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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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Elektromagnete dieser werden dadurch erregt und müssen daher auf die stromdurch-
flossenen Spiralen der Armatur ihre anziehende, beziehungsweise abstoßende Kraft
geltend machen. Die Armatur geräth hierdurch, wie dies weiter unten eingehend
erklärt werden soll, in Rotation, welche so lange andauert, als der Strom der
Elektricitätsquelle die Drahtwindungen der Maschine durchfließt. Die Bewegung
der Armatur kann dann, etwa durch Riemscheiben und Riemen, auf irgend eine
Arbeitsmaschine übertragen, d. h. zur Leistung mechanischer Arbeit verwendet werden.
In diesem Falle wird durch die elektrische Maschine Strom in mechanische Arbeit
umgewandelt, also der umgekehrte Proceß bewirkt, wie im ersten Falle. Diese
Eigenschaft der magnetelektrischen Maschinen, durch Aufwand von mechanischer Arbeit
Strom zu liefern und, umgekehrt, durch Einleiten von elektrischen Strömen diese
in mechanische Arbeit umzusetzen, nennt man die Umkehrbarkeit der Maschine.

Das Princip der Umkehrbarkeit ist es, welches eine rationelle Verwendung
der Elektromotoren, welches die elektrische Uebertragung der Kraft ermöglicht. Es
ist dies eines der am längsten bekannten Principien und besitzt allgemeine Geltung:
Wir führen Wärme zu und erhalten Bewegung (Dampfmaschine); umgekehrt,
Bewegung erzeugt Wärme (Reibung). Durch Wärme werden chemische Verbindungen
zersetzt; umgekehrt, bei der Vereinigung von Körpern zu einer chemischen Verbindung
wird Wärme erhalten. Jeder Wirkung entspricht eine Gegenwirkung.

Die Giltigkeit dieses Principes auch für die magnetelektrischen Maschinen
wurde zuerst von Pacinotti (1861) erkannt und auch klar und deutlich aus-
gesprochen (vergl. Seite 357); Siemens beobachtete die Umkehrbarkeit im Jahre
1867. Die Umkehrbarkeit, speciell der Gramme'schen Maschine, wurde experimentell
gezeigt am 11. Juli 1873 in der Pariser physikalischen Gesellschaft. Die erste
öffentlich vorgeführte Kraftübertragung fand im selben Jahre auf der Wiener
Weltausstellung statt. Eine Gramme'sche Maschine mit permanenten Hufeisen-
magneten wurde durch eine Dampfmaschine in Bewegung gesetzt und der hierdurch
erhaltene Strom einer zweiten ebensolchen, etwa 500 Meter weit entfernten
Maschine zugeleitet. Diese gerieth in Rotation und betrieb eine Pumpe. *)

*) Es dürfte hier am Platze sein, Nachstehendes zu bemerken: J. Popper in Wien
stellte an die k. Akademie der Wissenschaften daselbst im Jahre 1882 das Ansuchen, es möge
eine von ihm bei der genannten Körperschaft im Jahre 1862 deponirte, versiegelte Notiz
eröffnet und publicirt werden. Das versiegelte Schreiben trägt die Ueberschrift: "Ueber die
Benützung der Naturkräfte"; hierin heißt es unter Anderem: Der beste Vermittler zur Ueber-
tragung der Kräfte, also gewissermaßen die vortheilhafteste Zwischenmaschine zwischen einem
Motor und einer Arbeitsmaschine, ist die strömende Elektricität; unter Arbeit (an der Arbeits-
maschine) ist sowohl elektrische, als mechanische, als auch chemische verstanden. Naturmotoren, wie
Ebbe und Fluth, heftige Winde in öden Gegenden, Wasserfälle in den Tiefen der Gebirge u. s. w.
können auf diese Weise aus fernen Orten in die Gebiete der Civilisation, in die Umgebung
der passenden, zugehörigen Nebenumstände geleitet werden, die Kraft eines fließenden Wassers
und überhaupt jeder vielleicht thatsächlich verwerthete Motor kann den für den industriellen,
nationalökonomischen Zweck entsprechenderen Bedingungen zugeführt, also in seinem Werthe
vervielfacht werden. In Kurzem, jedes industrielle oder ähnliche Unternehmen könnte in Zukunft
auf ein ungefähres Moximum der Verwerthung, Rentabilität gebracht werden. Unsere technisch-
chemischen Processe können daher durch mechanische hervorgebracht werden, auf directem und
indirectem Wege, unter vollständiger oder theilweiser Benützung der Umwandlung. Dies Alles
ist aber zu bewerkstelligen, wenn der Motor, z. B. der Wasserfall, eine passend aufgestellte
magnetelektrische Maschine bewegt, der hierdurch entstehende galvanische Strom in einer Art
Telegraphenleitung über Berg und Thal geleitet und am gewünschten Orte mittelst einer
magnetelektrischen Maschine zu mechanischer und unmittelbar zu chemischer Arbeit -- also zur
Elektrolyse im Großen -- verwendet wird.
53*

