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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Stadt, nahe bei einer heiligen, der Göttermütter geweihten Höhle, welche sich von Andria bis nach Paläa, 130 Stadien weit, erstreckte. Dass dem wirklich so sei, ward durch eine Ziege entdeckt, die sich bei Andira in die Höhle verlaufen hatte, und die ein Hirt, der zu dem Tempel der Cybele wollte, in der Nähe von Paläa am Ausgang jener Höhle wieder fand.


Andlangur (Nord. M.), "der sich weit Erstreckende"; ein Himmel, welcher noch höher, als der Himmel der Asen, und zwar südlich von demselben, liegt; er wird die Götter nach dem furchtbaren Welt-Untergange aufnehmen.


Andraemon (Gr. M.), 1) ein Held der Aetolier, welcher sich mit Gorge, der Tochter des Königs Oeneus und der Althaea, vermählte. Gorge gebar dem A. den Thoas, welcher die Aetolier zu dem trojanischen Kriege führte. Agrius' Söhne, die Neffen des Oeneus, stiessen diesen vom Throne, und erst später gelang es seinem Enkel Diomedes, ihm wieder zur Herrschaft zu verhelfen, welche er darauf dem A. überliess. Dieses Letztern Grabmal, vereint mit dem seiner Gattin, welche sich darüber todtgrämte, dass sie von ihrem eigenen Vater Oeneus Mutter des Tydeus wurde, war bei Amphissa erbaut. - 2) A., Sohn des Oxylus und vermählt mit Dryope, welche von Apollo den Amphissus gebar. - 3) A., Gefährte des Jason auf dem Argonautenzuge, und von ihm mit einer Tochter des Pelias, Amphinome, vermählt.


Andreus oder Andrus (Gr. M.), Feldherr in dem Heere des Rhadamanthus, dem der Letztere für seine Dienste die Insel Andros geschenkt haben soll.


Androcles (Gr. M.), Sohn des Aeolus, Beherrscher eines Theiles von Sicilien, von der Meerenge bis gegen Lilybäum hin.


Androctasiae (Gr. M.), "Männerermordungen", die personificirten Schlachten und Kämpfe, Töchter der Eris.


Androdamas, ein Edelstein, dessen sich die Magier zu Zaubereien bedient haben sollen. Er sollte (was sein Name sagt) die Männer bändigen, ihren Zorn stillen, desshalb er häufig von Frauen, zu allerlei Schmuck verarbeitet, getragen wurde.


Androgeonia (Gr. Festbrauch), Jährliche, im Ceramicus zu Athen dem Androgeos (s. d.) zu Ehren gefeierte Spiele.


Androgeos (Gr. M.)., Sohn des Minos und der Pasiphae (s. dd.), dessen Tod Ursache war, dass die Athener dem Minotaurus (s. d.) den Tribut der sieben Jungfrauen und Jünglinge entrichten mussten. A. war in allen männlichen Uebungen so geschickt, dass er am Feste der Panathenäen in Athen alle Preise errang. Diess gewann ihm die Freundschaft der Pallantiden (Söhne des Pallas), zog ihm aber den tödtlichen Hass des Aegeus (s. d.) zu, welcher ein solches Bündniss für gefährlich hielt, indem er glaubte, Minos möchte die Pallantiden unterstützen und ihn vom Throne stossen; daher liess er dem A. bei Oenoe in Attica durch die Bewohner jener Gegend auflauern und ihn ermorden. Sobald Minos diess erfuhr, kam er nach Athen, um Genugthuung für den Frevel zu erlangen, bekam jedoch kein Gehör, bat daher den Jupiter um Rache und überzog Athen mit Krieg. Auf sein Flehen entstand in Attica Hungersnoth und Pest, welche nicht eher aufhörten, als bis man, nach des Orakels Befehl, dem Minos Genugthuung wegen des Mordes an seinem Sohne gab; diese bestand darin, dass ihm alle neun Jahre sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge zur Nahrung für den Minotaurus geliefert wurden.


