Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

2 Abschn. insbesondre.
der Muskeln machet bey Thieren, die Gehirn haben, in
manchen Fällen, zu den Nervenwirkungen der Muskeln
die Gegenwart und ungehinderte Gemeinschaft des Gehirns
mit den Muskeln, obgleich nicht die Mitwirkung seiner
thierischen Seelenkräfte und der Vorstellungskraft, nöthig.
§. 494. N. 2. "Man kann glauben, daß in dem Wesen
"des Nervensafts etwas Reizendes liege, das die Grund-
"theile der Muskelfasern zwingt, sich einander zu nähern.
"Die bewegende Ursache, die den Nervensaft zwingt, in
"den Muskel zu fließen, um ihn zu bewegen, scheint nicht
"die Seele, sondern ein von Gott gegebenes Gesetz zu seyn.
"Denn neugeborne, oder ganz neulich verwandelte Thiere
"können ohne einiges Versuchen und ohne Uebung zusam-
"mengesetzte Bewegungen machen, die zu bestimmen die
"schwersten Rechnungen erfodert werden. Was aber die
"Seele wirket, lernet sie langsam, unvollkommen und nur
"durch Versuche. Derjenige Muskel wird also zusammen-
"gezogen, in den in einer gegebenen Zeit eine größere Men-
"ge des Nervensafts fließt, er mag nun entweder von dem
"Willen, oder von einer reizenden Ursache im Gehirne,
"oder in dem Nerven bewirket werden." H. P. §. 408.

§. 515.

Aeußere Empfindungen und andre Vorstellungen wir-
ken durch ihre innern sinnlichen Eindrücke ins Herz, in-
dem sie seine natürliche Bewegung, die sonst nur haupt-
sächlich eine mittelbare Nervenwirkung der äußern sinnli-
chen Eindrücke in dasselbe zu seyn pflegen, §. 457. 459.
vielfältig verändern. §. 167. 211. Können aber auch
innere sinnliche Eindrücke ohne Vorstellungen an ihm eine
thierische bewegende Kraft äußern? Es ist dieß allerdings
daraus schon wahrscheinlich, weil das Herz ein Muskel ist.
§. 514. Es wird aber aus einer andern Betrachtung noch
viel wahrscheinlicher, die auf der Beobachtung beruhet,
daß, wenn man bey Thieren, die Gehirn haben, die Ner-
venstämme des Herzens bindet, die Bewegung desselben

aufhöret,

2 Abſchn. insbeſondre.
der Muskeln machet bey Thieren, die Gehirn haben, in
manchen Faͤllen, zu den Nervenwirkungen der Muskeln
die Gegenwart und ungehinderte Gemeinſchaft des Gehirns
mit den Muskeln, obgleich nicht die Mitwirkung ſeiner
thieriſchen Seelenkraͤfte und der Vorſtellungskraft, noͤthig.
§. 494. N. 2. „Man kann glauben, daß in dem Weſen
„des Nervenſafts etwas Reizendes liege, das die Grund-
„theile der Muskelfaſern zwingt, ſich einander zu naͤhern.
„Die bewegende Urſache, die den Nervenſaft zwingt, in
„den Muskel zu fließen, um ihn zu bewegen, ſcheint nicht
„die Seele, ſondern ein von Gott gegebenes Geſetz zu ſeyn.
„Denn neugeborne, oder ganz neulich verwandelte Thiere
„koͤnnen ohne einiges Verſuchen und ohne Uebung zuſam-
„mengeſetzte Bewegungen machen, die zu beſtimmen die
„ſchwerſten Rechnungen erfodert werden. Was aber die
„Seele wirket, lernet ſie langſam, unvollkommen und nur
„durch Verſuche. Derjenige Muskel wird alſo zuſammen-
„gezogen, in den in einer gegebenen Zeit eine groͤßere Men-
„ge des Nervenſafts fließt, er mag nun entweder von dem
„Willen, oder von einer reizenden Urſache im Gehirne,
„oder in dem Nerven bewirket werden.“ H. P. §. 408.

