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Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847.

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§. 300.

Die unentwickeltste Bildung zeigt der Wurm- Scheiben- Kugelförmige1
Knorpelsisch, dessen Häßlichkeit bald komisch, bald höchst furchtbar wird. Von2
der klumpigten Form geht dieser Thiertypus wieder zu Formen von großen-
theils Schlangen- und Spindelförmiger Länge über in den Fischen, die den regel-
mäßigen oder Grätenfischen näher stehen. Wenn diese im Allgemeinen das3
schönere Oval einhalten, durch Schuppen und seitlich gestellte Augen klarere
Gestalt zeigen, so treten doch auch hier wieder die Extreme einer der Scheiben-
form genäherten Dicke und wa[ - 1 Zeichen fehlt]zenartiger Länge hervor.

1. Einige Eintheilung durfte nicht umgangen werden, sonst käme
z. B. jenes seltsame Larvenreich, das Schillers Taucher mit Grausen
schildert, nicht zur Sprache. Es sind hauptsächlich die Knorpelfische, welche
wie Zerrbilder der verschiedensten thierischen und menschlichen Figuren und
Profile diese Welt der Häßlichkeit darstellen. Zu den wurmförmigen
gehört der langgestreckte, entsetzliche Hai, der in einigen Gattungen durch
eine nasenförmige Emporragung ein stulpnasiges Menschenprofil phantastisch
nachzuahmen scheint, in einer andern die furchtbare Säge vorstreckt, in
einer dritten durch die Hammerform des Kopfes aller organischen Gestalt
zu spotten scheint. Als breite Scheibe dehnt sich der scheußliche Roche aus,
bald schleimig und glatt als Zitter-Rochen, der elektrische Schläge aus-
theilt, bald mit Nägeln besetzt, mit einem Stachel bewaffnet, mit Hörnern
versehen, wie der ungeheure Riesen- oder Hornroche. Die Scheibe wird
zum dicken, Keulen- und Kugelförmigen Klumpen in den Weitmäulern
oder Dickköpfen (nach Okens Eintheilung), wie dem Froschfisch, Kröten-
fisch, Sternseher. Dieß sind die eigentlichen Klotzer und erscheinen mit
der vorgeschobenen Unterkinnlade, den auf den Scheitel gestellten Augen
wie die scheußlichste Menschen-Caricatur. Die seltsame Bildung ist
wieder mit Schienen, Tafeln, Stacheln besetzt im Hornfisch, Klumpfisch,
Igelfisch u. s. w.

2. Die Fische, welche Oken unter dem Namen Stummelfloßer als
zweite, der regelmäßigen Form nähere Ordnung der unregelmäßig
gestalteten Fische aufführt, meist nackt, theilweise gepanzert: hieher gehören
nun vorzüglich die Aale, durch ihre Form unheimlich wie die Schlange,
der Zitter-Aal auch durch seine elektrischen Schläge. Um ihres schleimigen,
nackten oder nur mit dünnen Schuppen bedeckten Leibs willen stellt Oken
mit ihnen die bald walzenförmigen, bald kegel- und tafelförmigen Quappen
(Schleimfische, Schildfische, Schollen mit der seltsamen Stellung beider
Augen auf Einer Seite, und and.) zusammen, und läßt dann die meist
keulenförmigen Grundeln, theils ebenfalls nackt, theils gepanzert, lang-

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§. 300.

Die unentwickeltſte Bildung zeigt der Wurm- Scheiben- Kugelförmige1
Knorpelſiſch, deſſen Häßlichkeit bald komiſch, bald höchſt furchtbar wird. Von2
der klumpigten Form geht dieſer Thiertypus wieder zu Formen von großen-
theils Schlangen- und Spindelförmiger Länge über in den Fiſchen, die den regel-
mäßigen oder Grätenfiſchen näher ſtehen. Wenn dieſe im Allgemeinen das3
ſchönere Oval einhalten, durch Schuppen und ſeitlich geſtellte Augen klarere
Geſtalt zeigen, ſo treten doch auch hier wieder die Extreme einer der Scheiben-
form genäherten Dicke und wa[ – 1 Zeichen fehlt]zenartiger Länge hervor.

1. Einige Eintheilung durfte nicht umgangen werden, ſonſt käme
z. B. jenes ſeltſame Larvenreich, das Schillers Taucher mit Grauſen
ſchildert, nicht zur Sprache. Es ſind hauptſächlich die Knorpelfiſche, welche
wie Zerrbilder der verſchiedenſten thieriſchen und menſchlichen Figuren und
Profile dieſe Welt der Häßlichkeit darſtellen. Zu den wurmförmigen
gehört der langgeſtreckte, entſetzliche Hai, der in einigen Gattungen durch
eine naſenförmige Emporragung ein ſtulpnaſiges Menſchenprofil phantaſtiſch
nachzuahmen ſcheint, in einer andern die furchtbare Säge vorſtreckt, in
einer dritten durch die Hammerform des Kopfes aller organiſchen Geſtalt
zu ſpotten ſcheint. Als breite Scheibe dehnt ſich der ſcheußliche Roche aus,
bald ſchleimig und glatt als Zitter-Rochen, der elektriſche Schläge aus-
theilt, bald mit Nägeln beſetzt, mit einem Stachel bewaffnet, mit Hörnern
verſehen, wie der ungeheure Rieſen- oder Hornroche. Die Scheibe wird
zum dicken, Keulen- und Kugelförmigen Klumpen in den Weitmäulern
oder Dickköpfen (nach Okens Eintheilung), wie dem Froſchfiſch, Kröten-
fiſch, Sternſeher. Dieß ſind die eigentlichen Klotzer und erſcheinen mit
der vorgeſchobenen Unterkinnlade, den auf den Scheitel geſtellten Augen
wie die ſcheußlichſte Menſchen-Caricatur. Die ſeltſame Bildung iſt
wieder mit Schienen, Tafeln, Stacheln beſetzt im Hornfiſch, Klumpfiſch,
Igelfiſch u. ſ. w.

