Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

6 Kap. Das Alter und der thierische Tod.
sche Leben desselben wieder, und das Thier wird hergestellet.
So ist es mit den meisten übrigen Fällen, die aber insge-
sammt in die Pathologie der thierischen Natur gehören.
Das, was hier blos in physiologischer Absicht zur Erläu-
terung davon gesaget worden, kann hinlänglich seyn.

§. 717.

Beseelte Thiere können des eigentlichen thierischen To-
des, natürlicher oder zufälliger Weise, §. 707. durch
alle Todesarten des gänzlichen thierischen Todes sterben:
§. 709. allein an und für sich erfodert der eigentliche
thierische Tod,
oder die Entseelung, keine von allen
diesen Todesarten, weil das blos thierische Leben bey der
Entseelung noch schlechterdings bestehen kann. §. 708.
Daher könnte ein beseeltes Thier überhaupt betrachtet, ei-
gentlich zu reden, sterben, das ist, die Gemeinschaft seiner
Seele und seines Körpers könnte völlig aufhören, so wie
sie im allerersten Keime desselben noch nicht da war, §. 634.
und es würde doch noch aller der thierischen Verrichtungen
fähig seyn, die so viel Unbeseelte mit eben der Vollkom-
menheit vollstrecken, als die Beseelten. §. 609 -- 611.
Hieraus läßt sich das oft so erstaunlich lange fortgesetzte
blos thierische Leben mancher Thiere nach der Enthauptung
erklären, die man, da sie einen abgesonderten Kopf und
Gehirn haben und zu empfinden scheinen, für sehr unvoll-
kommene sinnliche Thiere halten möchte, dergleichen die
Schildkröten, Frösche, u. d. g. sind. Man kann aus
eben diesen Gründen die Möglichkeit solcher Gifte keines-
weges in Zweifel ziehen, welche das eigentliche thierische Le-
ben allein aufheben, die Gemeinschaft des Leibes und der
Seele trennen, und nur eine blos lebende thierische Ma-
schine übrig lassen sollen, die, wenn sie ernähret würde,
fortleben, und wie eine lebendige Frucht ohne Kopf, von
sinnlichen Eindrücken in thierische Bewegung gesetzt wer-
den könnte, ohne die mindeste Empfindung oder irgend ei-
ne andre Vorstellung zu haben. Allein freylich sind die

Körper
Z z

6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod.
ſche Leben deſſelben wieder, und das Thier wird hergeſtellet.
So iſt es mit den meiſten uͤbrigen Faͤllen, die aber insge-
ſammt in die Pathologie der thieriſchen Natur gehoͤren.
Das, was hier blos in phyſiologiſcher Abſicht zur Erlaͤu-
terung davon geſaget worden, kann hinlaͤnglich ſeyn.

§. 717.

Beſeelte Thiere koͤnnen des eigentlichen thieriſchen To-
des, natuͤrlicher oder zufaͤlliger Weiſe, §. 707. durch
alle Todesarten des gaͤnzlichen thieriſchen Todes ſterben:
§. 709. allein an und fuͤr ſich erfodert der eigentliche
thieriſche Tod,
oder die Entſeelung, keine von allen
dieſen Todesarten, weil das blos thieriſche Leben bey der
Entſeelung noch ſchlechterdings beſtehen kann. §. 708.
Daher koͤnnte ein beſeeltes Thier uͤberhaupt betrachtet, ei-
gentlich zu reden, ſterben, das iſt, die Gemeinſchaft ſeiner
Seele und ſeines Koͤrpers koͤnnte voͤllig aufhoͤren, ſo wie
ſie im allererſten Keime deſſelben noch nicht da war, §. 634.
und es wuͤrde doch noch aller der thieriſchen Verrichtungen
faͤhig ſeyn, die ſo viel Unbeſeelte mit eben der Vollkom-
menheit vollſtrecken, als die Beſeelten. §. 609 — 611.
Hieraus laͤßt ſich das oft ſo erſtaunlich lange fortgeſetzte
blos thieriſche Leben mancher Thiere nach der Enthauptung
erklaͤren, die man, da ſie einen abgeſonderten Kopf und
Gehirn haben und zu empfinden ſcheinen, fuͤr ſehr unvoll-
kommene ſinnliche Thiere halten moͤchte, dergleichen die
Schildkroͤten, Froͤſche, u. d. g. ſind. Man kann aus
eben dieſen Gruͤnden die Moͤglichkeit ſolcher Gifte keines-
weges in Zweifel ziehen, welche das eigentliche thieriſche Le-
ben allein aufheben, die Gemeinſchaft des Leibes und der
Seele trennen, und nur eine blos lebende thieriſche Ma-
ſchine uͤbrig laſſen ſollen, die, wenn ſie ernaͤhret wuͤrde,
fortleben, und wie eine lebendige Frucht ohne Kopf, von
ſinnlichen Eindruͤcken in thieriſche Bewegung geſetzt wer-
den koͤnnte, ohne die mindeſte Empfindung oder irgend ei-
ne andre Vorſtellung zu haben. Allein freylich ſind die