Androgynen (Gr. M.), Mannweiber, mit vier Armen, vier Beinen, zwei Köpfen und einer Vereinigung männlicher und weiblicher Kräfte, dabei kühn bis zum Uebermuth, so dass sie es wagten, Jupiter im Olymp zu bestürmen, wobei ihre Schnelligkeit ihm nicht wenig zu schaffen machte, da sie sich kreisförmig wie ein rollendes Rad fortbewegten. Jupiter wollte sie nicht zerschmettern, wie die Giganten; er theilte sie daher nur, schied die männliche Hälfte von der weiblichen, und ertheilte dem Apollo den Auftrag, die so Geschiedenen zu heilen; von der Art, wie diess geschehen, trägt der Mensch noch im Nabel die Spur: er band nämlich die verletzte Haut über der entblössten Stelle zusammen. Mit der Theilung ging ihre ursprüngliche Kraft verloren, sie wurden Menschen; allein die schönste der Tugenden, die Liebe, und die mildeste und mächtigste Regung, die Sehnsucht, dankt ihr Entstehen dieser Theilung.


Andromache (Gr. M.), die berühmte Gattin des trojanischen Helden Hector, Tochter des Königs Eetion von Theben. Die rührendsten, anmuthigsten Stellen der Ilias (VI, 390 ffg.) haben die hingebende Liebe der A. zu Hector zum Gegenstande, und beweisen, mit welchem Gefühl der Dichter selbst dieses Thema aufgefasst. Ihr Schicksal war höchst traurig. Den Gatten musste sie von dem wüthenden Achilles durch das weite Feld um Troja schleifen, ihren Sohn von einem Thurme herabstürzen sehen, dann warf das Loos sie in die Hände des Sohnes ihres fürchterlichsten Feindes, in die Hände des Pyrrhus, der sie als seine Sklavin behandelte, und nachdem er mit ihr den Pergamus, Molossus und Pielus erzeugt, sie, um seiner eigenen Verheirathung mit Hermione willen, an seinen Sklaven, den Helenus, Hectors Bruder, verheirathete. Dennoch schwebte die noch immer sehr schöne Frau in Gefahr, ein Opfer der Eifersucht der Hermione zu werden, hätte nicht das Volk sie laut in Schutz


Fig. 25.
genommen. Wenig änderte sich ihre Lage dadurch, dass Orestes mit seinen Ansprüchen an Hermione auftrat, den Pyrrhus tödtete und die Geliebte mit sich hinwegführte. Doch später ward sie befreit und ihr mit ihrem Gatten Chaonien in Epirus zum Wohnsitz angewiesen, wo sie ein kleines Reich beherrschten. Virgil lässt den Aeneas sie dort besuchen; er traf A., wie sie dem unvergessenen Gatten ein Denkmal aus Rasen und zwei Altäre erbaut hatte und seine Manen herrief zu dem leeren Grabmal. Zuletzt soll A. mit ihrem Sohne Pergamus nach Asien zurückgegangen und dort gestorben sein; sie ward nach ihrem Tode vergöttert.


Andromeda, Fig. 25 (Gr. M.). Cepheus, der Sohn des äthiopischen Königs Belus, war vermählt mit Cassiopeja, welche ihre Schönheit so stolz machte, dass sie den Nereiden den Vorzug bestritt. Diese klagten dem Neptun ihr Leid: der Gott erhob aus den Meereswellen

Stadt, nahe bei einer heiligen, der Göttermütter geweihten Höhle, welche sich von Andria bis nach Paläa, 130 Stadien weit, erstreckte. Dass dem wirklich so sei, ward durch eine Ziege entdeckt, die sich bei Andira in die Höhle verlaufen hatte, und die ein Hirt, der zu dem Tempel der Cybele wollte, in der Nähe von Paläa am Ausgang jener Höhle wieder fand.


Andlangur (Nord. M.), »der sich weit Erstreckende«; ein Himmel, welcher noch höher, als der Himmel der Asen, und zwar südlich von demselben, liegt; er wird die Götter nach dem furchtbaren Welt-Untergange aufnehmen.


Andraemon (Gr. M.), 1) ein Held der Aetolier, welcher sich mit Gorge, der Tochter des Königs Oeneus und der Althaea, vermählte. Gorge gebar dem A. den Thoas, welcher die Aetolier zu dem trojanischen Kriege führte. Agrius' Söhne, die Neffen des Oeneus, stiessen diesen vom Throne, und erst später gelang es seinem Enkel Diomedes, ihm wieder zur Herrschaft zu verhelfen, welche er darauf dem A. überliess. Dieses Letztern Grabmal, vereint mit dem seiner Gattin, welche sich darüber todtgrämte, dass sie von ihrem eigenen Vater Oeneus Mutter des Tydeus wurde, war bei Amphissa erbaut. – 2) A., Sohn des Oxylus und vermählt mit Dryope, welche von Apollo den Amphissus gebar. – 3) A., Gefährte des Jason auf dem Argonautenzuge, und von ihm mit einer Tochter des Pelias, Amphinome, vermählt.


