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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
nicht an den Tuben, sondern innerhalb des Körpers der Gebärmut[-]
ter selbst stattfinde.

f. Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 68. Embryologie p.
4--6.) berichtet, nachdem er einige, im Ganzen nicht haltbare
Gründe, wie z. B. den fixen Sitz der Placenta, für die Einstül-
pungstheorie angeführt, dass er mehrere Mal die Einstülpung selbst
zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. So fand er fünf Wo-
chen nach der Conception den Uterus durch eine Blase von der
Grösse eines gewöhnlichen Eies ausgedehnt. Diese war mit ei-
ner durchsichtigen und schwach rosenfarbigen Flüssigkeit gefüllt
und durch ein Eichen niedergedrückt, das zur Hälfte noch in der
entsprechenden Tube sass. Sechs bis sieben Wochen nach der
Empfängniss fand er die caduca eben so. Nur entsprach die
Stelle der Niederdrückung durch das Eichen nicht der Mündung
der Tube, sondern dem Grunde der Gebärmutter, wo es auch schon
schwach adhärirte. Aehnliche Verhältnisse hatte er oft an 25 bis
50tägigen, durch Abortus abgegangenen Eiern zu sehen Gelegenheit.

Anhangsweise mögen der Vollständigkeit halber hier noch
die sonderbaren Vorstellungen von Roux (bei Burdach l. c. S. 76.)
und Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 606.) angeführt werden,
dass die decidua reflexa ein Product der Zotten des Chorion sey.

f. Schwinden der hinfälligen Häute.

Da manches hierher Gehörende schon unter den vorhergehen-
den Rubriken berührt worden ist, so werden wir hier nur die
noch fehlenden Rückstände nachholen. Nach W. Hunter (l. c.
S. 79.) wird die decidua, wenn vera und reflexa verschmolzen
sind, nicht nur nicht dicker, sondern dünner. Dieses hat darin
seinen Grund, dass die reflexa ohnehin sehr dünn ist und durch
ihr Hinzutreten die Dicke nicht sehr zu vermehren vermag, die
vera aber mit zunehmender Schwangerschaftszeit immer an Dicke
abnimmt. Lobstein (l. c. S. 8.) fand die reflexa im fünften Mo-
nate so fein, dass sie durchsichtig war und an manchen Stellen
durchlöchert zu seyn schien. Späterhin dagegen ist sie als geson-
dertes Blatt nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Hierin stim-
men die meisten Beobachter auch überein, so wie auch in dem
Punkte, dass die aus beiden wiederum verschmolzene hinfällige
Haut bis zur Geburt verharrt und dann theils mit der Placenta,
theils mit den Lochien ausgestossen wird. Carus (l. c. S. 9.) ist

III. Das Ei während der Fruchtentwickelung.
nicht an den Tuben, sondern innerhalb des Körpers der Gebärmut[-]
ter selbst stattfinde.

f. Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 68. Embryologie p.
4—6.) berichtet, nachdem er einige, im Ganzen nicht haltbare
Gründe, wie z. B. den fixen Sitz der Placenta, für die Einstül-
pungstheorie angeführt, daſs er mehrere Mal die Einstülpung selbst
zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. So fand er fünf Wo-
chen nach der Conception den Uterus durch eine Blase von der
Gröſse eines gewöhnlichen Eies ausgedehnt. Diese war mit ei-
ner durchsichtigen und schwach rosenfarbigen Flüssigkeit gefüllt
und durch ein Eichen niedergedrückt, das zur Hälfte noch in der
entsprechenden Tube saſs. Sechs bis sieben Wochen nach der
Empfängniſs fand er die caduca eben so. Nur entsprach die
Stelle der Niederdrückung durch das Eichen nicht der Mündung
der Tube, sondern dem Grunde der Gebärmutter, wo es auch schon
schwach adhärirte. Aehnliche Verhältnisse hatte er oft an 25 bis
50tägigen, durch Abortus abgegangenen Eiern zu sehen Gelegenheit.

Anhangsweise mögen der Vollständigkeit halber hier noch
die sonderbaren Vorstellungen von Roux (bei Burdach l. c. S. 76.)
und Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 606.) angeführt werden,
daſs die decidua reflexa ein Product der Zotten des Chorion sey.

f. Schwinden der hinfälligen Häute.