§. 515.

Aeußere Empfindungen und andre Vorſtellungen wir-
ken durch ihre innern ſinnlichen Eindruͤcke ins Herz, in-
dem ſie ſeine natuͤrliche Bewegung, die ſonſt nur haupt-
ſaͤchlich eine mittelbare Nervenwirkung der aͤußern ſinnli-
chen Eindruͤcke in daſſelbe zu ſeyn pflegen, §. 457. 459.
vielfaͤltig veraͤndern. §. 167. 211. Koͤnnen aber auch
innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen an ihm eine
thieriſche bewegende Kraft aͤußern? Es iſt dieß allerdings
daraus ſchon wahrſcheinlich, weil das Herz ein Muskel iſt.
§. 514. Es wird aber aus einer andern Betrachtung noch
viel wahrſcheinlicher, die auf der Beobachtung beruhet,
daß, wenn man bey Thieren, die Gehirn haben, die Ner-
venſtaͤmme des Herzens bindet, die Bewegung deſſelben

aufhoͤret,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0531" n="507"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">2 Ab&#x017F;chn. insbe&#x017F;ondre.</hi></fw><lb/>
der Muskeln machet bey Thieren, die Gehirn haben, in<lb/>
manchen Fa&#x0364;llen, zu den Nervenwirkungen der Muskeln<lb/>
die Gegenwart und ungehinderte Gemein&#x017F;chaft des Gehirns<lb/>
mit den Muskeln, obgleich nicht die Mitwirkung &#x017F;einer<lb/>
thieri&#x017F;chen Seelenkra&#x0364;fte und der Vor&#x017F;tellungskraft, no&#x0364;thig.<lb/>
§. 494. <hi rendition="#aq">N.</hi> 2. &#x201E;Man kann glauben, daß in dem We&#x017F;en<lb/>
&#x201E;des Nerven&#x017F;afts etwas Reizendes liege, das die Grund-<lb/>
&#x201E;theile der Muskelfa&#x017F;ern zwingt, &#x017F;ich einander zu na&#x0364;hern.<lb/>
&#x201E;Die bewegende Ur&#x017F;ache, die den Nerven&#x017F;aft zwingt, in<lb/>
&#x201E;den Muskel zu fließen, um ihn zu bewegen, &#x017F;cheint nicht<lb/>
&#x201E;die Seele, &#x017F;ondern ein von Gott gegebenes Ge&#x017F;etz zu &#x017F;eyn.<lb/>
&#x201E;Denn neugeborne, oder ganz neulich verwandelte Thiere<lb/>
&#x201E;ko&#x0364;nnen ohne einiges Ver&#x017F;uchen und ohne Uebung zu&#x017F;am-<lb/>
&#x201E;menge&#x017F;etzte Bewegungen machen, die zu be&#x017F;timmen die<lb/>
&#x201E;&#x017F;chwer&#x017F;ten Rechnungen erfodert werden. Was aber die<lb/>
&#x201E;Seele wirket, lernet &#x017F;ie lang&#x017F;am, unvollkommen und nur<lb/>
&#x201E;durch Ver&#x017F;uche. Derjenige Muskel wird al&#x017F;o zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x201E;gezogen, in den in einer gegebenen Zeit eine gro&#x0364;ßere Men-<lb/>
&#x201E;ge des Nerven&#x017F;afts fließt, er mag nun entweder von dem<lb/>
&#x201E;Willen, oder von einer reizenden Ur&#x017F;ache im Gehirne,<lb/>
&#x201E;oder in dem Nerven bewirket werden.&#x201C; <hi rendition="#aq">H. P.</hi> §. 408.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 515.</head><lb/>
              <p>Aeußere Empfindungen und andre Vor&#x017F;tellungen wir-<lb/>
ken durch ihre innern &#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cke ins <hi rendition="#fr">Herz,</hi> in-<lb/>
dem &#x017F;ie &#x017F;eine natu&#x0364;rliche Bewegung, die &#x017F;on&#x017F;t nur haupt-<lb/>