Koͤrper
Z z
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0745" n="721"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">6 Kap. Das Alter und der thieri&#x017F;che Tod.</hi></fw><lb/>
&#x017F;che Leben de&#x017F;&#x017F;elben wieder, und das Thier wird herge&#x017F;tellet.<lb/>
So i&#x017F;t es mit den mei&#x017F;ten u&#x0364;brigen Fa&#x0364;llen, die aber insge-<lb/>
&#x017F;ammt in die Pathologie der thieri&#x017F;chen Natur geho&#x0364;ren.<lb/>
Das, was hier blos in phy&#x017F;iologi&#x017F;cher Ab&#x017F;icht zur Erla&#x0364;u-<lb/>
terung davon ge&#x017F;aget worden, kann hinla&#x0364;nglich &#x017F;eyn.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 717.</head><lb/>
            <p>Be&#x017F;eelte Thiere ko&#x0364;nnen des eigentlichen thieri&#x017F;chen To-<lb/>
des, natu&#x0364;rlicher oder zufa&#x0364;lliger Wei&#x017F;e, §. 707. durch<lb/>
alle Todesarten des ga&#x0364;nzlichen thieri&#x017F;chen Todes &#x017F;terben:<lb/>
§. 709. allein <hi rendition="#fr">an und fu&#x0364;r &#x017F;ich</hi> erfodert der <hi rendition="#fr">eigentliche<lb/>
thieri&#x017F;che Tod,</hi> oder <hi rendition="#fr">die Ent&#x017F;eelung,</hi> keine von allen<lb/>
die&#x017F;en Todesarten, weil das blos thieri&#x017F;che Leben bey der<lb/>
Ent&#x017F;eelung noch &#x017F;chlechterdings be&#x017F;tehen kann. §. 708.<lb/>
Daher ko&#x0364;nnte ein be&#x017F;eeltes Thier u&#x0364;berhaupt betrachtet, ei-<lb/>
gentlich zu reden, &#x017F;terben, das i&#x017F;t, die Gemein&#x017F;chaft &#x017F;einer<lb/>
Seele und &#x017F;eines Ko&#x0364;rpers ko&#x0364;nnte vo&#x0364;llig aufho&#x0364;ren, &#x017F;o wie<lb/>
&#x017F;ie im allerer&#x017F;ten Keime de&#x017F;&#x017F;elben noch nicht da war, §. 634.<lb/>
und es wu&#x0364;rde doch noch aller der thieri&#x017F;chen Verrichtungen<lb/>
fa&#x0364;hig &#x017F;eyn, die &#x017F;o viel Unbe&#x017F;eelte mit eben der Vollkom-<lb/>
menheit voll&#x017F;trecken, als die Be&#x017F;eelten. §. 609 &#x2014; 611.<lb/>
Hieraus la&#x0364;ßt &#x017F;ich das oft &#x017F;o er&#x017F;taunlich lange fortge&#x017F;etzte<lb/>
blos thieri&#x017F;che Leben mancher Thiere nach der Enthauptung<lb/>
erkla&#x0364;ren, die man, da &#x017F;ie einen abge&#x017F;onderten Kopf und<lb/>
Gehirn haben und zu empfinden &#x017F;cheinen, fu&#x0364;r &#x017F;ehr unvoll-<lb/>
kommene &#x017F;innliche Thiere halten mo&#x0364;chte, dergleichen die<lb/>
Schildkro&#x0364;ten, Fro&#x0364;&#x017F;che, u. d. g. &#x017F;ind. Man kann aus<lb/>
eben die&#x017F;en Gru&#x0364;nden die Mo&#x0364;glichkeit &#x017F;olcher Gifte keines-<lb/>
weges in Zweifel ziehen, welche das eigentliche thieri&#x017F;che Le-<lb/>
ben allein aufheben, die Gemein&#x017F;chaft des Leibes und der<lb/>
Seele trennen, und nur eine blos lebende thieri&#x017F;che Ma-<lb/>
