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Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851.

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stellen sich dann als kurze Becherchen dar, welche der Axe aufsitzen.
In der weichen Rindensubstanz, welche die Axe umgiebt, sind meist in
ganz ähnlicher Weise, wie in dem Polypenstocke der Seekorke, Kalk-
nadeln abgelagert und außerdem die Netze der gemeinschaftlichen Ka-
näle, welche die Polypen verbinden, sichtbar. Die Polypen sind denen
der Seekorke ähnlich, nur sind ihre Fühler meist noch kürzer und
weniger tief eingekerbt. Man hat die einzelnen Gattungen besonders
nach der Struktur und Substanz der Axen unterschieden. Unter den
mit steinerner Axe zeichnet sich besonders das ächte Korall (Isis
nobilis
)
durch seine große Härte und Polierfähigkeit, sowie durch
die lebhaft rothe Farbe aus. Der ganze Polypenstock bildet einen
Baum, dessen Stamm in seltenen Fällen sogar Mannsdicke erreichen
soll. Die ganze Axe ist vollkommen ungegliedert, zusammenhängend
und auf der Oberfläche mit feinen parallelen Streifen gezeichnet. Die
Axe dieser Blutkoralle wird seit den ältesten Zeiten zu allerhand
Schmucksachen verarbeitet. Ihre Heimath ist das Mittelmeer, wo sie
besonders an der afrikanischen Küste in Rissen und Spalten der Felsen
wächst und mit eigenen Instrumenten und Schleppnetzen abgerissen
wird, was stets eine langwierige Operation ist, da sie sich bis in eine
Tiefe von 700 Fußen anbaut und die größten Stöcke meist nur in
dunkeln seitlichen Spalten der Felsen sich finden. Für die Fischer des
Mittelmeeres ist der Korallenfang eine eben so reiche Quelle von
Sagen und abenteuerlichen Geschichten, wie für die Bewohner des
Binnenlandes die eingegrabenen Schätze und die mineralischen Reich-
thümer im Innern der Berge. Andere der Blutkoralle nahe verwand-
ten Gattungen haben eine gegliederte Axe mit hornigen oder steinigen
Zwischenstücken, während die eigentlichen Gorgonien eine nur hornige
Axe besitzen, im übrigen aber eben so wie die im Mittelmeere vor-
kommende Kieselkoralle in ihrer Struktur ganz mit den Blutkorallen
übereinkommen. Isis; Gorgonia; Mopsea; Prymnoa.

[Abbildung] Fig. 99.

Veretillum cynomorium.

Die Familie der Seefedern (Pennatulida) zeichnet sich dadurch
aus, daß der gemeinschaftliche Polypenstock von einem besonderen Stiele

ſtellen ſich dann als kurze Becherchen dar, welche der Axe aufſitzen.
In der weichen Rindenſubſtanz, welche die Axe umgiebt, ſind meiſt in
ganz ähnlicher Weiſe, wie in dem Polypenſtocke der Seekorke, Kalk-
nadeln abgelagert und außerdem die Netze der gemeinſchaftlichen Ka-
näle, welche die Polypen verbinden, ſichtbar. Die Polypen ſind denen
der Seekorke ähnlich, nur ſind ihre Fühler meiſt noch kürzer und
weniger tief eingekerbt. Man hat die einzelnen Gattungen beſonders
nach der Struktur und Subſtanz der Axen unterſchieden. Unter den
mit ſteinerner Axe zeichnet ſich beſonders das ächte Korall (Isis
nobilis
)
durch ſeine große Härte und Polierfähigkeit, ſowie durch
die lebhaft rothe Farbe aus. Der ganze Polypenſtock bildet einen
Baum, deſſen Stamm in ſeltenen Fällen ſogar Mannsdicke erreichen
ſoll. Die ganze Axe iſt vollkommen ungegliedert, zuſammenhängend
und auf der Oberfläche mit feinen parallelen Streifen gezeichnet. Die
Axe dieſer Blutkoralle wird ſeit den älteſten Zeiten zu allerhand
Schmuckſachen verarbeitet. Ihre Heimath iſt das Mittelmeer, wo ſie
beſonders an der afrikaniſchen Küſte in Riſſen und Spalten der Felſen
wächſt und mit eigenen Inſtrumenten und Schleppnetzen abgeriſſen
wird, was ſtets eine langwierige Operation iſt, da ſie ſich bis in eine
Tiefe von 700 Fußen anbaut und die größten Stöcke meiſt nur in
dunkeln ſeitlichen Spalten der Felſen ſich finden. Für die Fiſcher des
Mittelmeeres iſt der Korallenfang eine eben ſo reiche Quelle von
Sagen und abenteuerlichen Geſchichten, wie für die Bewohner des
Binnenlandes die eingegrabenen Schätze und die mineraliſchen Reich-
thümer im Innern der Berge. Andere der Blutkoralle nahe verwand-
ten Gattungen haben eine gegliederte Axe mit hornigen oder ſteinigen
Zwiſchenſtücken, während die eigentlichen Gorgonien eine nur hornige
Axe beſitzen, im übrigen aber eben ſo wie die im Mittelmeere vor-
kommende Kieſelkoralle in ihrer Struktur ganz mit den Blutkorallen
übereinkommen. Isis; Gorgonia; Mopsea; Prymnoa.

