Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

auch hierin also unter seinen Jüngern sich als über¬
ragender Meister behauptend, denn Galliamben aus
dem Stegreife, wem außer ihm hätte das nur einfallen
dürfen! Leider kann ich in meinen Papieren diese beiden
Verse nirgends auffinden, und in meinem Gedächtniß
nicht vollständig. Die herrlichste Stimmung dauerte
nun fort, viel heiteres und wichtiges Philologische kam
zur Sprache, man beredete fester die Herausgabe des
Museums der Altertumswissenschaft, und ich weiß
kaum ein zweites Fest, das durchgängig in so schönem
Ausdruck geistiger Erregung verblieben wäre.

Wenn nicht irgend eine schaffende Richtung sich
damit verbindet, so lassen Fleiß und Eifer in den Studien
nicht viel Besonderes von sich sagen, das bloße Erler¬
nen stellt sich nur als einförmige Wiederholung dar.
Letzteres war jetzt mein Fall; mir ging eigentlich nirgends
ein neues Licht auf, ich suchte mir in bekannten Fel¬
dern nur immer größeres Material anzueignen, ich ver¬
säumte die Kollegia selten, und eilte ihnen in meinen
Vorbereitungen oft nur allzu weit voraus, was freilich
nur um so leichter zur Folge hatte, daß sie gegen den
Schluß mir unerträglich wurden, und ich sie meist eine
Zeit vorher schon aufgab. Die vielen Verhältnisse und
Zwischenspiele störten mich in meinen Arbeiten zuweilen,
diese bekamen aber auch neue Frische und Stärke durch
die Anregungen, von denen ich ergriffen, aber nicht
erfüllt wurde. Im Gegentheil, mit jedem Tage mehrte

2*

auch hierin alſo unter ſeinen Juͤngern ſich als uͤber¬
ragender Meiſter behauptend, denn Galliamben aus
dem Stegreife, wem außer ihm haͤtte das nur einfallen
duͤrfen! Leider kann ich in meinen Papieren dieſe beiden
Verſe nirgends auffinden, und in meinem Gedaͤchtniß
nicht vollſtaͤndig. Die herrlichſte Stimmung dauerte
nun fort, viel heiteres und wichtiges Philologiſche kam
zur Sprache, man beredete feſter die Herausgabe des
Muſeums der Altertumswiſſenſchaft, und ich weiß
kaum ein zweites Feſt, das durchgaͤngig in ſo ſchoͤnem
Ausdruck geiſtiger Erregung verblieben waͤre.

Wenn nicht irgend eine ſchaffende Richtung ſich
damit verbindet, ſo laſſen Fleiß und Eifer in den Studien
nicht viel Beſonderes von ſich ſagen, das bloße Erler¬
nen ſtellt ſich nur als einfoͤrmige Wiederholung dar.
Letzteres war jetzt mein Fall; mir ging eigentlich nirgends
ein neues Licht auf, ich ſuchte mir in bekannten Fel¬
dern nur immer groͤßeres Material anzueignen, ich ver¬
ſaͤumte die Kollegia ſelten, und eilte ihnen in meinen
Vorbereitungen oft nur allzu weit voraus, was freilich
nur um ſo leichter zur Folge hatte, daß ſie gegen den
Schluß mir unertraͤglich wurden, und ich ſie meiſt eine
Zeit vorher ſchon aufgab. Die vielen Verhaͤltniſſe und
Zwiſchenſpiele ſtoͤrten mich in meinen Arbeiten zuweilen,
dieſe bekamen aber auch neue Friſche und Staͤrke durch
die Anregungen, von denen ich ergriffen, aber nicht
erfuͤllt wurde. Im Gegentheil, mit jedem Tage mehrte

