Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

zu oft leidend, das Wetter zu nord östlich, und ich zu sehr
mit Heilung grade jetzt beschäftigt, und daher veranlaßt ge-
wesen, ihm schon einige Rendezvous abzuschlagen. --

Es ist gut, wenn einmal ein Freund uns ganz persönlich
schaut, und auch unterhaltend für ihn: darum scheue ich mich
gar nicht, Ihnen mein Bild von einer Stunde zu schicken,
und diese Stunde als Rahmen. Dabei haben Sie ein Stück-
chen von unserer Kunst, Theater und anderem erfahren, und
wie ein Schnipfelchen des geselligen Verkehrs dazwischen fliegt!
-- Adieu denn! V. war wieder hier, und sagt, es wird spät.
Eilender kann ich nicht. Er wollte erst gar nicht schreiben,
darum bot ich mich an. Nur noch dies Wort über Thiers,
den Sie erwähnen. Ich vergaß Ihnen noch zu schreiben, daß
bestimmt ein Finanzminister in ihm sitzt. Mir bürgt sein Ar-
tikel Marseille dafür. Er sieht die reinen faits: oder vielmehr
sucht die nur: keine Parthei und Klasse hat Einfluß; nur das
was eigentlich sein soll. Adieu für heute! Nächstens mehr!

Fr. V.


Wenn Eltern oder Kinderpfleger etwa bis zum dritten
Jahre ihren Zöglingen so gerne Züge von Verstand, Auf-
fassungsvermögen, einer Art von Witz, kleiner List oder auch
nur des Gedächtnisses, nacherzählen, so ist das nicht nur
aus Eitelkeit, oder Vorliebe für ein bestimmtes Kind. Es
ist weit mehr das mit Recht wiederkehrende Erstaunen, der
unergründliche Zauber, das Wunder eines erwachenden Er-
kenntnisses! Wo beginnt es, wo kommt es her? Das möchten
wir immer von neuem wissen, von neuem belauschen; und nie

zu oft leidend, das Wetter zu nord öſtlich, und ich zu ſehr
mit Heilung grade jetzt beſchäftigt, und daher veranlaßt ge-
weſen, ihm ſchon einige Rendezvous abzuſchlagen. —

Es iſt gut, wenn einmal ein Freund uns ganz perſönlich
ſchaut, und auch unterhaltend für ihn: darum ſcheue ich mich
gar nicht, Ihnen mein Bild von einer Stunde zu ſchicken,
und dieſe Stunde als Rahmen. Dabei haben Sie ein Stück-
chen von unſerer Kunſt, Theater und anderem erfahren, und
wie ein Schnipfelchen des geſelligen Verkehrs dazwiſchen fliegt!
— Adieu denn! V. war wieder hier, und ſagt, es wird ſpät.
Eilender kann ich nicht. Er wollte erſt gar nicht ſchreiben,
darum bot ich mich an. Nur noch dies Wort über Thiers,
den Sie erwähnen. Ich vergaß Ihnen noch zu ſchreiben, daß
beſtimmt ein Finanzminiſter in ihm ſitzt. Mir bürgt ſein Ar-
tikel Marſeille dafür. Er ſieht die reinen faits: oder vielmehr
ſucht die nur: keine Parthei und Klaſſe hat Einfluß; nur das
was eigentlich ſein ſoll. Adieu für heute! Nächſtens mehr!

Fr. V.


Wenn Eltern oder Kinderpfleger etwa bis zum dritten
Jahre ihren Zöglingen ſo gerne Züge von Verſtand, Auf-
faſſungsvermögen, einer Art von Witz, kleiner Liſt oder auch
nur des Gedächtniſſes, nacherzählen, ſo iſt das nicht nur
aus Eitelkeit, oder Vorliebe für ein beſtimmtes Kind. Es
iſt weit mehr das mit Recht wiederkehrende Erſtaunen, der
unergründliche Zauber, das Wunder eines erwachenden Er-
kenntniſſes! Wo beginnt es, wo kommt es her? Das möchten
wir immer von neuem wiſſen, von neuem belauſchen; und nie