Da manches hierher Gehörende schon unter den vorhergehen-
den Rubriken berührt worden ist, so werden wir hier nur die
noch fehlenden Rückstände nachholen. Nach W. Hunter (l. c.
S. 79.) wird die decidua, wenn vera und reflexa verschmolzen
sind, nicht nur nicht dicker, sondern dünner. Dieses hat darin
seinen Grund, daſs die reflexa ohnehin sehr dünn ist und durch
ihr Hinzutreten die Dicke nicht sehr zu vermehren vermag, die
vera aber mit zunehmender Schwangerschaftszeit immer an Dicke
abnimmt. Lobstein (l. c. S. 8.) fand die reflexa im fünften Mo-
nate so fein, daſs sie durchsichtig war und an manchen Stellen
durchlöchert zu seyn schien. Späterhin dagegen ist sie als geson-
dertes Blatt nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Hierin stim-
men die meisten Beobachter auch überein, so wie auch in dem
Punkte, daſs die aus beiden wiederum verschmolzene hinfällige
Haut bis zur Geburt verharrt und dann theils mit der Placenta,
theils mit den Lochien ausgestoſsen wird. Carus (l. c. S. 9.) ist

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[70/0098] III. Das Ei während der Fruchtentwickelung. nicht an den Tuben, sondern innerhalb des Körpers der Gebärmut- ter selbst stattfinde. f. Velpeau (Heusingers Zeitschr. II. S. 68. Embryologie p. 4—6.) berichtet, nachdem er einige, im Ganzen nicht haltbare Gründe, wie z. B. den fixen Sitz der Placenta, für die Einstül- pungstheorie angeführt, daſs er mehrere Mal die Einstülpung selbst zu beobachten Gelegenheit gehabt hätte. So fand er fünf Wo- chen nach der Conception den Uterus durch eine Blase von der Gröſse eines gewöhnlichen Eies ausgedehnt. Diese war mit ei- ner durchsichtigen und schwach rosenfarbigen Flüssigkeit gefüllt und durch ein Eichen niedergedrückt, das zur Hälfte noch in der entsprechenden Tube saſs. Sechs bis sieben Wochen nach der Empfängniſs fand er die caduca eben so. Nur entsprach die Stelle der Niederdrückung durch das Eichen nicht der Mündung der Tube, sondern dem Grunde der Gebärmutter, wo es auch schon schwach adhärirte. Aehnliche Verhältnisse hatte er oft an 25 bis 50tägigen, durch Abortus abgegangenen Eiern zu sehen Gelegenheit. Anhangsweise mögen der Vollständigkeit halber hier noch die sonderbaren Vorstellungen von Roux (bei Burdach l. c. S. 76.) und Alessandrini (Meckels Arch. V. S. 606.) angeführt werden, daſs die decidua reflexa ein Product der Zotten des Chorion sey. f. Schwinden der hinfälligen Häute. Da manches hierher Gehörende schon unter den vorhergehen- den Rubriken berührt worden ist, so werden wir hier nur die noch fehlenden Rückstände nachholen. Nach W. Hunter (l. c. S. 79.) wird die decidua, wenn vera und reflexa verschmolzen sind, nicht nur nicht dicker, sondern dünner. Dieses hat darin seinen Grund, daſs die reflexa ohnehin sehr dünn ist und durch ihr Hinzutreten die Dicke nicht sehr zu vermehren vermag, die vera aber mit zunehmender Schwangerschaftszeit immer an Dicke abnimmt. Lobstein (l. c. S. 8.) fand die reflexa im fünften Mo- nate so fein, daſs sie durchsichtig war und an manchen Stellen durchlöchert zu seyn schien. Späterhin dagegen ist sie als geson- dertes Blatt nicht mehr deutlich zu unterscheiden. Hierin stim- men die meisten Beobachter auch überein, so wie auch in dem Punkte, daſs die aus beiden wiederum verschmolzene hinfällige Haut bis zur Geburt verharrt und dann theils mit der Placenta, theils mit den Lochien ausgestoſsen wird. Carus (l. c. S. 9.) ist

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/98>, abgerufen am 27.04.2024.