2*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0031" n="19"/>
auch hierin al&#x017F;o unter &#x017F;einen Ju&#x0364;ngern &#x017F;ich als u&#x0364;ber¬<lb/>
ragender Mei&#x017F;ter behauptend, denn Galliamben aus<lb/>
dem Stegreife, wem außer ihm ha&#x0364;tte das nur einfallen<lb/>
du&#x0364;rfen! Leider kann ich in meinen Papieren die&#x017F;e beiden<lb/>
Ver&#x017F;e nirgends auffinden, und in meinem Geda&#x0364;chtniß<lb/>
nicht voll&#x017F;ta&#x0364;ndig. Die herrlich&#x017F;te Stimmung dauerte<lb/>
nun fort, viel heiteres und wichtiges Philologi&#x017F;che kam<lb/>
zur Sprache, man beredete fe&#x017F;ter die Herausgabe des<lb/>
Mu&#x017F;eums der Altertumswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, und ich weiß<lb/>
kaum ein zweites Fe&#x017F;t, das durchga&#x0364;ngig in &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;nem<lb/>
Ausdruck gei&#x017F;tiger Erregung verblieben wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Wenn nicht irgend eine &#x017F;chaffende Richtung &#x017F;ich<lb/>
damit verbindet, &#x017F;o la&#x017F;&#x017F;en Fleiß und Eifer in den Studien<lb/>
nicht viel Be&#x017F;onderes von &#x017F;ich &#x017F;agen, das bloße Erler¬<lb/>
nen &#x017F;tellt &#x017F;ich nur als einfo&#x0364;rmige Wiederholung dar.<lb/>
Letzteres war jetzt mein Fall; mir ging eigentlich nirgends<lb/>
ein neues Licht auf, ich &#x017F;uchte mir in bekannten Fel¬<lb/>
dern nur immer gro&#x0364;ßeres Material anzueignen, ich ver¬<lb/>
&#x017F;a&#x0364;umte die Kollegia &#x017F;elten, und eilte ihnen in meinen<lb/>
Vorbereitungen oft nur allzu weit voraus, was freilich<lb/>
nur um &#x017F;o leichter zur Folge hatte, daß &#x017F;ie gegen den<lb/>
Schluß mir unertra&#x0364;glich wurden, und ich &#x017F;ie mei&#x017F;t eine<lb/>
Zeit vorher &#x017F;chon aufgab. Die vielen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e und<lb/>
Zwi&#x017F;chen&#x017F;piele &#x017F;to&#x0364;rten mich in meinen Arbeiten zuweilen,<lb/>
die&#x017F;e bekamen aber auch neue Fri&#x017F;che und Sta&#x0364;rke durch<lb/>
die Anregungen, von denen ich ergriffen, aber nicht<lb/>
erfu&#x0364;llt wurde. Im Gegentheil, mit jedem Tage mehrte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#b">2</hi>*<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[19/0031] auch hierin alſo unter ſeinen Juͤngern ſich als uͤber¬ ragender Meiſter behauptend, denn Galliamben aus dem Stegreife, wem außer ihm haͤtte das nur einfallen duͤrfen! Leider kann ich in meinen Papieren dieſe beiden Verſe nirgends auffinden, und in meinem Gedaͤchtniß nicht vollſtaͤndig. Die herrlichſte Stimmung dauerte nun fort, viel heiteres und wichtiges Philologiſche kam zur Sprache, man beredete feſter die Herausgabe des Muſeums der Altertumswiſſenſchaft, und ich weiß kaum ein zweites Feſt, das durchgaͤngig in ſo ſchoͤnem Ausdruck geiſtiger Erregung verblieben waͤre. Wenn nicht irgend eine ſchaffende Richtung ſich damit verbindet, ſo laſſen Fleiß und Eifer in den Studien nicht viel Beſonderes von ſich ſagen, das bloße Erler¬ nen ſtellt ſich nur als einfoͤrmige Wiederholung dar. Letzteres war jetzt mein Fall; mir ging eigentlich nirgends ein neues Licht auf, ich ſuchte mir in bekannten Fel¬ dern nur immer groͤßeres Material anzueignen, ich ver¬ ſaͤumte die Kollegia ſelten, und eilte ihnen in meinen Vorbereitungen oft nur allzu weit voraus, was freilich nur um ſo leichter zur Folge hatte, daß ſie gegen den Schluß mir unertraͤglich wurden, und ich ſie meiſt eine Zeit vorher ſchon aufgab. Die vielen Verhaͤltniſſe und Zwiſchenſpiele ſtoͤrten mich in meinen Arbeiten zuweilen, dieſe bekamen aber auch neue Friſche und Staͤrke durch die Anregungen, von denen ich ergriffen, aber nicht erfuͤllt wurde. Im Gegentheil, mit jedem Tage mehrte 2*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/31
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Karl August: Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften. Bd. 3. Mannheim, 1838, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_denkwuerdigkeiten03_1838/31>, abgerufen am 27.04.2024.