Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

rath, diesen Abend bei uns zuzubringen! Punkto 7 soll Thee
kommen, und alles was folgt will ich so beschleunigen, daß
Sie um halb 11 Uhr schon mit allen Sorten von Geist, und
stillen Geistern bei sich sollen konversiren können.

Führen Sie den Zauberstreich aus, aus Fasanen Tauben
zu machen: zum Lohn soll Ihnen der umgekehrte Schlag zu
Gebote stehn! Ergebenst

Fr. V.


(Mündlich.)

"Der junge Graf X. ist ganz unzufrieden gegen die Welt
gestellt. Er fühlt überall höchst unbequem das Bornirte, und
daß es in ihm liegt, weiß er noch nicht."





Die Seele ersetzt gleich wieder, wie an Wurzeln; sobald
sie aus ihren Tiefen das Geheimste an's Tageslicht gesagt
hat, so bilden sich gleich wieder in ihrem Grund neue Geheim-
nisse. Der Vergleich ist ganz richtig, und läßt sich weiter
führen. Daher hat man wohl mit Unrecht die Scheu Lang-
verschwiegenes, erst spät und heimlich Fertiggewordenes mit-
zutheilen; fühlt man nur Boden und Sonne; behalten wir
nur Herz und Geist!




Sehr schwer ist es über einen Irrthum zu sprechen; bei-
nah gar nicht! Jeder Irrthum setzt viele andere voraus, und
hat Nachkommenschaft; und allermeist geräth man auch im

9 *

rath, dieſen Abend bei uns zuzubringen! Punkto 7 ſoll Thee
kommen, und alles was folgt will ich ſo beſchleunigen, daß
Sie um halb 11 Uhr ſchon mit allen Sorten von Geiſt, und
ſtillen Geiſtern bei ſich ſollen konverſiren können.

Führen Sie den Zauberſtreich aus, aus Faſanen Tauben
zu machen: zum Lohn ſoll Ihnen der umgekehrte Schlag zu
Gebote ſtehn! Ergebenſt

Fr. V.


(Mündlich.)

„Der junge Graf X. iſt ganz unzufrieden gegen die Welt
geſtellt. Er fühlt überall höchſt unbequem das Bornirte, und
daß es in ihm liegt, weiß er noch nicht.“





Die Seele erſetzt gleich wieder, wie an Wurzeln; ſobald
ſie aus ihren Tiefen das Geheimſte an’s Tageslicht geſagt
hat, ſo bilden ſich gleich wieder in ihrem Grund neue Geheim-
niſſe. Der Vergleich iſt ganz richtig, und läßt ſich weiter
führen. Daher hat man wohl mit Unrecht die Scheu Lang-
verſchwiegenes, erſt ſpät und heimlich Fertiggewordenes mit-
zutheilen; fühlt man nur Boden und Sonne; behalten wir
nur Herz und Geiſt!




Sehr ſchwer iſt es über einen Irrthum zu ſprechen; bei-
nah gar nicht! Jeder Irrthum ſetzt viele andere voraus, und
hat Nachkommenſchaft; und allermeiſt geräth man auch im

9 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0139" n="131"/>
rath, die&#x017F;en Abend bei uns zuzubringen! Punkto 7 &#x017F;oll Thee<lb/>
kommen, und alles was folgt will ich &#x017F;o be&#x017F;chleunigen, daß<lb/>
Sie um halb 11 Uhr &#x017F;chon mit allen Sorten von Gei&#x017F;t, und<lb/>
&#x017F;tillen Gei&#x017F;tern bei &#x017F;ich &#x017F;ollen konver&#x017F;iren können.</p><lb/>
            <p>Führen Sie den Zauber&#x017F;treich aus, aus Fa&#x017F;anen Tauben<lb/>
zu machen: zum Lohn &#x017F;oll Ihnen der umgekehrte Schlag zu<lb/>
Gebote &#x017F;tehn! Ergeben&#x017F;t</p>
            <closer>
              <salute> <hi rendition="#et">Fr. V.</hi> </salute>
            </closer>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">(Mündlich.)</hi> </hi> </p><lb/>
            <p>&#x201E;Der junge Graf X. i&#x017F;t ganz unzufrieden gegen die Welt<lb/>
ge&#x017F;tellt. Er fühlt überall höch&#x017F;t unbequem das Bornirte, und<lb/>
daß es in ihm liegt, weiß er noch nicht.&#x201C;</p><lb/>
            <dateline> <hi rendition="#et">Januar 1824.</hi> </dateline>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">9. Januar 1824.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Die Seele er&#x017F;etzt gleich wieder, wie an Wurzeln; &#x017F;obald<lb/>
&#x017F;ie aus ihren Tiefen das Geheim&#x017F;te an&#x2019;s Tageslicht ge&#x017F;agt<lb/>
hat, &#x017F;o bilden &#x017F;ich gleich wieder in ihrem Grund neue Geheim-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e. Der Vergleich i&#x017F;t ganz richtig, und läßt &#x017F;ich weiter<lb/>
führen. Daher hat man wohl mit Unrecht die Scheu Lang-<lb/>
ver&#x017F;chwiegenes, er&#x017F;t &#x017F;pät und heimlich Fertiggewordenes mit-<lb/>
zutheilen; fühlt man nur Boden und Sonne; behalten wir<lb/>
nur Herz und Gei&#x017F;t!</p>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <dateline> <hi rendition="#et">Berlin, den 16. Januar 1824.</hi> </dateline><lb/>
            <p>Sehr &#x017F;chwer i&#x017F;t es über einen Irrthum zu &#x017F;prechen; bei-<lb/>
nah gar nicht! Jeder Irrthum &#x017F;etzt viele andere voraus, und<lb/>
hat Nachkommen&#x017F;chaft; und allermei&#x017F;t geräth man auch im<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9 *</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0139] rath, dieſen Abend bei uns zuzubringen! Punkto 7 ſoll Thee kommen, und alles was folgt will ich ſo beſchleunigen, daß Sie um halb 11 Uhr ſchon mit allen Sorten von Geiſt, und ſtillen Geiſtern bei ſich ſollen konverſiren können. Führen Sie den Zauberſtreich aus, aus Faſanen Tauben zu machen: zum Lohn ſoll Ihnen der umgekehrte Schlag zu Gebote ſtehn! Ergebenſt Fr. V. (Mündlich.) „Der junge Graf X. iſt ganz unzufrieden gegen die Welt geſtellt. Er fühlt überall höchſt unbequem das Bornirte, und daß es in ihm liegt, weiß er noch nicht.“ Januar 1824. 9. Januar 1824. Die Seele erſetzt gleich wieder, wie an Wurzeln; ſobald ſie aus ihren Tiefen das Geheimſte an’s Tageslicht geſagt hat, ſo bilden ſich gleich wieder in ihrem Grund neue Geheim- niſſe. Der Vergleich iſt ganz richtig, und läßt ſich weiter führen. Daher hat man wohl mit Unrecht die Scheu Lang- verſchwiegenes, erſt ſpät und heimlich Fertiggewordenes mit- zutheilen; fühlt man nur Boden und Sonne; behalten wir nur Herz und Geiſt! Berlin, den 16. Januar 1824. Sehr ſchwer iſt es über einen Irrthum zu ſprechen; bei- nah gar nicht! Jeder Irrthum ſetzt viele andere voraus, und hat Nachkommenſchaft; und allermeiſt geräth man auch im 9 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/139
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/139>, abgerufen am 27.04.2024.