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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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erscheint nirgends abgebildet, weil man sich keine Vorstellung von ihm machen kann; eine Anzahl von Göttern aber, für jeden Stand, jede Stadt, jedes Gewerbe, sind vorhanden; alle diese sind seine Untergebenen, und Befehlshaber über die Menschen, deren Schicksal, deren Wohl und Wehe sie in Händen tragen; sie werden manchfaltig, in Thon, Stein, Holz etc. abgebildet und angebetet, aber auch zertrümmert, wenn sie ihren Besitzern ihre Wünsche nicht gewähren.


Sennara (Ind. Rel.), die geheiligte, die Braminen-Schnur. Den drei obern Kasten der Indier als Auszeichnung eigen, besteht dieselbe aus einer gewissen Anzahl Fäden aus der Baumwolle einer besondern Staude. Ihre Länge ist nahebei drei Ellen; so hängt sie über der linken Schulter um den Leib. Die Braminen tragen die stärkste, die Kschetrias eine dünnere, die Waisyas eine ganz dünne Schnur, woran man die verschiedenen Kasten erkennt. Büssende oder heilige Braminen tragen statt derselben häufig eine Schlangenhaut.


Sentia (Röm. M.), die Göttin der Meinung, d. h. diejenige, welche Meinungen, Ansichten, Urtheile eingibt.


Sentinus (Röm. M.), der Gott, der die Sinne der Neugebornen weckte und behütete.


Seraphim (Biblisch), Engel, welche den Thron Gottes umgeben; sie haben sechs Flügel, mit deren zweien sie durch den Aether schweben, während die andern Kopf und Füsse verbergen; man glaubt darin ein Symbol der Ewigkeit zu sehen, deren Anfang und Ende uns verschleiert ist.


Serapis, (Aegypt. M.), ein zu Alexandria hoch verehrter Gott, jedoch nicht ägyptischen, sondern griechischen Ursprungs, denn er war der griechische


Fig. 276.
Unterwelts-Gott, der Segenspender Pluto, mit dem Scheffel auf dem Haupte, welcher anzeigt, dass der Herrscher der Unterwelt die Nahrung aus der Erde sprossen lässt. Durch die Herrschaft der Ptolemäer ward er in Aegypten eingeführt, wo ihn die Eingebornen nur nothgedrungen annahmen; doch zählte man zuletzt in Aegypten 42 S.-Tempel. Man hatte über seine Einführung das Märchen: Ptolemäus dem Ersten erschien im Traume ein schöner Jüngling, welcher ihm befahl, seine Bildsäule von Sinope nach Alexandrien zu holen, und ihm dabei eröffnete, er sei S., der Segen und Fluch bringende Gott. Diess gelang nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, insbesondere dadurch, dass der Gott in Sinope selbst aus seinem Tempel in das Schiff ging, und nun wurde ihm vor der Stadt Alexandria an dem Orte Rhacotis ein Tempel erbaut. Die Verpflanzung aus Asien nach Aegypten war vielleicht aus politischen Gründen geschehen, um die neue Hauptstadt des Reiches (Alexandria) zum Hauptsitz der Religion zu machen, und dieser Zweck war vollkommen gelungen, denn S. trat ganz an die Stelle des Osiris, nur dass er nie als leidend und sterbend betrachtet wurde; aber er galt als Gatte der Isis, als Sonnengott, Nilgott, oberster Gott, und ward auch von den Kranken um Hülfe angefleht, so dass er zuletzt sogar mit Aesculap verschmolz. - Er ist nach einer Marmorbüste im Vatican auf unserm Bilde dargestellt als bärtiger, ernster Mann, mit Strahlen um das Haupt, ein Getreidemass auf demselben.


Serestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas, welcher die Rüstung des von Aeneas erschlagenen Hämonides, des Apollopriesters, sammelte und dem Mars Gradivus ein Siegesmal errichtete.


Sergestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas; seiner wird bei dem Wettrennen der Schiffe erwähnt, das Aeneas veranstaltete. Er blieb zwar auf einem Felsen sitzen, ward aber doch von dem Helden mit einer Sclavin beschenkt.


