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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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2 Abschn. Ersetz. der Nervenw. durch Seelenw.
gen und Begierden, die abstraktesten Begriffe des Ver-
standes und die edelsten Bewegungsgründe, Leidenschaften
und Entschlüsse des Willens. Es können aber die äußern
sinnlichen Eindrücke, welche die sinnlichen Vorstellungen,
Lüste, Triebe und Leidenschaften in die Seele bringen, wenn
sie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri-
schen Bewegungen im Körper, durch ihre bloße Nerven-
kraft, auch sogar in eben der Ordnung und Folge hervor-
bringen, die sie als Seelenwirkungen im Körper veran-
lassen, wenn sie es thun. Jn solchem Falle spielet der
Körper die Rolle der sinnlichen Handlungen der Lüste, der
Triebe, der Leidenschaften, ohne daß diese doch wirklich in
der Seele sind. Wie kann man aber wohl hieraus den
Schluß machen, daß sie im Körper vorhanden wären? Es
ist eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachschaffet, sie mö-
gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie
kann nicht gelüsten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht
verabscheuen.

Zweyter Abschnitt.
Von der Ersetzung der Nervenwirkungen durch
Seelenwirkungen.
§. 580.

Wir haben im vorigen Abschnitte untersuchet, welche
Seelenwirkungen in den mechanischen Maschinen
des thierischen Körpers durch Nervenwirkungen ersetzet wer-
den können, und der Erfahrung zu Folge wirklich ersetzet
werden. Nunmehr müssen wir auch sehen, welche Ner-
venwirkungen vermöge der Erfahrung durch Seelenwir-
kungen ersetzet werden können.

Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den
mechanischen Maschinen: erstlich die, von ursprünglichen
innern sinnlichen Eindrücken ohne Vorstellungen, §. 490.

zum

2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw.
gen und Begierden, die abſtrakteſten Begriffe des Ver-
ſtandes und die edelſten Bewegungsgruͤnde, Leidenſchaften
und Entſchluͤſſe des Willens. Es koͤnnen aber die aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke, welche die ſinnlichen Vorſtellungen,
Luͤſte, Triebe und Leidenſchaften in die Seele bringen, wenn
ſie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri-
ſchen Bewegungen im Koͤrper, durch ihre bloße Nerven-
kraft, auch ſogar in eben der Ordnung und Folge hervor-
bringen, die ſie als Seelenwirkungen im Koͤrper veran-
laſſen, wenn ſie es thun. Jn ſolchem Falle ſpielet der
Koͤrper die Rolle der ſinnlichen Handlungen der Luͤſte, der
Triebe, der Leidenſchaften, ohne daß dieſe doch wirklich in
der Seele ſind. Wie kann man aber wohl hieraus den
Schluß machen, daß ſie im Koͤrper vorhanden waͤren? Es
iſt eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachſchaffet, ſie moͤ-
gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie
kann nicht geluͤſten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht
verabſcheuen.

Zweyter Abſchnitt.
Von der Erſetzung der Nervenwirkungen durch
Seelenwirkungen.
§. 580.

Wir haben im vorigen Abſchnitte unterſuchet, welche
Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen
des thieriſchen Koͤrpers durch Nervenwirkungen erſetzet wer-
den koͤnnen, und der Erfahrung zu Folge wirklich erſetzet
werden. Nunmehr muͤſſen wir auch ſehen, welche Ner-
venwirkungen vermoͤge der Erfahrung durch Seelenwir-
kungen erſetzet werden koͤnnen.

Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den
mechaniſchen Maſchinen: erſtlich die, von urſpruͤnglichen
innern ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen, §. 490.

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[587/0611] 2 Abſchn. Erſetz. der Nervenw. durch Seelenw. gen und Begierden, die abſtrakteſten Begriffe des Ver- ſtandes und die edelſten Bewegungsgruͤnde, Leidenſchaften und Entſchluͤſſe des Willens. Es koͤnnen aber die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, welche die ſinnlichen Vorſtellungen, Luͤſte, Triebe und Leidenſchaften in die Seele bringen, wenn ſie dieß Letzte auch nicht thun, dennoch diejenigen thieri- ſchen Bewegungen im Koͤrper, durch ihre bloße Nerven- kraft, auch ſogar in eben der Ordnung und Folge hervor- bringen, die ſie als Seelenwirkungen im Koͤrper veran- laſſen, wenn ſie es thun. Jn ſolchem Falle ſpielet der Koͤrper die Rolle der ſinnlichen Handlungen der Luͤſte, der Triebe, der Leidenſchaften, ohne daß dieſe doch wirklich in der Seele ſind. Wie kann man aber wohl hieraus den Schluß machen, daß ſie im Koͤrper vorhanden waͤren? Es iſt eine Kraft da, die ihre Wirkungen nachſchaffet, ſie moͤ- gen nun mitwirken, oder nicht: aber die rohe Materie kann nicht geluͤſten, nicht Eckel haben, nicht begehren, nicht verabſcheuen. Zweyter Abſchnitt. Von der Erſetzung der Nervenwirkungen durch Seelenwirkungen. §. 580. Wir haben im vorigen Abſchnitte unterſuchet, welche Seelenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen des thieriſchen Koͤrpers durch Nervenwirkungen erſetzet wer- den koͤnnen, und der Erfahrung zu Folge wirklich erſetzet werden. Nunmehr muͤſſen wir auch ſehen, welche Ner- venwirkungen vermoͤge der Erfahrung durch Seelenwir- kungen erſetzet werden koͤnnen. Es giebt drey Hauptarten von Nervenwirkungen in den mechaniſchen Maſchinen: erſtlich die, von urſpruͤnglichen innern ſinnlichen Eindruͤcken ohne Vorſtellungen, §. 490. zum

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/611>, abgerufen am 26.04.2024.