Elektromagnete dieſer werden dadurch erregt und müſſen daher auf die ſtromdurch-
floſſenen Spiralen der Armatur ihre anziehende, beziehungsweiſe abſtoßende Kraft
geltend machen. Die Armatur geräth hierdurch, wie dies weiter unten eingehend
erklärt werden ſoll, in Rotation, welche ſo lange andauert, als der Strom der
Elektricitätsquelle die Drahtwindungen der Maſchine durchfließt. Die Bewegung
der Armatur kann dann, etwa durch Riemſcheiben und Riemen, auf irgend eine
Arbeitsmaſchine übertragen, d. h. zur Leiſtung mechaniſcher Arbeit verwendet werden.
In dieſem Falle wird durch die elektriſche Maſchine Strom in mechaniſche Arbeit
umgewandelt, alſo der umgekehrte Proceß bewirkt, wie im erſten Falle. Dieſe
Eigenſchaft der magnetelektriſchen Maſchinen, durch Aufwand von mechaniſcher Arbeit
Strom zu liefern und, umgekehrt, durch Einleiten von elektriſchen Strömen dieſe
in mechaniſche Arbeit umzuſetzen, nennt man die Umkehrbarkeit der Maſchine.

Das Princip der Umkehrbarkeit iſt es, welches eine rationelle Verwendung
der Elektromotoren, welches die elektriſche Uebertragung der Kraft ermöglicht. Es
iſt dies eines der am längſten bekannten Principien und beſitzt allgemeine Geltung:
Wir führen Wärme zu und erhalten Bewegung (Dampfmaſchine); umgekehrt,
Bewegung erzeugt Wärme (Reibung). Durch Wärme werden chemiſche Verbindungen
zerſetzt; umgekehrt, bei der Vereinigung von Körpern zu einer chemiſchen Verbindung
wird Wärme erhalten. Jeder Wirkung entſpricht eine Gegenwirkung.

Die Giltigkeit dieſes Principes auch für die magnetelektriſchen Maſchinen
wurde zuerſt von Pacinotti (1861) erkannt und auch klar und deutlich aus-
geſprochen (vergl. Seite 357); Siemens beobachtete die Umkehrbarkeit im Jahre
1867. Die Umkehrbarkeit, ſpeciell der Gramme’ſchen Maſchine, wurde experimentell
gezeigt am 11. Juli 1873 in der Pariſer phyſikaliſchen Geſellſchaft. Die erſte
öffentlich vorgeführte Kraftübertragung fand im ſelben Jahre auf der Wiener
Weltausſtellung ſtatt. Eine Gramme’ſche Maſchine mit permanenten Hufeiſen-
magneten wurde durch eine Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt und der hierdurch
erhaltene Strom einer zweiten ebenſolchen, etwa 500 Meter weit entfernten
Maſchine zugeleitet. Dieſe gerieth in Rotation und betrieb eine Pumpe. *)