Serosch (Pers. M.), einer der mächtigsten Genien des Ormuzd, König der Erde und Ordner aller Dinge auf derselben. Er ist jedoch keiner der sieben Amschaspands, sondern nur Gehülfe des einen, des Ardibehescht.


Servator (Röm. M.), Beiname Jupiters: "der Erhalter."


Sesrumner (Nord. M.), der schöne Saal in Freia's Wohnung Folkwang, in welchem sie die Hälfte der Helden der Erde zum Dienst der Liebe und zu allen Lebensfreuden um sich versammelt; hier oder in Walhalla ist sämmtlicher Einheriar Aufenthalt.


Sewafioll (Nord. M.), der Wohnsitz der schönen und starken Sigrun; man glaubt, es sei der Berg Säwa in Wäster Götland in Schweden.


Shoschiskescha (Ind. M.), Beiname des Agni (Gottes des Feuers), welcher bedeutet: der Herr des Glanzes.


Shukra (Ind. M.), der Planet Venus oder der ihn beherrschende und bewohnende Genius; ein Enkel des Brahaspadi, des Planeten Jupiter.


Sibien (Ind. M.), ein Fürst aus dem Geschlechte der Mondskinder. Sein Sohn war Sandren oder Tschandra; sein Enkel der Raja Darmamaden.


Sibyllen, begeisterte Frauen, welche nach der Meinung der Griechen und Römer den Rathschluss der Götter offenbarten. Man hielt sie für gottgeweihete Jungfrauen, und nicht selten errichtete man ihnen Altäre. Die erste griechische S. war durch die Musen selbst erzogen, und ihre Sprüche waren in Hexametern verfasst, was vielleicht von den Priestern geschah, welche auch später Sammlungen solcher Sprüche verkauften. (Sibyllinische Bücher.) Von solchen ward eine hochberühmte Sammlung, neun Bücher an der Zahl, wie man sagt durch die cumäische S., dem römischen Könige Tarquinius Priscus zum Kauf angetragen. Der König fand die geforderte Summe viel zu hoch, da warf sie drei der Bücher in das Feuer und forderte für die sechs übrigen denselben Preis; auf abermalige Weigerung warf sie wieder drei Bücher in das Feuer, und verlangte für das letzte Drittel noch immer den ersten hohen Preis. Verwundert über das seltsame Beginnen, berieth sich Tarquinius mit den Grossen seines Reiches, und darauf wurden die drei übrigen Bücher gekauft; eine eigene Priesterschaft, die Quindecimviri sacris faciundis, erhielt die Aufsicht darüber, und sie wurden ein bleibendes Orakel für den Staat, indem sie bei jeder wichtigen politischen Gelegenheit zu Rathe gezogen wurden, und so die Mächtigeren, die Senatoren und Priester, zu alleinigen Lenkern der Begebenheiten machten, weil ihnen die Deutung der für jeden gegebenen Fall aufgeschlagenen Sprüche überlassen blieb. Die als ächt anerkannten sibyllinischen Bücher befanden sich auf dem Capitol, im Tempel des Jupiter, verschlossen in einen steinernen Kasten, und der Erde anvertraut, um sie vor Feuer zu schützen; aber sie gingen dennoch im marsischen Kriege beim Brande des Tempels zu Grunde, und wurden nur mit vieler Mühe aus einzelnen Sprüchen, welche sich im Munde des Volks befanden, und aus Privatsammlungen wieder so weit zusammengesetzt, dass man tausend Verse erhielt, die als ächt betrachtet und in Staatsangelegenheiten so behandelt wurden, wie die früheren. Kaiser Augustus veranstaltete eine genauere Durchsicht derselben, und liess nach der

erscheint nirgends abgebildet, weil man sich keine Vorstellung von ihm machen kann; eine Anzahl von Göttern aber, für jeden Stand, jede Stadt, jedes Gewerbe, sind vorhanden; alle diese sind seine Untergebenen, und Befehlshaber über die Menschen, deren Schicksal, deren Wohl und Wehe sie in Händen tragen; sie werden manchfaltig, in Thon, Stein, Holz etc. abgebildet und angebetet, aber auch zertrümmert, wenn sie ihren Besitzern ihre Wünsche nicht gewähren.


