Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
An Ludwig Robert.


Ich warte auf deinen Boten, der einen Topf zu Pfeffer-
gurken bringen soll, die nun schon etwas besser sein werden;
und immer besser werden. Der Bote wird dir vier Flaschen
Wein bringen. Du wirst mir gelegentlich sagen, ob er dir
schmeckt: und dich dann, bis alles blühet, um keinen Wein
kümmern; und dich auch dann mit mir besprechen.

Als ich laut werden ließ, daß mir die Übersetzungen alle,
jede auf eine Art, von Manzoni's Gedicht, nicht gefielen
antwortete man mir, daß es auch schwer wäre, in demselben
Silbenmaß, und anderer Sprache, auszudrücken, was in einer
ursprünglich gedichtet sei. Dies Verfahren nehm' ich nun schon
von je nicht als Bedingung an, der ich irgend etwas auf-
opfern ließ; -- obgleich ich unter ihr schon Meisterstücke ge-
sehn habe: -- das ist mir ganz gleichgeltend mit solchem Ver-
fahren, als wollte Einer aus irgend einer beliebigen Sprache
etwas in unsere übersetzen, und verlangte, ich soll zufrieden
sein, und die Übersetzung für richtig halten, wenn etwa so
viel R vorkämen, als im Original; oder die Zeilen für's Aug'
eben so lang, kurz, oder kräuselig aussehn. Ich will, daß
mein Geist gezwungen sei, sich in denselben Richtungen zu
bewegen, wie im Original; daß mein Gemüth auf eben die
Weise affizirt wird, wie dort. Die Mittel hiezu nehme der
Dichterübersetzer aus dem Vermögen unserer Sprache: keine
andre Ähnlichkeit darf ich, und kann ich fordern. Aller Rest
ist ein Kunstluxus, und darf nur, und erst eintreten, wenn

An Ludwig Robert.


Ich warte auf deinen Boten, der einen Topf zu Pfeffer-
gurken bringen ſoll, die nun ſchon etwas beſſer ſein werden;
und immer beſſer werden. Der Bote wird dir vier Flaſchen
Wein bringen. Du wirſt mir gelegentlich ſagen, ob er dir
ſchmeckt: und dich dann, bis alles blühet, um keinen Wein
kümmern; und dich auch dann mit mir beſprechen.