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0101" n="93"/>
zu oft leidend, das Wetter zu nord ö&#x017F;tlich, und ich zu &#x017F;ehr<lb/>
mit Heilung grade jetzt be&#x017F;chäftigt, und daher veranlaßt ge-<lb/>
we&#x017F;en, ihm &#x017F;chon einige Rendezvous abzu&#x017F;chlagen. &#x2014;</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t gut, wenn einmal ein Freund uns ganz per&#x017F;önlich<lb/>
&#x017F;chaut, und auch unterhaltend für ihn: darum &#x017F;cheue ich mich<lb/>
gar nicht, Ihnen mein Bild von einer Stunde zu &#x017F;chicken,<lb/>
und die&#x017F;e Stunde als Rahmen. Dabei haben Sie ein Stück-<lb/>
chen von un&#x017F;erer Kun&#x017F;t, Theater und anderem erfahren, und<lb/>
wie ein Schnipfelchen des ge&#x017F;elligen Verkehrs dazwi&#x017F;chen fliegt!<lb/>
&#x2014; Adieu denn! V. war wieder hier, und &#x017F;agt, es wird &#x017F;pät.<lb/>
Eilender kann ich nicht. Er wollte er&#x017F;t gar nicht &#x017F;chreiben,<lb/>
darum bot ich mich an. Nur noch dies Wort über Thiers,<lb/>
den Sie erwähnen. Ich vergaß Ihnen noch zu &#x017F;chreiben, daß<lb/>
be&#x017F;timmt ein Finanzmini&#x017F;ter in ihm &#x017F;itzt. Mir bürgt &#x017F;ein Ar-<lb/>
tikel Mar&#x017F;eille dafür. Er &#x017F;ieht die reinen <hi rendition="#aq">faits:</hi> oder vielmehr<lb/>
&#x017F;ucht die nur: keine Parthei und Kla&#x017F;&#x017F;e hat Einfluß; nur das<lb/>
was eigentlich &#x017F;ein &#x017F;oll. Adieu für heute! Näch&#x017F;tens mehr!</p><lb/>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et">Fr. V.</hi> </salute>
            </closer>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <p>Wenn Eltern oder Kinderpfleger etwa bis zum dritten<lb/>
Jahre ihren Zöglingen &#x017F;o gerne Züge von Ver&#x017F;tand, Auf-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ungsvermögen, einer Art von Witz, kleiner Li&#x017F;t oder auch<lb/>
nur des Gedächtni&#x017F;&#x017F;es, nacherzählen, &#x017F;o i&#x017F;t das nicht nur<lb/>
aus Eitelkeit, oder Vorliebe für ein be&#x017F;timmtes Kind. Es<lb/>
i&#x017F;t weit mehr das mit Recht wiederkehrende Er&#x017F;taunen, der<lb/>
unergründliche Zauber, das Wunder eines erwachenden Er-<lb/>
kenntni&#x017F;&#x017F;es! Wo beginnt es, wo kommt es her? Das möchten<lb/>
wir immer von neuem wi&#x017F;&#x017F;en, von neuem belau&#x017F;chen; und nie<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0101] zu oft leidend, das Wetter zu nord öſtlich, und ich zu ſehr mit Heilung grade jetzt beſchäftigt, und daher veranlaßt ge- weſen, ihm ſchon einige Rendezvous abzuſchlagen. — Es iſt gut, wenn einmal ein Freund uns ganz perſönlich ſchaut, und auch unterhaltend für ihn: darum ſcheue ich mich gar nicht, Ihnen mein Bild von einer Stunde zu ſchicken, und dieſe Stunde als Rahmen. Dabei haben Sie ein Stück- chen von unſerer Kunſt, Theater und anderem erfahren, und wie ein Schnipfelchen des geſelligen Verkehrs dazwiſchen fliegt! — Adieu denn! V. war wieder hier, und ſagt, es wird ſpät. Eilender kann ich nicht. Er wollte erſt gar nicht ſchreiben, darum bot ich mich an. Nur noch dies Wort über Thiers, den Sie erwähnen. Ich vergaß Ihnen noch zu ſchreiben, daß beſtimmt ein Finanzminiſter in ihm ſitzt. Mir bürgt ſein Ar- tikel Marſeille dafür. Er ſieht die reinen faits: oder vielmehr ſucht die nur: keine Parthei und Klaſſe hat Einfluß; nur das was eigentlich ſein ſoll. Adieu für heute! Nächſtens mehr! Fr. V. Wenn Eltern oder Kinderpfleger etwa bis zum dritten Jahre ihren Zöglingen ſo gerne Züge von Verſtand, Auf- faſſungsvermögen, einer Art von Witz, kleiner Liſt oder auch nur des Gedächtniſſes, nacherzählen, ſo iſt das nicht nur aus Eitelkeit, oder Vorliebe für ein beſtimmtes Kind. Es iſt weit mehr das mit Recht wiederkehrende Erſtaunen, der unergründliche Zauber, das Wunder eines erwachenden Er- kenntniſſes! Wo beginnt es, wo kommt es her? Das möchten wir immer von neuem wiſſen, von neuem belauſchen; und nie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/101
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/101>, abgerufen am 27.04.2024.