*) Es dürfte hier am Platze ſein, Nachſtehendes zu bemerken: J. Popper in Wien
ſtellte an die k. Akademie der Wiſſenſchaften daſelbſt im Jahre 1882 das Anſuchen, es möge
eine von ihm bei der genannten Körperſchaft im Jahre 1862 deponirte, verſiegelte Notiz
eröffnet und publicirt werden. Das verſiegelte Schreiben trägt die Ueberſchrift: „Ueber die
Benützung der Naturkräfte“; hierin heißt es unter Anderem: Der beſte Vermittler zur Ueber-
tragung der Kräfte, alſo gewiſſermaßen die vortheilhafteſte Zwiſchenmaſchine zwiſchen einem
Motor und einer Arbeitsmaſchine, iſt die ſtrömende Elektricität; unter Arbeit (an der Arbeits-
maſchine) iſt ſowohl elektriſche, als mechaniſche, als auch chemiſche verſtanden. Naturmotoren, wie
Ebbe und Fluth, heftige Winde in öden Gegenden, Waſſerfälle in den Tiefen der Gebirge u. ſ. w.
können auf dieſe Weiſe aus fernen Orten in die Gebiete der Civiliſation, in die Umgebung
der paſſenden, zugehörigen Nebenumſtände geleitet werden, die Kraft eines fließenden Waſſers
und überhaupt jeder vielleicht thatſächlich verwerthete Motor kann den für den induſtriellen,
nationalökonomiſchen Zweck entſprechenderen Bedingungen zugeführt, alſo in ſeinem Werthe
vervielfacht werden. In Kurzem, jedes induſtrielle oder ähnliche Unternehmen könnte in Zukunft
auf ein ungefähres Moximum der Verwerthung, Rentabilität gebracht werden. Unſere techniſch-
chemiſchen Proceſſe können daher durch mechaniſche hervorgebracht werden, auf directem und
indirectem Wege, unter vollſtändiger oder theilweiſer Benützung der Umwandlung. Dies Alles
iſt aber zu bewerkſtelligen, wenn der Motor, z. B. der Waſſerfall, eine paſſend aufgeſtellte
magnetelektriſche Maſchine bewegt, der hierdurch entſtehende galvaniſche Strom in einer Art
Telegraphenleitung über Berg und Thal geleitet und am gewünſchten Orte mittelſt einer
magnetelektriſchen Maſchine zu mechaniſcher und unmittelbar zu chemiſcher Arbeit — alſo zur
Elektrolyſe im Großen — verwendet wird.
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[835/0849] Elektromagnete dieſer werden dadurch erregt und müſſen daher auf die ſtromdurch- floſſenen Spiralen der Armatur ihre anziehende, beziehungsweiſe abſtoßende Kraft geltend machen. Die Armatur geräth hierdurch, wie dies weiter unten eingehend erklärt werden ſoll, in Rotation, welche ſo lange andauert, als der Strom der Elektricitätsquelle die Drahtwindungen der Maſchine durchfließt. Die Bewegung der Armatur kann dann, etwa durch Riemſcheiben und Riemen, auf irgend eine Arbeitsmaſchine übertragen, d. h. zur Leiſtung mechaniſcher Arbeit verwendet werden. In dieſem Falle wird durch die elektriſche Maſchine Strom in mechaniſche Arbeit umgewandelt, alſo der umgekehrte Proceß bewirkt, wie im erſten Falle. Dieſe Eigenſchaft der magnetelektriſchen Maſchinen, durch Aufwand von mechaniſcher Arbeit Strom zu liefern und, umgekehrt, durch Einleiten von elektriſchen Strömen dieſe in mechaniſche Arbeit umzuſetzen, nennt man die Umkehrbarkeit der Maſchine. Das Princip der Umkehrbarkeit iſt es, welches eine rationelle Verwendung der Elektromotoren, welches die elektriſche Uebertragung der Kraft ermöglicht. Es iſt dies eines der am längſten bekannten Principien und