Andreus oder Andrus (Gr. M.), Feldherr in dem Heere des Rhadamanthus, dem der Letztere für seine Dienste die Insel Andros geschenkt haben soll.


Androcles (Gr. M.), Sohn des Aeolus, Beherrscher eines Theiles von Sicilien, von der Meerenge bis gegen Lilybäum hin.


Androctasiae (Gr. M.), »Männerermordungen«, die personificirten Schlachten und Kämpfe, Töchter der Eris.


Androdamas, ein Edelstein, dessen sich die Magier zu Zaubereien bedient haben sollen. Er sollte (was sein Name sagt) die Männer bändigen, ihren Zorn stillen, desshalb er häufig von Frauen, zu allerlei Schmuck verarbeitet, getragen wurde.


Androgeonia (Gr. Festbrauch), Jährliche, im Ceramicus zu Athen dem Androgeos (s. d.) zu Ehren gefeierte Spiele.


Androgeos (Gr. M.)., Sohn des Minos und der Pasiphaë (s. dd.), dessen Tod Ursache war, dass die Athener dem Minotaurus (s. d.) den Tribut der sieben Jungfrauen und Jünglinge entrichten mussten. A. war in allen männlichen Uebungen so geschickt, dass er am Feste der Panathenäen in Athen alle Preise errang. Diess gewann ihm die Freundschaft der Pallantiden (Söhne des Pallas), zog ihm aber den tödtlichen Hass des Aegeus (s. d.) zu, welcher ein solches Bündniss für gefährlich hielt, indem er glaubte, Minos möchte die Pallantiden unterstützen und ihn vom Throne stossen; daher liess er dem A. bei Oenoë in Attica durch die Bewohner jener Gegend auflauern und ihn ermorden. Sobald Minos diess erfuhr, kam er nach Athen, um Genugthuung für den Frevel zu erlangen, bekam jedoch kein Gehör, bat daher den Jupiter um Rache und überzog Athen mit Krieg. Auf sein Flehen entstand in Attica Hungersnoth und Pest, welche nicht eher aufhörten, als bis man, nach des Orakels Befehl, dem Minos Genugthuung wegen des Mordes an seinem Sohne gab; diese bestand darin, dass ihm alle neun Jahre sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge zur Nahrung für den Minotaurus geliefert wurden.


Androgynen (Gr. M.), Mannweiber, mit vier Armen, vier Beinen, zwei Köpfen und einer Vereinigung männlicher und weiblicher Kräfte, dabei kühn bis zum Uebermuth, so dass sie es wagten, Jupiter im Olymp zu bestürmen, wobei ihre Schnelligkeit ihm nicht wenig zu schaffen machte, da sie sich kreisförmig wie ein rollendes Rad fortbewegten. Jupiter wollte sie nicht zerschmettern, wie die Giganten; er theilte sie daher nur, schied die männliche Hälfte von der weiblichen, und ertheilte dem Apollo den Auftrag, die so Geschiedenen zu heilen; von der Art, wie diess geschehen, trägt der Mensch noch im Nabel die Spur: er band nämlich die verletzte Haut über der entblössten Stelle zusammen. Mit der Theilung ging ihre ursprüngliche Kraft verloren, sie wurden Menschen; allein die schönste der Tugenden, die Liebe, und die mildeste und mächtigste Regung, die Sehnsucht, dankt ihr Entstehen dieser Theilung.


Andromache (Gr. M.), die berühmte Gattin des trojanischen Helden Hector, Tochter des Königs Eetion von Theben. Die rührendsten, anmuthigsten Stellen der Ilias (VI, 390 ffg.) haben die hingebende Liebe der A. zu Hector zum Gegenstande, und beweisen, mit welchem Gefühl der Dichter selbst dieses Thema aufgefasst. Ihr Schicksal war höchst traurig. Den Gatten musste sie von dem wüthenden Achilles durch das weite Feld um Troja schleifen, ihren Sohn von einem Thurme herabstürzen sehen, dann warf das Loos sie in die Hände des Sohnes ihres fürchterlichsten Feindes, in die Hände des Pyrrhus, der sie als seine Sklavin behandelte, und nachdem er mit ihr den Pergamus, Molossus und Pielus erzeugt, sie, um seiner eigenen Verheirathung mit Hermione willen, an seinen Sklaven, den Helenus, Hectors Bruder, verheirathete. Dennoch schwebte die noch immer sehr schöne Frau in Gefahr, ein Opfer der Eifersucht der Hermione zu werden, hätte nicht das Volk sie laut in Schutz


