in den me- chaniſchen Maſchinen eben dieſelben Seelenwirkungen her- vorbringen, wie andre Vorherſehungen, §. 74. ohne Be- ziehung auf ihre Erwartung. Wirkungen des ſinnlichen Vergnuͤgens und Misver- gnuͤgens durch die Nerven in die mechaniſchen Maſchinen. §. 250. Sobald eine Empfindung oder andre Vorſtellung der Seele gefaͤllt oder misfaͤllt, das iſt, ſobald ſie Triebfedern des Gemuͤths in ſich enthaͤlt, §. 88. ſaget man, daß ſie das Herz ruͤhre, daß das Herz Antheil daran nehme, daß es nicht gleichguͤltig dabey bleibe. Dieſe Art zu reden P 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/251>, abgerufen am 26.04.2024.