beſitzt allgemeine Geltung: Wir führen Wärme zu und erhalten Bewegung (Dampfmaſchine); umgekehrt, Bewegung erzeugt Wärme (Reibung). Durch Wärme werden chemiſche Verbindungen zerſetzt; umgekehrt, bei der Vereinigung von Körpern zu einer chemiſchen Verbindung wird Wärme erhalten. Jeder Wirkung entſpricht eine Gegenwirkung. Die Giltigkeit dieſes Principes auch für die magnetelektriſchen Maſchinen wurde zuerſt von Pacinotti (1861) erkannt und auch klar und deutlich aus- geſprochen (vergl. Seite 357); Siemens beobachtete die Umkehrbarkeit im Jahre 1867. Die Umkehrbarkeit, ſpeciell der Gramme’ſchen Maſchine, wurde experimentell gezeigt am 11. Juli 1873 in der Pariſer phyſikaliſchen Geſellſchaft. Die erſte öffentlich vorgeführte Kraftübertragung fand im ſelben Jahre auf der Wiener Weltausſtellung ſtatt. Eine Gramme’ſche Maſchine mit permanenten Hufeiſen- magneten wurde durch eine Dampfmaſchine in Bewegung geſetzt und der hierdurch erhaltene Strom einer zweiten ebenſolchen, etwa 500 Meter weit entfernten Maſchine zugeleitet. Dieſe gerieth in Rotation und betrieb eine Pumpe. *) *) Es dürfte hier am Platze ſein, Nachſtehendes zu bemerken: J. Popper in Wien ſtellte an die k. Akademie der Wiſſenſchaften daſelbſt im Jahre 1882 das Anſuchen, es möge eine von ihm bei der genannten Körperſchaft im Jahre 1862 deponirte, verſiegelte Notiz eröffnet und publicirt werden. Das verſiegelte Schreiben trägt die Ueberſchrift: „Ueber die Benützung der Naturkräfte“; hierin heißt es unter Anderem: Der beſte Vermittler zur Ueber- tragung der Kräfte, alſo gewiſſermaßen die vortheilhafteſte Zwiſchenmaſchine zwiſchen einem Motor und einer Arbeitsmaſchine, iſt die ſtrömende Elektricität; unter Arbeit (an der Arbeits- maſchine) iſt ſowohl elektriſche, als mechaniſche, als auch chemiſche verſtanden. Naturmotoren, wie Ebbe und Fluth, heftige Winde in öden Gegenden, Waſſerfälle in den Tiefen der Gebirge u. ſ. w. können auf dieſe Weiſe aus fernen Orten in die Gebiete der Civiliſation, in die Umgebung der paſſenden, zugehörigen Nebenumſtände geleitet werden, die Kraft eines fließenden Waſſers und überhaupt jeder vielleicht thatſächlich verwerthete Motor kann den für den induſtriellen, nationalökonomiſchen Zweck entſprechenderen Bedingungen zugeführt, alſo in ſeinem Werthe vervielfacht werden. In Kurzem, jedes induſtrielle oder ähnliche Unternehmen könnte in Zukunft auf ein ungefähres Moximum der Verwerthung, Rentabilität gebracht werden. Unſere techniſch- chemiſchen Proceſſe können daher durch mechaniſche hervorgebracht werden, auf directem und indirectem Wege, unter vollſtändiger oder theilweiſer Benützung der Umwandlung. Dies Alles iſt aber zu bewerkſtelligen, wenn der Motor, z. B. der Waſſerfall, eine paſſend aufgeſtellte magnetelektriſche Maſchine bewegt, der hierdurch entſtehende galvaniſche Strom in einer Art Telegraphenleitung über Berg und Thal geleitet und am gewünſchten Orte mittelſt einer magnetelektriſchen Maſchine zu mechaniſcher und unmittelbar zu chemiſcher Arbeit — alſo zur Elektrolyſe im Großen — verwendet wird. 53*

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 835. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/849>, abgerufen am 26.04.2024.