Sennara (Ind. Rel.), die geheiligte, die Braminen-Schnur. Den drei obern Kasten der Indier als Auszeichnung eigen, besteht dieselbe aus einer gewissen Anzahl Fäden aus der Baumwolle einer besondern Staude. Ihre Länge ist nahebei drei Ellen; so hängt sie über der linken Schulter um den Leib. Die Braminen tragen die stärkste, die Kschetrias eine dünnere, die Waisyas eine ganz dünne Schnur, woran man die verschiedenen Kasten erkennt. Büssende oder heilige Braminen tragen statt derselben häufig eine Schlangenhaut.


Sentia (Röm. M.), die Göttin der Meinung, d. h. diejenige, welche Meinungen, Ansichten, Urtheile eingibt.


Sentinus (Röm. M.), der Gott, der die Sinne der Neugebornen weckte und behütete.


Seraphim (Biblisch), Engel, welche den Thron Gottes umgeben; sie haben sechs Flügel, mit deren zweien sie durch den Aether schweben, während die andern Kopf und Füsse verbergen; man glaubt darin ein Symbol der Ewigkeit zu sehen, deren Anfang und Ende uns verschleiert ist.


Serapis, (Aegypt. M.), ein zu Alexandria hoch verehrter Gott, jedoch nicht ägyptischen, sondern griechischen Ursprungs, denn er war der griechische


Fig. 276.
Unterwelts-Gott, der Segenspender Pluto, mit dem Scheffel auf dem Haupte, welcher anzeigt, dass der Herrscher der Unterwelt die Nahrung aus der Erde sprossen lässt. Durch die Herrschaft der Ptolemäer ward er in Aegypten eingeführt, wo ihn die Eingebornen nur nothgedrungen annahmen; doch zählte man zuletzt in Aegypten 42 S.-Tempel. Man hatte über seine Einführung das Märchen: Ptolemäus dem Ersten erschien im Traume ein schöner Jüngling, welcher ihm befahl, seine Bildsäule von Sinope nach Alexandrien zu holen, und ihm dabei eröffnete, er sei S., der Segen und Fluch bringende Gott. Diess gelang nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, insbesondere dadurch, dass der Gott in Sinope selbst aus seinem Tempel in das Schiff ging, und nun wurde ihm vor der Stadt Alexandria an dem Orte Rhacotis ein Tempel erbaut. Die Verpflanzung aus Asien nach Aegypten war vielleicht aus politischen Gründen geschehen, um die neue Hauptstadt des Reiches (Alexandria) zum Hauptsitz der Religion zu machen, und dieser Zweck war vollkommen gelungen, denn S. trat ganz an die Stelle des Osiris, nur dass er nie als leidend und sterbend betrachtet wurde; aber er galt als Gatte der Isis, als Sonnengott, Nilgott, oberster Gott, und ward auch von den Kranken um Hülfe angefleht, so dass er zuletzt sogar mit Aesculap verschmolz. – Er ist nach einer Marmorbüste im Vatican auf unserm Bilde dargestellt als bärtiger, ernster Mann, mit Strahlen um das Haupt, ein Getreidemass auf demselben.


Serestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas, welcher die Rüstung des von Aeneas erschlagenen Hämonides, des Apollopriesters, sammelte und dem Mars Gradivus ein Siegesmal errichtete.


Sergestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas; seiner wird bei dem Wettrennen der Schiffe erwähnt, das Aeneas veranstaltete. Er blieb zwar auf einem Felsen sitzen, ward aber doch von dem Helden mit einer Sclavin beschenkt.


Serosch (Pers. M.), einer der mächtigsten Genien des Ormuzd, König der Erde und Ordner aller Dinge auf derselben. Er ist jedoch keiner der sieben Amschaspands, sondern nur Gehülfe des einen, des Ardibehescht.