&#x017F;chine u&#x0364;brig la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ollen, die, wenn &#x017F;ie erna&#x0364;hret wu&#x0364;rde,<lb/>
fortleben, und wie eine lebendige Frucht ohne Kopf, von<lb/>
&#x017F;innlichen Eindru&#x0364;cken in thieri&#x017F;che Bewegung ge&#x017F;etzt wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnte, ohne die minde&#x017F;te Empfindung oder irgend ei-<lb/>
ne andre Vor&#x017F;tellung zu haben. Allein freylich &#x017F;ind die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z z</fw><fw place="bottom" type="catch">Ko&#x0364;rper</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[721/0745] 6 Kap. Das Alter und der thieriſche Tod. ſche Leben deſſelben wieder, und das Thier wird hergeſtellet. So iſt es mit den meiſten uͤbrigen Faͤllen, die aber insge- ſammt in die Pathologie der thieriſchen Natur gehoͤren. Das, was hier blos in phyſiologiſcher Abſicht zur Erlaͤu- terung davon geſaget worden, kann hinlaͤnglich ſeyn. §. 717. Beſeelte Thiere koͤnnen des eigentlichen thieriſchen To- des, natuͤrlicher oder zufaͤlliger Weiſe, §. 707. durch alle Todesarten des gaͤnzlichen thieriſchen Todes ſterben: §. 709. allein an und fuͤr ſich erfodert der eigentliche thieriſche Tod, oder die Entſeelung, keine von allen dieſen Todesarten, weil das blos thieriſche Leben bey der Entſeelung noch ſchlechterdings beſtehen kann. §. 708. Daher koͤnnte ein beſeeltes Thier uͤberhaupt betrachtet, ei- gentlich zu reden, ſterben, das iſt, die Gemeinſchaft ſeiner Seele und ſeines Koͤrpers koͤnnte voͤllig aufhoͤren, ſo wie ſie im allererſten Keime deſſelben noch nicht da war, §. 634. und es wuͤrde doch noch aller der thieriſchen Verrichtungen faͤhig ſeyn, die ſo viel Unbeſeelte mit eben der Vollkom- menheit vollſtrecken, als die Beſeelten. §. 609 — 611. Hieraus laͤßt ſich das oft ſo erſtaunlich lange fortgeſetzte blos thieriſche Leben mancher Thiere nach der Enthauptung erklaͤren, die man, da ſie einen abgeſonderten Kopf und Gehirn haben und zu empfinden ſcheinen, fuͤr ſehr unvoll- kommene ſinnliche Thiere halten moͤchte, dergleichen die Schildkroͤten, Froͤſche, u. d. g. ſind. Man kann aus eben dieſen Gruͤnden die Moͤglichkeit ſolcher Gifte keines- weges in Zweifel ziehen, welche das eigentliche thieriſche Le- ben allein aufheben, die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele trennen, und nur eine blos lebende thieriſche Ma- ſchine uͤbrig laſſen ſollen, die, wenn ſie ernaͤhret wuͤrde, fortleben, und wie eine lebendige Frucht ohne Kopf, von ſinnlichen Eindruͤcken in thieriſche Bewegung geſetzt wer- den koͤnnte, ohne die mindeſte Empfindung oder irgend ei- ne andre Vorſtellung zu haben. Allein freylich ſind die Koͤrper Z z

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/745
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/745>, abgerufen am 26.04.2024.