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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Für Bleichzwecke wurde die chemische Wirkung des elektrischen Stromes von Naudin
und später von W. A. Tichomiroff und A. P. Lidoff benützt. In der Papier- und Textil-
industrie spielt das Chlor als Bleichmittel eine wichtige Rolle. Da sich jedoch das Chlor
weder als Gas, noch in seiner wässerigen Lösung zum Transporte eignet, so verwendet man
eine Sauerstoffverbindung des Chlors, nämlich die unterchlorige Säure in Form ihrer Salze
zu oben genanntem Zwecke. Es sind dies hauptsächlich die unterchlorigsauren Salze von
Calcium (Hauptbestandtheil des Chlorkalkes), Natrium und Kalium. Die beiden letzterwähnten
Bleichsalze stellt man durch Einleiten von Chlorgas in die Lösungen der ätzenden oder kohlen-
sauren Alkalien dar und erhält das hierzu erforderliche Chlor, z. B. durch Behandlung von
Kochsalz und Braunstein mit Schwefelsäure oder des Braunsteines mit Salzsäure. Tichomiroff
und Lidoff erzeugen nun das unterchlorigsaure Salz mit Hilfe des elektrischen Stromes direct
aus den in der Natur vorkommenden Chloriden, z. B. aus dem Kochsalze. Leitet man nämlich
durch die Kochsalz- (Chlornatrium-) Lösung den elektrischen Strom, so zerlegt dieser das
Chlornatrium in seine beiden Bestandtheile Chlor und Natrium; letzteres setzt sich im Augen-
blicke seines Entstehens mit dem Wasser um und bildet Aetznatron. Auf dieses wirkt nun das

[Abbildung] Fig. 566.

Elektrische Bleiche.

gleichfalls durch die Elektrolyse in Freiheit gesetzte Chlor ein und bildet unterchlorigsaures
Natron. Die Menge des durch den elektrischen Strom gebildeten Bleichsalzes hängt nicht nur
von der Intensität des Stromes, sondern auch von der Concentration, der Temperatur, der
chemischen Beschaffenheit der Lösung u. dgl. ab. Da die meisten Metalle durch Chlor angegriffen
werden, wendet man als Elektroden am zweckmäßigsten Kohlenplatten an.

Von den hier in Betracht kommenden Salzen eignet sich zur elektrolytischen Darstellung
einer Bleichflüssigkeit am besten das Chlorkalium. Einfluß übt auch die Entfernung der
Elektroden voneinander und selbstverständlich auch die Zeitdauer der Stromeinwirkung. Das
Bleichen selbst wird in der sonst üblichen Weise durchgeführt. Man befreit zunächst die zu
bleichenden Gewebe von Fett, Harz u. dgl. und taucht sie dann entsprechend lange Zeit in
die Bleichflüssigkeit ein. Da hierbei stets Salzsäure (Chlorwasserstoffsäure) entsteht und auch
Chlor in den Zeugen zurückbleibt, müssen diese nach dem Herausnehmen aus der Bleichsalz-
lösung unter Zusatz von Soda oder Pottasche oder noch besser von Antichlor (Natriumbisulfid,
Natriumhyposulfit u. s. w.) sorgfältig ausgewaschen werden. Tichomiroff und Lidoff glauben die
oben angegebene Darstellung von Bleichflüssigkeiten in der Weise vortheilhaft zur Anwendung
bringen zu können, daß sie die natürlichen Rückstände von Salzseen, Salzsoolen oder Meer-
wasser der Einwirkung elektrischer Ströme aussetzen, welche elektrische, durch Wasserkraft
getriebene Maschinen liefern.

Für Bleichzwecke wurde die chemiſche Wirkung des elektriſchen Stromes von Naudin
und ſpäter von W. A. Tichomiroff und A. P. Lidoff benützt. In der Papier- und Textil-
induſtrie ſpielt das Chlor als Bleichmittel eine wichtige Rolle. Da ſich jedoch das Chlor
weder als Gas, noch in ſeiner wäſſerigen Löſung zum Transporte eignet, ſo verwendet man
eine Sauerſtoffverbindung des Chlors, nämlich die unterchlorige Säure in Form ihrer Salze
zu oben genanntem Zwecke. Es ſind dies hauptſächlich die unterchlorigſauren Salze von
Calcium (Hauptbeſtandtheil des Chlorkalkes), Natrium und Kalium. Die beiden letzterwähnten
Bleichſalze ſtellt man durch Einleiten von Chlorgas in die Löſungen der ätzenden oder kohlen-
ſauren Alkalien dar und erhält das hierzu erforderliche Chlor, z. B. durch Behandlung von
Kochſalz und Braunſtein mit Schwefelſäure oder des Braunſteines mit Salzſäure. Tichomiroff
und Lidoff erzeugen nun das unterchlorigſaure Salz mit Hilfe des elektriſchen Stromes direct
aus den in der Natur vorkommenden Chloriden, z. B. aus dem Kochſalze. Leitet man nämlich
durch die Kochſalz- (Chlornatrium-) Löſung den elektriſchen Strom, ſo zerlegt dieſer das
Chlornatrium in ſeine beiden Beſtandtheile Chlor und Natrium; letzteres ſetzt ſich im Augen-
blicke ſeines Entſtehens mit dem Waſſer um und bildet Aetznatron. Auf dieſes wirkt nun das

[Abbildung] Fig. 566.