Servator (Röm. M.), Beiname Jupiters: »der Erhalter.«


Sesrumner (Nord. M.), der schöne Saal in Freia's Wohnung Folkwang, in welchem sie die Hälfte der Helden der Erde zum Dienst der Liebe und zu allen Lebensfreuden um sich versammelt; hier oder in Walhalla ist sämmtlicher Einheriar Aufenthalt.


Sewafioll (Nord. M.), der Wohnsitz der schönen und starken Sigrun; man glaubt, es sei der Berg Säwa in Wäster Götland in Schweden.


Shoschiskescha (Ind. M.), Beiname des Agni (Gottes des Feuers), welcher bedeutet: der Herr des Glanzes.


Shukra (Ind. M.), der Planet Venus oder der ihn beherrschende und bewohnende Genius; ein Enkel des Brahaspadi, des Planeten Jupiter.


Sibien (Ind. M.), ein Fürst aus dem Geschlechte der Mondskinder. Sein Sohn war Sandren oder Tschandra; sein Enkel der Raja Darmamaden.


Sibyllen, begeisterte Frauen, welche nach der Meinung der Griechen und Römer den Rathschluss der Götter offenbarten. Man hielt sie für gottgeweihete Jungfrauen, und nicht selten errichtete man ihnen Altäre. Die erste griechische S. war durch die Musen selbst erzogen, und ihre Sprüche waren in Hexametern verfasst, was vielleicht von den Priestern geschah, welche auch später Sammlungen solcher Sprüche verkauften. (Sibyllinische Bücher.) Von solchen ward eine hochberühmte Sammlung, neun Bücher an der Zahl, wie man sagt durch die cumäische S., dem römischen Könige Tarquinius Priscus zum Kauf angetragen. Der König fand die geforderte Summe viel zu hoch, da warf sie drei der Bücher in das Feuer und forderte für die sechs übrigen denselben Preis; auf abermalige Weigerung warf sie wieder drei Bücher in das Feuer, und verlangte für das letzte Drittel noch immer den ersten hohen Preis. Verwundert über das seltsame Beginnen, berieth sich Tarquinius mit den Grossen seines Reiches, und darauf wurden die drei übrigen Bücher gekauft; eine eigene Priesterschaft, die Quindecimviri sacris faciundis, erhielt die Aufsicht darüber, und sie wurden ein bleibendes Orakel für den Staat, indem sie bei jeder wichtigen politischen Gelegenheit zu Rathe gezogen wurden, und so die Mächtigeren, die Senatoren und Priester, zu alleinigen Lenkern der Begebenheiten machten, weil ihnen die Deutung der für jeden gegebenen Fall aufgeschlagenen Sprüche überlassen blieb. Die als ächt anerkannten sibyllinischen Bücher befanden sich auf dem Capitol, im Tempel des Jupiter, verschlossen in einen steinernen Kasten, und der Erde anvertraut, um sie vor Feuer zu schützen; aber sie gingen dennoch im marsischen Kriege beim Brande des Tempels zu Grunde, und wurden nur mit vieler Mühe aus einzelnen Sprüchen, welche sich im Munde des Volks befanden, und aus Privatsammlungen wieder so weit zusammengesetzt, dass man tausend Verse erhielt, die als ächt betrachtet und in Staatsangelegenheiten so behandelt wurden, wie die früheren. Kaiser Augustus veranstaltete eine genauere Durchsicht derselben, und liess nach der

