Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
Nervenwirkungen vom äußern sinnlichen Eindrucke, der zur
Empfindung gehöret, und thut das Empfinden desselben
nichts zu der thierischen Bewegung, die er wirket? Es ist
nur ein einziges Mittel möglich, um diese Meynung zu wi-
derlegen, und der obigen Frage ein Genüge zu thun.

§. 584.

Die sinnlichen Vorstellungen, z. E. Einbildungen,
Vorhersehungen etc. sind nichts anders als unvollständige
äußere Empfindungen, die sich auf einen äußern sinnlichen
Eindruck beziehen, der itzt dem Nerven nicht wirklich ge-
geben wird. §. 66. Jhre Seelenwirkungen in den me-
chanischen Maschinen sind keine andern, als die von den
äußern Empfindungen selbst, denen nur der äußere sinnli-
che Eindruck mit allen seinen Nervenwirkungen abgeht,
§. 68. 69. 73. 74. und eben darum sind sie nur unvoll-
ständige Seelenwirkungen der äußern Empfindungen.
Wenn nun eine Einbildung von einer ehemaligen, oder ei-
ne Vorhersehung einer künftigen äußern Empfindung, so-
gar, ob sie gleich die Empfindung nur unvollständig vor-
stellet, dennoch diejenigen thierischen Bewegungen als ihre
Seelenwirkungen, wiewohl etwas unvollständiger hervor-
bringt, welche der zu dieser Empfindung erfoderliche äußere
sinnliche Eindruck als seine mittelbare Nervenwirkung zu
erregen pflegt, so schließt man billig, daß bey der Empfin-
dung dieses äußern sinnlichen Eindrucks selbst, die thieri-
sche Bewegung, die er zur mittelbaren Nervenwirkung
hat, ebenfalls zugleich die Seelenwirkung der Empfindung
seyn müsse, zumal da sie im natürlichen Zustande bey der
Empfindung nie außen bleibt, welches doch möglich seyn
würde, wenn sie stets nur allein eine Nervenwirkung des
äußern sinnlichen Eindrucks wäre. Nun bestätiget aber
die Erfahrung das Erste: also muß auch das Letzte seine
Richtigkeit haben; zumal da kein Grund für das Gegen-
theil angeführet werden zu können scheint. Hätte ein Frosch
Träume, worinn er sich die Quetschung seiner Zehe sehr

lebhaft

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
Nervenwirkungen vom aͤußern ſinnlichen Eindrucke, der zur
Empfindung gehoͤret, und thut das Empfinden deſſelben
nichts zu der thieriſchen Bewegung, die er wirket? Es iſt
nur ein einziges Mittel moͤglich, um dieſe Meynung zu wi-
derlegen, und der obigen Frage ein Genuͤge zu thun.

§. 584.

Die ſinnlichen Vorſtellungen, z. E. Einbildungen,
Vorherſehungen ꝛc. ſind nichts anders als unvollſtaͤndige
aͤußere Empfindungen, die ſich auf einen aͤußern ſinnlichen
Eindruck beziehen, der itzt dem Nerven nicht wirklich ge-
geben wird. §. 66. Jhre Seelenwirkungen in den me-
chaniſchen Maſchinen ſind keine andern, als die von den
aͤußern Empfindungen ſelbſt, denen nur der aͤußere ſinnli-
che Eindruck mit allen ſeinen Nervenwirkungen abgeht,
§. 68. 69. 73. 74. und eben darum ſind ſie nur unvoll-
ſtaͤndige Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen.
Wenn nun eine Einbildung von einer ehemaligen, oder ei-
ne Vorherſehung einer kuͤnftigen aͤußern Empfindung, ſo-
gar, ob ſie gleich die Empfindung nur unvollſtaͤndig vor-
ſtellet, dennoch diejenigen thieriſchen Bewegungen als ihre
Seelenwirkungen, wiewohl etwas unvollſtaͤndiger hervor-
bringt, welche der zu dieſer Empfindung erfoderliche aͤußere
ſinnliche Eindruck als ſeine mittelbare Nervenwirkung zu
erregen pflegt, ſo ſchließt man billig, daß bey der Empfin-
dung dieſes aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſelbſt, die thieri-
ſche Bewegung, die er zur mittelbaren Nervenwirkung
hat, ebenfalls zugleich die Seelenwirkung der Empfindung
ſeyn muͤſſe, zumal da ſie im natuͤrlichen Zuſtande bey der
Empfindung nie außen bleibt, welches doch moͤglich ſeyn
wuͤrde, wenn ſie ſtets nur allein eine Nervenwirkung des
aͤußern ſinnlichen Eindrucks waͤre. Nun beſtaͤtiget aber
die Erfahrung das Erſte: alſo muß auch das Letzte ſeine
Richtigkeit haben; zumal da kein Grund fuͤr das Gegen-
theil angefuͤhret werden zu koͤnnen ſcheint. Haͤtte ein Froſch
Traͤume, worinn er ſich die Quetſchung ſeiner Zehe ſehr