Als ich laut werden ließ, daß mir die Überſetzungen alle,
jede auf eine Art, von Manzoni’s Gedicht, nicht gefielen
antwortete man mir, daß es auch ſchwer wäre, in demſelben
Silbenmaß, und anderer Sprache, auszudrücken, was in einer
urſprünglich gedichtet ſei. Dies Verfahren nehm’ ich nun ſchon
von je nicht als Bedingung an, der ich irgend etwas auf-
opfern ließ; — obgleich ich unter ihr ſchon Meiſterſtücke ge-
ſehn habe: — das iſt mir ganz gleichgeltend mit ſolchem Ver-
fahren, als wollte Einer aus irgend einer beliebigen Sprache
etwas in unſere überſetzen, und verlangte, ich ſoll zufrieden
ſein, und die Überſetzung für richtig halten, wenn etwa ſo
viel R vorkämen, als im Original; oder die Zeilen für’s Aug’
eben ſo lang, kurz, oder kräuſelig ausſehn. Ich will, daß
mein Geiſt gezwungen ſei, ſich in denſelben Richtungen zu
bewegen, wie im Original; daß mein Gemüth auf eben die
Weiſe affizirt wird, wie dort. Die Mittel hiezu nehme der
Dichterüberſetzer aus dem Vermögen unſerer Sprache: keine
andre Ähnlichkeit darf ich, und kann ich fordern. Aller Reſt
iſt ein Kunſtluxus, und darf nur, und erſt eintreten, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0348" n="340"/>
        <div n="2">
          <head>An Ludwig Robert.</head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Sonnabend, den 11. Oktober 1828.</hi> </dateline><lb/>
          <p>Ich warte auf deinen Boten, der einen Topf zu Pfeffer-<lb/>
gurken bringen &#x017F;oll, die nun &#x017F;chon etwas be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ein werden;<lb/>
und immer be&#x017F;&#x017F;er werden. Der Bote wird dir vier Fla&#x017F;chen<lb/>
Wein bringen. Du wir&#x017F;t mir gelegentlich &#x017F;agen, ob er dir<lb/>
&#x017F;chmeckt: und dich dann, bis alles blühet, um keinen Wein<lb/>
kümmern; und dich auch dann mit mir be&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Als ich laut werden ließ, daß mir die Über&#x017F;etzungen alle,<lb/>
jede auf eine Art, von Manzoni&#x2019;s Gedicht, nicht gefielen<lb/>
antwortete man mir, daß es auch &#x017F;chwer wäre, in dem&#x017F;elben<lb/>
Silbenmaß, und anderer Sprache, auszudrücken, was in einer<lb/>
ur&#x017F;prünglich gedichtet &#x017F;ei. Dies Verfahren nehm&#x2019; ich nun &#x017F;chon<lb/>
von je nicht als Bedingung an, der ich irgend etwas auf-<lb/>
opfern ließ; &#x2014; obgleich ich unter ihr &#x017F;chon Mei&#x017F;ter&#x017F;tücke ge-<lb/>
&#x017F;ehn habe: &#x2014; das i&#x017F;t mir ganz gleichgeltend mit &#x017F;olchem Ver-<lb/>
fahren, als wollte Einer aus irgend einer beliebigen Sprache<lb/>
etwas in un&#x017F;ere über&#x017F;etzen, und verlangte, ich &#x017F;oll zufrieden<lb/>
&#x017F;ein, und die Über&#x017F;etzung für richtig halten, wenn etwa &#x017F;o<lb/>
viel R vorkämen, als im Original; oder die Zeilen für&#x2019;s Aug&#x2019;<lb/>
eben &#x017F;o lang, kurz, oder kräu&#x017F;elig aus&#x017F;ehn. Ich will, daß<lb/>
mein Gei&#x017F;t gezwungen &#x017F;ei, &#x017F;ich in den&#x017F;elben Richtungen zu<lb/>
bewegen, wie im Original; daß mein Gemüth auf eben die<lb/>
Wei&#x017F;e affizirt wird, wie dort. Die Mittel hiezu nehme der<lb/>
Dichterüber&#x017F;etzer aus dem Vermögen <hi rendition="#g">un&#x017F;erer</hi> Sprache: keine<lb/>
andre Ähnlichkeit darf ich, und kann ich fordern. Aller Re&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t ein Kun&#x017F;tluxus, und darf nur, und er&#x017F;t eintreten, wenn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0348] An Ludwig Robert. Sonnabend, den 11. Oktober 1828. Ich warte auf deinen Boten, der einen Topf zu Pfeffer- gurken bringen ſoll, die nun ſchon etwas beſſer ſein werden; und immer beſſer werden. Der Bote wird dir vier Flaſchen Wein bringen. Du wirſt mir gelegentlich ſagen, ob er dir ſchmeckt: und dich dann, bis alles blühet, um keinen Wein kümmern; und dich auch dann mit mir beſprechen. Als ich laut werden ließ, daß mir die Überſetzungen alle, jede auf eine Art, von Manzoni’s Gedicht, nicht gefielen antwortete man mir, daß es auch ſchwer wäre, in demſelben Silbenmaß, und anderer Sprache, auszudrücken, was in einer urſprünglich gedichtet ſei. Dies Verfahren nehm’ ich nun ſchon von je nicht als Bedingung an, der ich irgend etwas auf- opfern ließ; — obgleich ich unter ihr ſchon Meiſterſtücke ge- ſehn habe: — das iſt mir ganz gleichgeltend mit ſolchem Ver- fahren, als wollte Einer aus irgend einer beliebigen Sprache etwas in unſere überſetzen, und verlangte, ich ſoll zufrieden ſein, und die Überſetzung für richtig halten, wenn etwa ſo viel R vorkämen, als im Original; oder die Zeilen für’s Aug’ eben ſo lang, kurz, oder kräuſelig ausſehn. Ich will, daß mein Geiſt gezwungen ſei, ſich in denſelben Richtungen zu bewegen, wie im Original; daß mein Gemüth auf eben die Weiſe affizirt wird, wie dort. Die Mittel hiezu nehme der Dichterüberſetzer aus dem Vermögen unſerer Sprache: keine andre Ähnlichkeit darf ich, und kann ich fordern. Aller Reſt iſt ein Kunſtluxus, und darf nur, und erſt eintreten, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/348
Zitationshilfe: Varnhagen von Ense, Rahel: Rahel. Ein Buch des Andenkens für ihre Freunde. Bd. 3. Berlin, 1834, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/varnhagen_rahel03_1834/348>, abgerufen am 26.04.2024.