Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Mißverstand dabey hätte gerathen kön-
nen. Wolte man derohalben, dieser Meinung
einen neuen Nahmen beylegen, so würde
ihr eine Ehre wiederfahren, die sie in der That
nicht verdienete. Jndessen könte doch auch
dieses nicht schaden. Man hat die Jnfluxioni-
sten öffentlich dergestalt gedemüthiget, daß sie
sich schämen solten, auf der Strasse in die Höhe
zu sehen. Die niederträchtigsten Gleichnisse
hat diese Meinung über sich nehmen müssen;
man hat sie vor spinozischtisch erkläret, ia, was
noch mehr ist, man hat nicht einmal alle die
übeln Folgen sagen wollen, welche daraus flies-
fen. Aber woher entstand dieses Uebel? Man
bildete sich ein, ein Jnfluxionist behauptete et-
was das ihm doch unbekandt war, und solcher-
gestalt konte es nicht fehlen, er muste auch alle
die Ungemächlichkeiten über sich nehmen, die
aus dieser Erdichtung flossen. Dieser Ursach
wegen, wäre es so uneben eben nicht, wenn
man dieser Meinung einen andern Nahmen
gäbe, damit die Niederträchtigkeit, die Ertöd-
tung des Lebendigen in der Welt, die spino-
zischtischen Folgen, und das was man nicht
einmal noch sagen will, auf dieienigen Jnfluxio-
nisten fiele, welche eine solche Meinung behau-
pteten. Denn solchergestalt würde sich ver-
muthlich kein Mensch dadurch beleidiget finden.

§. 48.

So wenig man glauben darf, daß alle Har-
monisten kluge Köpfe seyn solten, mit eben so

wenig

einen Mißverſtand dabey haͤtte gerathen koͤn-
nen. Wolte man derohalben, dieſer Meinung
einen neuen Nahmen beylegen, ſo wuͤrde
ihr eine Ehre wiederfahren, die ſie in der That
nicht verdienete. Jndeſſen koͤnte doch auch
dieſes nicht ſchaden. Man hat die Jnfluxioni-
ſten oͤffentlich dergeſtalt gedemuͤthiget, daß ſie
ſich ſchaͤmen ſolten, auf der Straſſe in die Hoͤhe
zu ſehen. Die niedertraͤchtigſten Gleichniſſe
hat dieſe Meinung uͤber ſich nehmen muͤſſen;
man hat ſie vor ſpinoziſchtiſch erklaͤret, ia, was
noch mehr iſt, man hat nicht einmal alle die
uͤbeln Folgen ſagen wollen, welche daraus flieſ-
fen. Aber woher entſtand dieſes Uebel? Man
bildete ſich ein, ein Jnfluxioniſt behauptete et-
was das ihm doch unbekandt war, und ſolcher-
geſtalt konte es nicht fehlen, er muſte auch alle
die Ungemaͤchlichkeiten uͤber ſich nehmen, die
aus dieſer Erdichtung floſſen. Dieſer Urſach
wegen, waͤre es ſo uneben eben nicht, wenn
man dieſer Meinung einen andern Nahmen
gaͤbe, damit die Niedertraͤchtigkeit, die Ertoͤd-
tung des Lebendigen in der Welt, die ſpino-
ziſchtiſchen Folgen, und das was man nicht
einmal noch ſagen will, auf dieienigen Jnfluxio-
niſten fiele, welche eine ſolche Meinung behau-
pteten. Denn ſolchergeſtalt wuͤrde ſich ver-
muthlich kein Menſch dadurch beleidiget finden.

§. 48.

So wenig man glauben darf, daß alle Har-
moniſten kluge Koͤpfe ſeyn ſolten, mit eben ſo