Elektriſche Bleiche.

gleichfalls durch die Elektrolyſe in Freiheit geſetzte Chlor ein und bildet unterchlorigſaures
Natron. Die Menge des durch den elektriſchen Strom gebildeten Bleichſalzes hängt nicht nur
von der Intenſität des Stromes, ſondern auch von der Concentration, der Temperatur, der
chemiſchen Beſchaffenheit der Löſung u. dgl. ab. Da die meiſten Metalle durch Chlor angegriffen
werden, wendet man als Elektroden am zweckmäßigſten Kohlenplatten an.

Von den hier in Betracht kommenden Salzen eignet ſich zur elektrolytiſchen Darſtellung
einer Bleichflüſſigkeit am beſten das Chlorkalium. Einfluß übt auch die Entfernung der
Elektroden voneinander und ſelbſtverſtändlich auch die Zeitdauer der Stromeinwirkung. Das
Bleichen ſelbſt wird in der ſonſt üblichen Weiſe durchgeführt. Man befreit zunächſt die zu
bleichenden Gewebe von Fett, Harz u. dgl. und taucht ſie dann entſprechend lange Zeit in
die Bleichflüſſigkeit ein. Da hierbei ſtets Salzſäure (Chlorwaſſerſtoffſäure) entſteht und auch
Chlor in den Zeugen zurückbleibt, müſſen dieſe nach dem Herausnehmen aus der Bleichſalz-
löſung unter Zuſatz von Soda oder Pottaſche oder noch beſſer von Antichlor (Natriumbiſulfid,
Natriumhypoſulfit u. ſ. w.) ſorgfältig ausgewaſchen werden. Tichomiroff und Lidoff glauben die
oben angegebene Darſtellung von Bleichflüſſigkeiten in der Weiſe vortheilhaft zur Anwendung
bringen zu können, daß ſie die natürlichen Rückſtände von Salzſeen, Salzſoolen oder Meer-
waſſer der Einwirkung elektriſcher Ströme ausſetzen, welche elektriſche, durch Waſſerkraft
getriebene Maſchinen liefern.

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[778/0792] Für Bleichzwecke wurde die chemiſche Wirkung des elektriſchen Stromes von Naudin und ſpäter von W. A. Tichomiroff und A. P. Lidoff benützt. In der Papier- und Textil- induſtrie ſpielt das Chlor als Bleichmittel eine wichtige Rolle. Da ſich jedoch das Chlor weder als Gas, noch in ſeiner wäſſerigen Löſung zum Transporte eignet, ſo verwendet man eine Sauerſtoffverbindung des Chlors, nämlich die unterchlorige Säure in Form ihrer Salze zu oben genanntem Zwecke. Es ſind dies hauptſächlich die unterchlorigſauren Salze von Calcium (Hauptbeſtandtheil des Chlorkalkes), Natrium und Kalium. Die beiden letzterwähnten Bleichſalze ſtellt man durch Einleiten von Chlorgas in die Löſungen der ätzenden oder kohlen- ſauren Alkalien dar und erhält das hierzu erforderliche Chlor, z. B. durch Behandlung von Kochſalz und Braunſtein mit Schwefelſäure oder des Braunſteines mit Salzſäure. Tichomiroff und Lidoff erzeugen nun das unterchlorigſaure Salz mit Hilfe des elektriſchen Stromes direct aus den in der Natur vorkommenden Chloriden, z. B. aus dem Kochſalze. Leitet man nämlich durch die Kochſalz- (Chlornatrium-) Löſung den elektriſchen Strom, ſo zerlegt dieſer das Chlornatrium in ſeine beiden Beſtandtheile Chlor und Natrium; letzteres ſetzt ſich im Augen- blicke ſeines Entſtehens mit dem Waſſer um und bildet Aetznatron. Auf dieſes wirkt nun das [Abbildung Fig. 566. Elektriſche Bleiche.] gleichfalls durch die Elektrolyſe in Freiheit geſetzte Chlor ein und bildet unterchlorigſaures Natron. Die Menge des durch den elektriſchen Strom gebildeten Bleichſalzes hängt nicht nur von der Intenſität des Stromes, ſondern auch von der Concentration, der Temperatur, der chemiſchen Beſchaffenheit der Löſung u. dgl. ab. Da die meiſten Metalle durch Chlor angegriffen werden, wendet man als Elektroden am zweckmäßigſten Kohlenplatten an. Von den hier in Betracht kommenden Salzen eignet ſich zur elektrolytiſchen Darſtellung einer Bleichflüſſigkeit am beſten das Chlorkalium. Einfluß übt auch die Entfernung der Elektroden voneinander und ſelbſtverſtändlich auch die Zeitdauer der Stromeinwirkung. Das Bleichen ſelbſt wird in der ſonſt üblichen Weiſe durchgeführt. Man befreit zunächſt die zu bleichenden Gewebe von Fett, Harz u. dgl. und taucht ſie dann entſprechend lange Zeit in die Bleichflüſſigkeit ein. Da hierbei ſtets Salzſäure (Chlorwaſſerſtoffſäure) entſteht und auch Chlor in den Zeugen zurückbleibt, müſſen dieſe nach dem Herausnehmen aus der Bleichſalz- löſung unter Zuſatz von Soda oder Pottaſche oder noch beſſer von Antichlor (Natriumbiſulfid, Natriumhypoſulfit u. ſ. w.) ſorgfältig ausgewaſchen werden. Tichomiroff und Lidoff glauben die oben angegebene Darſtellung von Bleichflüſſigkeiten in der Weiſe vortheilhaft zur Anwendung bringen zu können, daß ſie die natürlichen Rückſtände von Salzſeen, Salzſoolen oder Meer- waſſer der Einwirkung elektriſcher Ströme ausſetzen, welche elektriſche, durch Waſſerkraft getriebene Maſchinen liefern.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 778. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/792>, abgerufen am 27.04.2024.