[Abbildung] Fig. 99.

Veretillum cynomorium.

Die Familie der Seefedern (Pennatulida) zeichnet ſich dadurch
aus, daß der gemeinſchaftliche Polypenſtock von einem beſonderen Stiele

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[124/0130] ſtellen ſich dann als kurze Becherchen dar, welche der Axe aufſitzen. In der weichen Rindenſubſtanz, welche die Axe umgiebt, ſind meiſt in ganz ähnlicher Weiſe, wie in dem Polypenſtocke der Seekorke, Kalk- nadeln abgelagert und außerdem die Netze der gemeinſchaftlichen Ka- näle, welche die Polypen verbinden, ſichtbar. Die Polypen ſind denen der Seekorke ähnlich, nur ſind ihre Fühler meiſt noch kürzer und weniger tief eingekerbt. Man hat die einzelnen Gattungen beſonders nach der Struktur und Subſtanz der Axen unterſchieden. Unter den mit ſteinerner Axe zeichnet ſich beſonders das ächte Korall (Isis nobilis) durch ſeine große Härte und Polierfähigkeit, ſowie durch die lebhaft rothe Farbe aus. Der ganze Polypenſtock bildet einen Baum, deſſen Stamm in ſeltenen Fällen ſogar Mannsdicke erreichen ſoll. Die ganze Axe iſt vollkommen ungegliedert, zuſammenhängend und auf der Oberfläche mit feinen parallelen Streifen gezeichnet. Die Axe dieſer Blutkoralle wird ſeit den älteſten Zeiten zu allerhand Schmuckſachen verarbeitet. Ihre Heimath iſt das Mittelmeer, wo ſie beſonders an der afrikaniſchen Küſte in Riſſen und Spalten der Felſen wächſt und mit eigenen Inſtrumenten und Schleppnetzen abgeriſſen wird, was ſtets eine langwierige Operation iſt, da ſie ſich bis in eine Tiefe von 700 Fußen anbaut und die größten Stöcke meiſt nur in dunkeln ſeitlichen Spalten der Felſen ſich finden. Für die Fiſcher des Mittelmeeres iſt der Korallenfang eine eben ſo reiche Quelle von Sagen und abenteuerlichen Geſchichten, wie für die Bewohner des Binnenlandes die eingegrabenen Schätze und die mineraliſchen Reich- thümer im Innern der Berge. Andere der Blutkoralle nahe verwand- ten Gattungen haben eine gegliederte Axe mit hornigen oder ſteinigen Zwiſchenſtücken, während die eigentlichen Gorgonien eine nur hornige Axe beſitzen, im übrigen aber eben ſo wie die im Mittelmeere vor- kommende Kieſelkoralle in ihrer Struktur ganz mit den Blutkorallen übereinkommen. Isis; Gorgonia; Mopsea; Prymnoa. [Abbildung Fig. 99. Veretillum cynomorium. ] Die Familie der Seefedern (Pennatulida) zeichnet ſich dadurch aus, daß der gemeinſchaftliche Polypenſtock von einem beſonderen Stiele

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Zitationshilfe: Vogt, Carl: Zoologische Briefe. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1851, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vogt_briefe01_1851/130>, abgerufen am 26.04.2024.