Fig. 25.
genommen. Wenig änderte sich ihre Lage dadurch, dass Orestes mit seinen Ansprüchen an Hermione auftrat, den Pyrrhus tödtete und die Geliebte mit sich hinwegführte. Doch später ward sie befreit und ihr mit ihrem Gatten Chaonien in Epirus zum Wohnsitz angewiesen, wo sie ein kleines Reich beherrschten. Virgil lässt den Aeneas sie dort besuchen; er traf A., wie sie dem unvergessenen Gatten ein Denkmal aus Rasen und zwei Altäre erbaut hatte und seine Manen herrief zu dem leeren Grabmal. Zuletzt soll A. mit ihrem Sohne Pergamus nach Asien zurückgegangen und dort gestorben sein; sie ward nach ihrem Tode vergöttert.


Andromeda, Fig. 25 (Gr. M.). Cepheus, der Sohn des äthiopischen Königs Belus, war vermählt mit Cassiopeja, welche ihre Schönheit so stolz machte, dass sie den Nereïden den Vorzug bestritt. Diese klagten dem Neptun ihr Leid: der Gott erhob aus den Meereswellen

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[45/0115] Stadt, nahe bei einer heiligen, der Göttermütter geweihten Höhle, welche sich von Andria bis nach Paläa, 130 Stadien weit, erstreckte. Dass dem wirklich so sei, ward durch eine Ziege entdeckt, die sich bei Andira in die Höhle verlaufen hatte, und die ein Hirt, der zu dem Tempel der Cybele wollte, in der Nähe von Paläa am Ausgang jener Höhle wieder fand. Andlangur (Nord. M.), »der sich weit Erstreckende«; ein Himmel, welcher noch höher, als der Himmel der Asen, und zwar südlich von demselben, liegt; er wird die Götter nach dem furchtbaren Welt-Untergange aufnehmen. Andraemon (Gr. M.), 1) ein Held der Aetolier, welcher sich mit Gorge, der Tochter des Königs Oeneus und der Althaea, vermählte. Gorge gebar dem A. den Thoas, welcher die Aetolier zu dem trojanischen Kriege führte. Agrius' Söhne, die Neffen des Oeneus, stiessen diesen vom Throne, und erst später gelang es seinem Enkel Diomedes, ihm wieder zur Herrschaft zu verhelfen, welche er darauf dem A. überliess. Dieses Letztern Grabmal, vereint mit dem seiner Gattin, welche sich darüber todtgrämte, dass sie von ihrem eigenen Vater Oeneus Mutter des Tydeus wurde, war bei Amphissa erbaut. – 2) A., Sohn des Oxylus und vermählt mit Dryope, welche von Apollo den Amphissus gebar. – 3) A., Gefährte des Jason auf dem Argonautenzuge, und von ihm mit einer Tochter des Pelias, Amphinome, vermählt. Andreus oder Andrus (Gr. M.), Feldherr in dem Heere des Rhadamanthus, dem der Letztere für seine Dienste die Insel Andros geschenkt haben soll. Androcles (Gr. M.), Sohn des Aeolus, Beherrscher eines Theiles von Sicilien, von der Meerenge bis gegen Lilybäum hin. Androctasiae (Gr. M.), »Männerermordungen«, die personificirten Schlachten und Kämpfe, Töchter der Eris. Androdamas, ein Edelstein, dessen sich die Magier zu Zaubereien bedient haben sollen. Er sollte (was sein Name sagt) die Männer bändigen, ihren Zorn stillen, desshalb er häufig von Frauen, zu allerlei Schmuck verarbeitet, getragen wurde. Androgeonia (Gr. Festbrauch), Jährliche, im Ceramicus zu Athen dem Androgeos (s. d.) zu Ehren gefeierte Spiele. Androgeos (Gr. M.)