Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

schwere Belastung des Herzens und schmerzliche Thränengebete.
Ich traute mich nicht, mich zu freuen! O! die ganze Natur
ist still: und der kleinlich wüthende Mensch, ohne direkten
Willen, stört sie, und den Frieden! Eins ist gewiß, August:
ist nur Friede, bleibst du nur leben, und wir haben auch noch
so wenig: in einem Thal wie hier, können wir reichlich und
glücklich mit einander leben. -- --



An Ernestine Robert, in Brünn.


Gestern, liebe Ernestine! erhielt ich erst einen Brief aus
Reinerz, der neun Tage unterwegs war, von Markus, der
mir auch Ihren von Troppau mitbrachte. Ich bin seit vier-
zehn Tagen hier: sehr gut aufgenommen -- die Details habe
ich zu oft schreiben müssen seit ich hier bin, ohne nur in der
Welt zu wissen ob auch die Briefe ankommen. Sie erlassen
sie mir also heute --, aber in welcher Seelenverfassung, mö-
gen Sie beurtheilen! Vom Lande, von Geldquellen, von Nach-
richten, von Freunden abgeschnitten: ohne Heimath (denn ein
Quartier habe ich überhaupt nicht), und ohne zu wissen, ob
sie sich wieder herstellt. Spät erst erfuhr ich durch Reisende,
wo Markus war -- zwei Posten von Reinerz, wo er nun
wieder ist -- und durchaus konnte ich nicht ergründen wo Sie
geblieben waren; erst vor acht Tagen erfuhr ich es. Stellen
Sie sich also vor, wie mich Ihr Brief freut! ich hatte ihn
nicht eine Viertelstunde, als mir Louis, mein Bruder, einen von

ſchwere Belaſtung des Herzens und ſchmerzliche Thränengebete.
Ich traute mich nicht, mich zu freuen! O! die ganze Natur
iſt ſtill: und der kleinlich wüthende Menſch, ohne direkten
Willen, ſtört ſie, und den Frieden! Eins iſt gewiß, Auguſt:
iſt nur Friede, bleibſt du nur leben, und wir haben auch noch
ſo wenig: in einem Thal wie hier, können wir reichlich und
glücklich mit einander leben. — —



An Erneſtine Robert, in Brünn.