&#x017F;a&#x0364;chlich eine mittelbare Nervenwirkung der a&#x0364;ußern &#x017F;innli-<lb/>
chen Eindru&#x0364;cke in da&#x017F;&#x017F;elbe zu &#x017F;eyn pflegen, §. 457. 459.<lb/>
vielfa&#x0364;ltig vera&#x0364;ndern. §. 167. 211. Ko&#x0364;nnen aber auch<lb/>
innere &#x017F;innliche Eindru&#x0364;cke ohne Vor&#x017F;tellungen an ihm eine<lb/>
thieri&#x017F;che bewegende Kraft a&#x0364;ußern? Es i&#x017F;t dieß allerdings<lb/>
daraus &#x017F;chon wahr&#x017F;cheinlich, weil das Herz ein Muskel i&#x017F;t.<lb/>
§. 514. Es wird aber aus einer andern Betrachtung noch<lb/>
viel wahr&#x017F;cheinlicher, die auf der Beobachtung beruhet,<lb/>
daß, wenn man bey Thieren, die Gehirn haben, die Ner-<lb/>
ven&#x017F;ta&#x0364;mme des Herzens bindet, die Bewegung de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aufho&#x0364;ret,</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[507/0531] 2 Abſchn. insbeſondre. der Muskeln machet bey Thieren, die Gehirn haben, in manchen Faͤllen, zu den Nervenwirkungen der Muskeln die Gegenwart und ungehinderte Gemeinſchaft des Gehirns mit den Muskeln, obgleich nicht die Mitwirkung ſeiner thieriſchen Seelenkraͤfte und der Vorſtellungskraft, noͤthig. §. 494. N. 2. „Man kann glauben, daß in dem Weſen „des Nervenſafts etwas Reizendes liege, das die Grund- „theile der Muskelfaſern zwingt, ſich einander zu naͤhern. „Die bewegende Urſache, die den Nervenſaft zwingt, in „den Muskel zu fließen, um ihn zu bewegen, ſcheint nicht „die Seele, ſondern ein von Gott gegebenes Geſetz zu ſeyn. „Denn neugeborne, oder ganz neulich verwandelte Thiere „koͤnnen ohne einiges Verſuchen und ohne Uebung zuſam- „mengeſetzte Bewegungen machen, die zu beſtimmen die „ſchwerſten Rechnungen erfodert werden. Was aber die „Seele wirket, lernet ſie langſam, unvollkommen und nur „durch Verſuche. Derjenige Muskel wird alſo zuſammen- „gezogen, in den in einer gegebenen Zeit eine groͤßere Men- „ge des Nervenſafts fließt, er mag nun entweder von dem „Willen, oder von einer reizenden Urſache im Gehirne, „oder in dem Nerven bewirket werden.“ H. P. §. 408. §. 515. Aeußere Empfindungen und andre Vorſtellungen wir- ken durch ihre innern ſinnlichen Eindruͤcke ins Herz, in- dem ſie ſeine natuͤrliche Bewegung, die ſonſt nur haupt- ſaͤchlich eine mittelbare Nervenwirkung der aͤußern ſinnli- chen Eindruͤcke in daſſelbe zu ſeyn pflegen, §. 457. 459. vielfaͤltig veraͤndern. §. 167. 211. Koͤnnen aber auch innere ſinnliche Eindruͤcke ohne Vorſtellungen an ihm eine thieriſche bewegende Kraft aͤußern? Es iſt dieß allerdings daraus ſchon wahrſcheinlich, weil das Herz ein Muskel iſt. §. 514. Es wird aber aus einer andern Betrachtung noch viel wahrſcheinlicher, die auf der Beobachtung beruhet, daß, wenn man bey Thieren, die Gehirn haben, die Ner- venſtaͤmme des Herzens bindet, die Bewegung deſſelben aufhoͤret,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/531
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/531>, abgerufen am 26.04.2024.