., Sohn des Minos und der Pasiphaë (s. dd.), dessen Tod Ursache war, dass die Athener dem Minotaurus (s. d.) den Tribut der sieben Jungfrauen und Jünglinge entrichten mussten. A. war in allen männlichen Uebungen so geschickt, dass er am Feste der Panathenäen in Athen alle Preise errang. Diess gewann ihm die Freundschaft der Pallantiden (Söhne des Pallas), zog ihm aber den tödtlichen Hass des Aegeus (s. d.) zu, welcher ein solches Bündniss für gefährlich hielt, indem er glaubte, Minos möchte die Pallantiden unterstützen und ihn vom Throne stossen; daher liess er dem A. bei Oenoë in Attica durch die Bewohner jener Gegend auflauern und ihn ermorden. Sobald Minos diess erfuhr, kam er nach Athen, um Genugthuung für den Frevel zu erlangen, bekam jedoch kein Gehör, bat daher den Jupiter um Rache und überzog Athen mit Krieg. Auf sein Flehen entstand in Attica Hungersnoth und Pest, welche nicht eher aufhörten, als bis man, nach des Orakels Befehl, dem Minos Genugthuung wegen des Mordes an seinem Sohne gab; diese bestand darin, dass ihm alle neun Jahre sieben Jungfrauen und sieben Jünglinge zur Nahrung für den Minotaurus geliefert wurden. Androgynen (Gr. M.), Mannweiber, mit vier Armen, vier Beinen, zwei Köpfen und einer Vereinigung männlicher und weiblicher Kräfte, dabei kühn bis zum Uebermuth, so dass sie es wagten, Jupiter im Olymp zu bestürmen, wobei ihre Schnelligkeit ihm nicht wenig zu schaffen machte, da sie sich kreisförmig wie ein rollendes Rad fortbewegten. Jupiter wollte sie nicht zerschmettern, wie die Giganten; er theilte sie daher nur, schied die männliche Hälfte von der weiblichen, und ertheilte dem Apollo den Auftrag, die so Geschiedenen zu heilen; von der Art, wie diess geschehen, trägt der Mensch noch im Nabel die Spur: er band nämlich die verletzte Haut über der entblössten Stelle zusammen. Mit der Theilung ging ihre ursprüngliche Kraft verloren, sie wurden Menschen; allein die schönste der Tugenden, die Liebe, und die mildeste und mächtigste Regung, die Sehnsucht, dankt ihr Entstehen dieser Theilung. Andromache (Gr. M.), die berühmte Gattin des trojanischen Helden Hector, Tochter des Königs Eetion von Theben. Die rührendsten, anmuthigsten Stellen der Ilias (VI, 390 ffg.) haben die hingebende Liebe der A. zu Hector zum Gegenstande, und beweisen, mit welchem Gefühl der Dichter selbst dieses Thema aufgefasst. Ihr Schicksal war höchst traurig. Den Gatten musste sie von dem wüthenden Achilles durch das weite Feld um Troja schleifen, ihren Sohn von einem Thurme herabstürzen sehen, dann warf das Loos sie in die Hände des Sohnes ihres fürchterlichsten Feindes, in die Hände des Pyrrhus, der sie als seine Sklavin behandelte, und nachdem er mit ihr den Pergamus, Molossus und Pielus erzeugt, sie, um seiner eigenen Verheirathung mit Hermione willen, an seinen Sklaven, den Helenus, Hectors Bruder, verheirathete. Dennoch schwebte die noch immer sehr schöne Frau in Gefahr, ein Opfer der Eifersucht der Hermione zu werden, hätte nicht das Volk sie laut in Schutz [Abbildung Fig. 25. ] genommen. Wenig änderte sich ihre Lage dadurch, dass Orestes mit seinen Ansprüchen an Hermione auftrat, den Pyrrhus tödtete und die Geliebte mit sich hinwegführte. Doch später ward sie befreit und ihr mit ihrem Gatten Chaonien in Epirus zum Wohnsitz angewiesen, wo sie ein kleines Reich beherrschten. Virgil lässt den Aeneas sie dort besuchen; er traf A., wie sie dem unvergessenen Gatten ein Denkmal aus Rasen und zwei Altäre erbaut hatte und seine Manen herrief zu dem leeren Grabmal. Zuletzt soll A. mit ihrem Sohne Pergamus nach Asien zurückgegangen und dort gestorben sein; sie ward nach ihrem Tode vergöttert. Andromeda, Fig. 25 (Gr. M.). Cepheus, der Sohn des äthiopischen Königs Belus, war vermählt mit Cassiopeja, welche ihre Schönheit so stolz machte, dass sie den Nereïden den Vorzug bestritt. Diese klagten dem Neptun ihr Leid: der Gott erhob aus den Meereswellen

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/115>, abgerufen am 15.05.2024.