2. Die Fiſche, welche Oken unter dem Namen Stummelfloßer als
zweite, der regelmäßigen Form nähere Ordnung der unregelmäßig
geſtalteten Fiſche aufführt, meiſt nackt, theilweiſe gepanzert: hieher gehören
nun vorzüglich die Aale, durch ihre Form unheimlich wie die Schlange,
der Zitter-Aal auch durch ſeine elektriſchen Schläge. Um ihres ſchleimigen,
nackten oder nur mit dünnen Schuppen bedeckten Leibs willen ſtellt Oken
mit ihnen die bald walzenförmigen, bald kegel- und tafelförmigen Quappen
(Schleimfiſche, Schildfiſche, Schollen mit der ſeltſamen Stellung beider
Augen auf Einer Seite, und and.) zuſammen, und läßt dann die meiſt
keulenförmigen Grundeln, theils ebenfalls nackt, theils gepanzert, lang-

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[131/0143] §. 300. Die unentwickeltſte Bildung zeigt der Wurm- Scheiben- Kugelförmige Knorpelſiſch, deſſen Häßlichkeit bald komiſch, bald höchſt furchtbar wird. Von der klumpigten Form geht dieſer Thiertypus wieder zu Formen von großen- theils Schlangen- und Spindelförmiger Länge über in den Fiſchen, die den regel- mäßigen oder Grätenfiſchen näher ſtehen. Wenn dieſe im Allgemeinen das ſchönere Oval einhalten, durch Schuppen und ſeitlich geſtellte Augen klarere Geſtalt zeigen, ſo treten doch auch hier wieder die Extreme einer der Scheiben- form genäherten Dicke und wa_zenartiger Länge hervor. 1. Einige Eintheilung durfte nicht umgangen werden, ſonſt käme z. B. jenes ſeltſame Larvenreich, das Schillers Taucher mit Grauſen ſchildert, nicht zur Sprache. Es ſind hauptſächlich die Knorpelfiſche, welche wie Zerrbilder der verſchiedenſten thieriſchen und menſchlichen Figuren und Profile dieſe Welt der Häßlichkeit darſtellen. Zu den wurmförmigen gehört der langgeſtreckte, entſetzliche Hai, der in einigen Gattungen durch eine naſenförmige Emporragung ein ſtulpnaſiges Menſchenprofil phantaſtiſch nachzuahmen ſcheint, in einer andern die furchtbare Säge vorſtreckt, in einer dritten durch die Hammerform des Kopfes aller organiſchen Geſtalt zu ſpotten ſcheint. Als breite Scheibe dehnt ſich der ſcheußliche Roche aus, bald ſchleimig und glatt als Zitter-Rochen, der elektriſche Schläge aus- theilt, bald mit Nägeln beſetzt, mit einem Stachel bewaffnet, mit Hörnern verſehen, wie der ungeheure Rieſen- oder Hornroche. Die Scheibe wird zum dicken, Keulen- und Kugelförmigen Klumpen in den Weitmäulern oder Dickköpfen (nach Okens Eintheilung), wie dem Froſchfiſch, Kröten- fiſch, Sternſeher. Dieß ſind die eigentlichen Klotzer und erſcheinen mit der vorgeſchobenen Unterkinnlade, den auf den Scheitel geſtellten Augen wie die ſcheußlichſte Menſchen-Caricatur. Die ſeltſame Bildung iſt wieder mit Schienen, Tafeln, Stacheln beſetzt im Hornfiſch, Klumpfiſch, Igelfiſch u. ſ. w. 2. Die Fiſche, welche Oken unter dem Namen Stummelfloßer als zweite, der regelmäßigen Form nähere Ordnung der unregelmäßig geſtalteten Fiſche aufführt, meiſt nackt, theilweiſe gepanzert: hieher gehören nun vorzüglich die Aale, durch ihre Form unheimlich wie die Schlange, der Zitter-Aal auch durch ſeine elektriſchen Schläge. Um ihres ſchleimigen, nackten oder nur mit dünnen Schuppen bedeckten Leibs willen ſtellt Oken mit ihnen die bald walzenförmigen, bald kegel- und tafelförmigen Quappen (Schleimfiſche, Schildfiſche, Schollen mit der ſeltſamen Stellung beider Augen auf Einer Seite, und and.) zuſammen, und läßt dann die meiſt keulenförmigen Grundeln, theils ebenfalls nackt, theils gepanzert, lang- 9*

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Zitationshilfe: Vischer, Friedrich Theodor von: Ästhetik oder Wissenschaft des Schönen. Bd. 2,1. Reutlingen u. a., 1847, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik0201_1847/143>, abgerufen am 26.04.2024.