lebhaft
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0616" n="592"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.</hi></fw><lb/>
Nervenwirkungen vom a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindrucke, der zur<lb/>
Empfindung geho&#x0364;ret, und thut das Empfinden de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
nichts zu der thieri&#x017F;chen Bewegung, die er wirket? Es i&#x017F;t<lb/>
nur ein einziges Mittel mo&#x0364;glich, um die&#x017F;e Meynung zu wi-<lb/>
derlegen, und der obigen Frage ein Genu&#x0364;ge zu thun.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 584.</head><lb/>
              <p>Die &#x017F;innlichen Vor&#x017F;tellungen, z. E. Einbildungen,<lb/>
Vorher&#x017F;ehungen &#xA75B;c. &#x017F;ind nichts anders als unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
a&#x0364;ußere Empfindungen, die &#x017F;ich auf einen a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen<lb/>
Eindruck beziehen, der itzt dem Nerven nicht wirklich ge-<lb/>
geben wird. §. 66. Jhre Seelenwirkungen in den me-<lb/>
chani&#x017F;chen Ma&#x017F;chinen &#x017F;ind keine andern, als die von den<lb/>
a&#x0364;ußern Empfindungen &#x017F;elb&#x017F;t, denen nur der a&#x0364;ußere &#x017F;innli-<lb/>
che Eindruck mit allen &#x017F;einen Nervenwirkungen abgeht,<lb/>
§. 68. 69. 73. 74. und eben darum &#x017F;ind &#x017F;ie nur unvoll-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndige Seelenwirkungen der a&#x0364;ußern Empfindungen.<lb/>
Wenn nun eine Einbildung von einer ehemaligen, oder ei-<lb/>
ne Vorher&#x017F;ehung einer ku&#x0364;nftigen a&#x0364;ußern Empfindung, &#x017F;o-<lb/>
gar, ob &#x017F;ie gleich die Empfindung nur unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndig vor-<lb/>
&#x017F;tellet, dennoch diejenigen thieri&#x017F;chen Bewegungen als ihre<lb/>
Seelenwirkungen, wiewohl etwas unvoll&#x017F;ta&#x0364;ndiger hervor-<lb/>
bringt, welche der zu die&#x017F;er Empfindung erfoderliche a&#x0364;ußere<lb/>
&#x017F;innliche Eindruck als &#x017F;eine mittelbare Nervenwirkung zu<lb/>
erregen pflegt, &#x017F;o &#x017F;chließt man billig, daß bey der Empfin-<lb/>
dung die&#x017F;es a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindrucks &#x017F;elb&#x017F;t, die thieri-<lb/>
&#x017F;che Bewegung, die er zur mittelbaren Nervenwirkung<lb/>
hat, ebenfalls zugleich die Seelenwirkung der Empfindung<lb/>
&#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, zumal da &#x017F;ie im natu&#x0364;rlichen Zu&#x017F;tande bey der<lb/>
Empfindung nie außen bleibt, welches doch mo&#x0364;glich &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;rde, wenn &#x017F;ie &#x017F;tets nur allein eine Nervenwirkung des<lb/>
a&#x0364;ußern &#x017F;innlichen Eindrucks wa&#x0364;re. Nun be&#x017F;ta&#x0364;tiget aber<lb/>
die Erfahrung das Er&#x017F;te: al&#x017F;o muß auch das Letzte &#x017F;eine<lb/>
Richtigkeit haben; zumal da kein Grund fu&#x0364;r das Gegen-<lb/>
theil angefu&#x0364;hret werden zu ko&#x0364;nnen &#x017F;cheint. Ha&#x0364;tte ein Fro&#x017F;ch<lb/>
Tra&#x0364;ume, worinn er &#x017F;ich die Quet&#x017F;chung &#x017F;einer Zehe &#x017F;ehr<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">lebhaft</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[592/0616] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. Nervenwirkungen vom aͤußern ſinnlichen Eindrucke, der zur Empfindung gehoͤret, und thut das Empfinden deſſelben nichts zu der thieriſchen Bewegung, die er wirket? Es iſt nur ein einziges Mittel moͤglich, um dieſe Meynung zu wi- derlegen, und der obigen Frage ein Genuͤge zu thun. §. 584. Die ſinnlichen Vorſtellungen, z. E. Einbildungen, Vorherſehungen ꝛc. ſind nichts anders als unvollſtaͤndige aͤußere Empfindungen, die ſich auf einen aͤußern ſinnlichen Eindruck beziehen, der itzt dem Nerven nicht wirklich ge- geben wird. §. 66. Jhre Seelenwirkungen in den me- chaniſchen Maſchinen ſind keine andern, als die von den aͤußern Empfindungen ſelbſt, denen nur der aͤußere ſinnli- che Eindruck mit allen ſeinen Nervenwirkungen abgeht, §. 68. 69. 73. 74. und eben darum ſind ſie nur unvoll- ſtaͤndige Seelenwirkungen der aͤußern Empfindungen. Wenn nun eine Einbildung von einer ehemaligen, oder ei- ne Vorherſehung einer kuͤnftigen aͤußern Empfindung, ſo- gar, ob ſie gleich die Empfindung nur unvollſtaͤndig vor- ſtellet, dennoch diejenigen thieriſchen Bewegungen als ihre Seelenwirkungen, wiewohl etwas unvollſtaͤndiger hervor- bringt, welche der zu dieſer Empfindung erfoderliche aͤußere ſinnliche Eindruck als ſeine mittelbare Nervenwirkung zu erregen pflegt, ſo ſchließt man billig, daß bey der Empfin- dung dieſes aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſelbſt, die thieri- ſche Bewegung, die er zur mittelbaren Nervenwirkung hat, ebenfalls zugleich die Seelenwirkung der Empfindung ſeyn muͤſſe, zumal da ſie im natuͤrlichen Zuſtande bey der Empfindung nie außen bleibt, welches doch moͤglich ſeyn wuͤrde, wenn ſie ſtets nur allein eine Nervenwirkung des aͤußern ſinnlichen Eindrucks waͤre. Nun beſtaͤtiget aber die Erfahrung das Erſte: alſo muß auch das Letzte ſeine Richtigkeit haben; zumal da kein Grund fuͤr das Gegen- theil angefuͤhret werden zu koͤnnen ſcheint. Haͤtte ein Froſch Traͤume, worinn er ſich die Quetſchung ſeiner Zehe ſehr lebhaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/616
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 592. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/616>, abgerufen am 26.04.2024.