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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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verschieden gehaltener Formen als Uebergangsstufen einer und dersel-
ben Art erkannt werden würden.

In geologischer Beziehung ist einzig die Familie der Kranzthier-
chen (Peridinida) wichtig, da sie durch ihren Kieselpanzer der Zerstö-
rung entging. Ihre Reste finden sich besonders in den Feuersteinen
der weißen Kreide, so wie in den verschiedenen Trippeln und Putz-
mergeln, welche der Kreideformation angehören. Was sonst als fossile
Infusorien angeführt wird, gehört entweder zu den Wurzelfüßern,
oder zu den mit Kieselschalen versehenen mikroskopischen Pflänzchen, die
man irrthümlich als thierische Formen auffaßte.



Siebenter Brief.
Kreis der Strahlthiere. (Radiata.)


Wenn wir bei den Protozoen nur eine sehr langsame und un-
bedeutende Entwickelung zu höheren Stufen der Ausbildung gewahren
konnten, so gibt sich im Gegentheile unter den weit zahlreicheren
Klassen und Ordnungen der Strahlthiere eine unverkennbare allmäh-
lige Ausbildung der gesammten Organisation kund, obgleich auch hier
der höchste Typus, welcher erreicht wird, trotz der großen Mannich-
faltigkeit der einzelnen Gewebe und Organe dennoch stets die niedere
Stellung des ganzen Kreises erkennen läßt.

Der unveränderliche Charakter der Strahlthiere, welcher überall
wiederkehrt, besteht in der strahligen Gruppirung ihrer Organe um
eine mehr oder minder verlängerte Axe, die in den meisten Fällen
durch den Mund geht, aber auch dann, wenn der Mund seitlich von
dieser Axe liegt, sich sehr wohl durch die Lagerung der übrigen Kör-
pertheile erkennen läßt. Außerdem bilden sich überall, wo Eier
durch geschlechtliche Zeugung entstehen, (und dies ist in allen Klassen
der Strahlthiere der Fall, während bei den Urthieren weder Eier noch
überhaupt geschlechtliche Zeugung vorkommt) die Embryonen in ihrer
Vollständigkeit aus dem ganzen Eie heraus und durchlaufen zuweilen
höchst complicirte Larvenzustände oder auch eigenthümliche Ammen-
generationen.


verſchieden gehaltener Formen als Uebergangsſtufen einer und derſel-
ben Art erkannt werden würden.

In geologiſcher Beziehung iſt einzig die Familie der Kranzthier-
chen (Peridinida) wichtig, da ſie durch ihren Kieſelpanzer der Zerſtö-
rung entging. Ihre Reſte finden ſich beſonders in den Feuerſteinen
der weißen Kreide, ſo wie in den verſchiedenen Trippeln und Putz-
mergeln, welche der Kreideformation angehören. Was ſonſt als foſſile
Infuſorien angeführt wird, gehört entweder zu den Wurzelfüßern,
oder zu den mit Kieſelſchalen verſehenen mikroſkopiſchen Pflänzchen, die
man irrthümlich als thieriſche Formen auffaßte.



Siebenter Brief.
Kreis der Strahlthiere. (Radiata.)


Wenn wir bei den Protozoen nur eine ſehr langſame und un-
bedeutende Entwickelung zu höheren Stufen der Ausbildung gewahren
konnten, ſo gibt ſich im Gegentheile unter den weit zahlreicheren
Klaſſen und Ordnungen der Strahlthiere eine unverkennbare allmäh-
lige Ausbildung der geſammten Organiſation kund, obgleich auch hier
der höchſte Typus, welcher erreicht wird, trotz der großen Mannich-
faltigkeit der einzelnen Gewebe und Organe dennoch ſtets die niedere
Stellung des ganzen Kreiſes erkennen läßt.

Der unveränderliche Charakter der Strahlthiere, welcher überall
wiederkehrt, beſteht in der ſtrahligen Gruppirung ihrer Organe um
eine mehr oder minder verlängerte Axe, die in den meiſten Fällen
durch den Mund geht, aber auch dann, wenn der Mund ſeitlich von
dieſer Axe liegt, ſich ſehr wohl durch die Lagerung der übrigen Kör-
pertheile erkennen läßt. Außerdem bilden ſich überall, wo Eier
durch geſchlechtliche Zeugung entſtehen, (und dies iſt in allen Klaſſen
der Strahlthiere der Fall, während bei den Urthieren weder Eier noch
überhaupt geſchlechtliche Zeugung vorkommt) die Embryonen in ihrer
Vollſtändigkeit aus dem ganzen Eie heraus und durchlaufen zuweilen
höchſt complicirte Larvenzuſtände oder auch eigenthümliche Ammen-
generationen.


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[100/0106] verſchieden gehaltener Formen als Uebergangsſtufen einer und derſel- ben Art erkannt werden würden. In geologiſcher Beziehung iſt einzig die Familie der Kranzthier- chen (Peridinida) wichtig, da ſie durch ihren Kieſelpanzer der Zerſtö- rung entging. Ihre Reſte finden ſich beſonders in den Feuerſteinen der weißen Kreide, ſo wie in den verſchiedenen Trippeln und Putz- mergeln, welche der Kreideformation angehören. Was ſonſt als foſſile Infuſorien angeführt wird, gehört entweder zu den Wurzelfüßern, oder zu den mit Kieſelſchalen verſehenen mikroſkopiſchen Pflänzchen, die man irrthümlich als thieriſche Formen auffaßte. Siebenter Brief. Kreis der Strahlthiere. (Radiata.) Wenn wir bei den Protozoen nur eine ſehr langſame und un- bedeutende Entwickelung zu höheren Stufen der Ausbildung gewahren konnten, ſo gibt ſich im Gegentheile unter den weit zahlreicheren Klaſſen und Ordnungen der Strahlthiere eine unverkennbare allmäh- lige Ausbildung der geſammten Organiſation kund, obgleich auch hier der höchſte Typus, welcher erreicht wird, trotz der großen Mannich- faltigkeit der einzelnen Gewebe und Organe dennoch ſtets die niedere Stellung des ganzen Kreiſes erkennen läßt. Der unveränderliche Charakter der Strahlthiere, welcher überall wiederkehrt, beſteht in der ſtrahligen Gruppirung ihrer Organe um eine mehr oder minder verlängerte Axe, die in den meiſten Fällen durch den Mund geht, aber auch dann, wenn der Mund ſeitlich von dieſer Axe liegt, ſich ſehr wohl durch die Lagerung der übrigen Kör- pertheile erkennen läßt. Außerdem bilden ſich überall, wo Eier durch geſchlechtliche Zeugung entſtehen, (und dies iſt in allen Klaſſen der Strahlthiere der Fall, während bei den Urthieren weder Eier noch überhaupt geſchlechtliche Zeugung vorkommt) die Embryonen in ihrer Vollſtändigkeit aus dem ganzen Eie heraus und durchlaufen zuweilen höchſt complicirte Larvenzuſtände oder auch eigenthümliche Ammen- generationen.

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/106>, abgerufen am 26.04.2024.