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[411/0481] erscheint nirgends abgebildet, weil man sich keine Vorstellung von ihm machen kann; eine Anzahl von Göttern aber, für jeden Stand, jede Stadt, jedes Gewerbe, sind vorhanden; alle diese sind seine Untergebenen, und Befehlshaber über die Menschen, deren Schicksal, deren Wohl und Wehe sie in Händen tragen; sie werden manchfaltig, in Thon, Stein, Holz etc. abgebildet und angebetet, aber auch zertrümmert, wenn sie ihren Besitzern ihre Wünsche nicht gewähren. Sennara (Ind. Rel.), die geheiligte, die Braminen-Schnur. Den drei obern Kasten der Indier als Auszeichnung eigen, besteht dieselbe aus einer gewissen Anzahl Fäden aus der Baumwolle einer besondern Staude. Ihre Länge ist nahebei drei Ellen; so hängt sie über der linken Schulter um den Leib. Die Braminen tragen die stärkste, die Kschetrias eine dünnere, die Waisyas eine ganz dünne Schnur, woran man die verschiedenen Kasten erkennt. Büssende oder heilige Braminen tragen statt derselben häufig eine Schlangenhaut. Sentia (Röm. 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Man hatte über seine Einführung das Märchen: Ptolemäus dem Ersten erschien im Traume ein schöner Jüngling, welcher ihm befahl, seine Bildsäule von Sinope nach Alexandrien zu holen, und ihm dabei eröffnete, er sei S., der Segen und Fluch bringende Gott. Diess gelang nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten, insbesondere dadurch, dass der Gott in Sinope selbst aus seinem Tempel in das Schiff ging, und nun wurde ihm vor der Stadt Alexandria an dem Orte Rhacotis ein Tempel erbaut. Die Verpflanzung aus Asien nach Aegypten war vielleicht aus politischen Gründen geschehen, um die neue Hauptstadt des Reiches (Alexandria) zum Hauptsitz der Religion zu machen, und dieser Zweck war vollkommen gelungen, denn S. trat ganz an die Stelle des Osiris, nur dass er nie als leidend und sterbend betrachtet wurde; aber er galt als Gatte der Isis, als Sonnengott, Nilgott, oberster Gott, und ward auch von den Kranken um Hülfe angefleht, so dass er zuletzt sogar mit Aesculap verschmolz. – Er ist nach einer Marmorbüste im Vatican auf unserm Bilde dargestellt als bärtiger, ernster Mann, mit Strahlen um das Haupt, ein Getreidemass auf demselben. Serestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas, welcher die Rüstung des von Aeneas erschlagenen Hämonides, des Apollopriesters, sammelte und dem Mars Gradivus ein Siegesmal errichtete. Sergestus (Gr. M.), ein Begleiter des Aeneas; seiner wird bei dem Wettrennen der Schiffe erwähnt, das Aeneas veranstaltete. 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Der König fand die geforderte Summe viel zu hoch, da warf sie drei der Bücher in das Feuer und forderte für die sechs übrigen denselben Preis; auf abermalige Weigerung warf sie wieder drei Bücher in das Feuer, und verlangte für das letzte Drittel noch immer den ersten hohen Preis. Verwundert über das seltsame Beginnen, berieth sich Tarquinius mit den Grossen seines Reiches, und darauf wurden die drei übrigen Bücher gekauft; eine eigene Priesterschaft, die Quindecimviri sacris faciundis, erhielt die Aufsicht darüber, und sie wurden ein bleibendes Orakel für den Staat, indem sie bei jeder wichtigen politischen Gelegenheit zu Rathe gezogen wurden, und so die Mächtigeren, die Senatoren und Priester, zu alleinigen Lenkern der Begebenheiten machten, weil ihnen die Deutung der für jeden gegebenen Fall aufgeschlagenen Sprüche überlassen blieb. Die als ächt anerkannten sibyllinischen Bücher befanden sich auf dem Capitol, im Tempel des Jupiter, verschlossen in einen steinernen Kasten, und der Erde anvertraut, um sie vor Feuer zu schützen; aber sie gingen dennoch im marsischen Kriege beim Brande des Tempels zu Grunde, und wurden nur mit vieler Mühe aus einzelnen Sprüchen, welche sich im Munde des Volks befanden, und aus Privatsammlungen wieder so weit zusammengesetzt, dass man tausend Verse erhielt, die als ächt betrachtet und in Staatsangelegenheiten so behandelt wurden, wie die früheren. Kaiser Augustus veranstaltete eine genauere Durchsicht derselben, und liess nach der

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/481>, abgerufen am 15.05.2024.