wenig
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0150" n="120"/>
einen Mißver&#x017F;tand dabey ha&#x0364;tte gerathen ko&#x0364;n-<lb/>
nen. Wolte man derohalben, die&#x017F;er Meinung<lb/>
einen neuen Nahmen beylegen, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/>
ihr eine Ehre wiederfahren, die &#x017F;ie in der That<lb/>
nicht verdienete. Jnde&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nte doch auch<lb/>
die&#x017F;es nicht &#x017F;chaden. Man hat die Jnfluxioni-<lb/>
&#x017F;ten o&#x0364;ffentlich derge&#x017F;talt gedemu&#x0364;thiget, daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;cha&#x0364;men &#x017F;olten, auf der Stra&#x017F;&#x017F;e in die Ho&#x0364;he<lb/>
zu &#x017F;ehen. Die niedertra&#x0364;chtig&#x017F;ten Gleichni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
hat die&#x017F;e Meinung u&#x0364;ber &#x017F;ich nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
man hat &#x017F;ie vor &#x017F;pinozi&#x017F;chti&#x017F;ch erkla&#x0364;ret, ia, was<lb/>
noch mehr i&#x017F;t, man hat nicht einmal alle die<lb/>
u&#x0364;beln Folgen &#x017F;agen wollen, welche daraus flie&#x017F;-<lb/>
fen. Aber woher ent&#x017F;tand die&#x017F;es Uebel? Man<lb/>
bildete &#x017F;ich ein, ein Jnfluxioni&#x017F;t behauptete et-<lb/>
was das ihm doch unbekandt war, und &#x017F;olcher-<lb/>
ge&#x017F;talt konte es nicht fehlen, er mu&#x017F;te auch alle<lb/>
die Ungema&#x0364;chlichkeiten u&#x0364;ber &#x017F;ich nehmen, die<lb/>
aus die&#x017F;er Erdichtung flo&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;er Ur&#x017F;ach<lb/>
wegen, wa&#x0364;re es &#x017F;o uneben eben nicht, wenn<lb/>
man die&#x017F;er Meinung einen andern Nahmen<lb/>
ga&#x0364;be, damit die Niedertra&#x0364;chtigkeit, die Erto&#x0364;d-<lb/>
tung des Lebendigen in der Welt, die &#x017F;pino-<lb/>
zi&#x017F;chti&#x017F;chen Folgen, und das was man nicht<lb/>
einmal noch &#x017F;agen will, auf dieienigen Jnfluxio-<lb/>
ni&#x017F;ten fiele, welche eine &#x017F;olche Meinung behau-<lb/>
pteten. Denn &#x017F;olcherge&#x017F;talt wu&#x0364;rde &#x017F;ich ver-<lb/>
muthlich kein Men&#x017F;ch dadurch beleidiget finden.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 48.</head><lb/>
          <p>So wenig man glauben darf, daß alle Har-<lb/>
moni&#x017F;ten kluge Ko&#x0364;pfe &#x017F;eyn &#x017F;olten, mit eben &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wenig</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0150] einen Mißverſtand dabey haͤtte gerathen koͤn- nen. Wolte man derohalben, dieſer Meinung einen neuen Nahmen beylegen, ſo wuͤrde ihr eine Ehre wiederfahren, die ſie in der That nicht verdienete. Jndeſſen koͤnte doch auch dieſes nicht ſchaden. Man hat die Jnfluxioni- ſten oͤffentlich dergeſtalt gedemuͤthiget, daß ſie ſich ſchaͤmen ſolten, auf der Straſſe in die Hoͤhe zu ſehen. Die niedertraͤchtigſten Gleichniſſe hat dieſe Meinung uͤber ſich nehmen muͤſſen; man hat ſie vor ſpinoziſchtiſch erklaͤret, ia, was noch mehr iſt, man hat nicht einmal alle die uͤbeln Folgen ſagen wollen, welche daraus flieſ- fen. Aber woher entſtand dieſes Uebel? Man bildete ſich ein, ein Jnfluxioniſt behauptete et- was das ihm doch unbekandt war, und ſolcher- geſtalt konte es nicht fehlen, er muſte auch alle die Ungemaͤchlichkeiten uͤber ſich nehmen, die aus dieſer Erdichtung floſſen. Dieſer Urſach wegen, waͤre es ſo uneben eben nicht, wenn man dieſer Meinung einen andern Nahmen gaͤbe, damit die Niedertraͤchtigkeit, die Ertoͤd- tung des Lebendigen in der Welt, die ſpino- ziſchtiſchen Folgen, und das was man nicht einmal noch ſagen will, auf dieienigen Jnfluxio- niſten fiele, welche eine ſolche Meinung behau- pteten. Denn ſolchergeſtalt wuͤrde ſich ver- muthlich kein Menſch dadurch beleidiget finden. §. 48. So wenig man glauben darf, daß alle Har- moniſten kluge Koͤpfe ſeyn ſolten, mit eben ſo wenig

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/150
Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/150>, abgerufen am 26.04.2024.