Geſtern, liebe Erneſtine! erhielt ich erſt einen Brief aus
Reinerz, der neun Tage unterwegs war, von Markus, der
mir auch Ihren von Troppau mitbrachte. Ich bin ſeit vier-
zehn Tagen hier: ſehr gut aufgenommen — die Details habe
ich zu oft ſchreiben müſſen ſeit ich hier bin, ohne nur in der
Welt zu wiſſen ob auch die Briefe ankommen. Sie erlaſſen
ſie mir alſo heute —, aber in welcher Seelenverfaſſung, mö-
gen Sie beurtheilen! Vom Lande, von Geldquellen, von Nach-
richten, von Freunden abgeſchnitten: ohne Heimath (denn ein
Quartier habe ich überhaupt nicht), und ohne zu wiſſen, ob
ſie ſich wieder herſtellt. Spät erſt erfuhr ich durch Reiſende,
wo Markus war — zwei Poſten von Reinerz, wo er nun
wieder iſt — und durchaus konnte ich nicht ergründen wo Sie
geblieben waren; erſt vor acht Tagen erfuhr ich es. Stellen
Sie ſich alſo vor, wie mich Ihr Brief freut! ich hatte ihn
nicht eine Viertelſtunde, als mir Louis, mein Bruder, einen von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0106" n="98"/>
&#x017F;chwere Bela&#x017F;tung des Herzens und &#x017F;chmerzliche Thränengebete.<lb/>
Ich traute mich nicht, mich zu freuen! O! die ganze Natur<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;till: und der kleinlich wüthende Men&#x017F;ch, ohne direkten<lb/>
Willen, &#x017F;tört &#x017F;ie, und den <hi rendition="#g">Frieden</hi>! Eins i&#x017F;t gewiß, Augu&#x017F;t:<lb/>
i&#x017F;t nur Friede, bleib&#x017F;t du nur leben, und wir haben auch noch<lb/>
&#x017F;o wenig: in einem Thal wie hier, können wir reichlich und<lb/>
glücklich mit einander leben. &#x2014; &#x2014;</p>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#et">An Erne&#x017F;tine Robert, in Brünn.</hi> </head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Prag, Sonnabend den 18. Juni 1813.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ge&#x017F;tern, liebe Erne&#x017F;tine! erhielt ich er&#x017F;t einen Brief aus<lb/>
Reinerz, der neun Tage unterwegs war, von Markus, der<lb/>
mir auch Ihren von Troppau mitbrachte. Ich bin &#x017F;eit vier-<lb/>
zehn Tagen hier: &#x017F;ehr gut aufgenommen &#x2014; die Details habe<lb/>
ich zu oft &#x017F;chreiben mü&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eit ich hier bin, ohne nur in der<lb/>
Welt zu wi&#x017F;&#x017F;en ob auch die Briefe ankommen. Sie erla&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;ie mir al&#x017F;o heute &#x2014;, aber in welcher Seelenverfa&#x017F;&#x017F;ung, mö-<lb/>
gen Sie beurtheilen! Vom Lande, von Geldquellen, von Nach-<lb/>
richten, von Freunden abge&#x017F;chnitten: ohne Heimath (denn ein<lb/>
Quartier habe ich überhaupt nicht), und ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en, ob<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich wieder her&#x017F;tellt. Spät er&#x017F;t erfuhr ich durch Rei&#x017F;ende,<lb/>
wo Markus war &#x2014; zwei Po&#x017F;ten von Reinerz, wo er nun<lb/>
wieder i&#x017F;t &#x2014; und durchaus konnte ich nicht ergründen wo Sie<lb/>
geblieben waren; er&#x017F;t vor acht Tagen erfuhr ich es. Stellen<lb/>
Sie &#x017F;ich al&#x017F;o vor, wie mich Ihr Brief freut! ich hatte ihn<lb/>
nicht eine Viertel&#x017F;tunde, als mir Louis, mein Bruder, einen von<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0106] ſchwere Belaſtung des Herzens und ſchmerzliche Thränengebete. Ich traute mich nicht, mich zu freuen! O! die ganze Natur iſt ſtill: und der kleinlich wüthende Menſch, ohne direkten Willen, ſtört ſie, und den Frieden! Eins iſt gewiß, Auguſt: iſt nur Friede, bleibſt du nur leben, und wir haben auch noch ſo wenig: in einem Thal wie hier, können wir reichlich und glücklich mit einander leben. — — An Erneſtine Robert, in Brünn. Prag, Sonnabend den 18. Juni 1813. Geſtern, liebe Erneſtine! erhielt ich erſt einen Brief aus Reinerz, der neun Tage unterwegs war, von Markus, der mir auch Ihren von Troppau mitbrachte. Ich bin ſeit vier- zehn Tagen hier: ſehr gut aufgenommen — die Details habe ich zu oft ſchreiben müſſen ſeit ich hier bin, ohne nur in der Welt zu wiſſen ob auch die Briefe ankommen. Sie erlaſſen ſie mir alſo heute —, aber in welcher Seelenverfaſſung, mö- gen Sie beurtheilen! Vom Lande, von Geldquellen, von Nach- richten, von Freunden abgeſchnitten: ohne Heimath (denn ein Quartier habe ich überhaupt nicht), und ohne zu wiſſen, ob ſie ſich wieder herſtellt. Spät erſt erfuhr ich durch Reiſende, wo Markus war — zwei Poſten von Reinerz, wo er nun wieder iſt — und durchaus konnte ich nicht ergründen wo Sie geblieben waren; erſt vor acht Tagen erfuhr ich es. Stellen Sie ſich alſo vor, wie mich Ihr Brief freut! ich hatte ihn nicht eine Viertelſtunde, als mir Louis, mein Bruder, einen von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/106
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 2. Berlin, 1834, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel02_1834/106>, abgerufen am 26.04.2024.