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Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874.

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Tempel, in welchem ihr jährlich 500 Ziegen geopfert wurden. Als nämlich Xerxes in Griechenland einfiel, gelobte ihr der Polemarch Callimachus, so viele Ziegen zu opfern, all Feinde fallen würden. Deren fiel nun eine solche Zahl, dass man in ganz Griechenland nicht genug Ziegen auftreiben konnte, und daher das Gelübde dahin abänderte, dass ihr, bis die Quantität voll wäre, jährlich 500 dargebracht wurden.


Agrypnis (Gr. M.), Name eines Festes, welches zu Arabela in Sicilien dem Bacchus jährlich gefeiert wurde.


Aguffi, , ein Heiliger der Kalmücken, wird in Menschengestalt, auf einem Stuhle sitzend, mit einem Becher in der Hand abgebildet.


Fig. 10.

Agyieus (Gr. M.), Beiname des die Strassen schützenden Apollo. Die Hermen, welche, ohne Weihung für einen benannten Gott, auf den Plätzen, an den Kreuzwegen etc. standen, waren ihm geheiligt.


Aegypius (Gr. M.), ein junger Mann aus Thessalien; welcher vertrauten Umgang mit einer schönen Wittwe, Timandra, der Mutter des Neophron, hatte. Letzterer wollte dieses nicht leiden, bewog des A. Mutter Bulis zu gleicher Gunst gegen ihn, und da sie ihn einst besuchte, brachte er sie in der Timandra Bett, wodurch A. zu seiner eigenen Mutter gerieth. Die Unglückliche wollte, da sie ihre Schande entdeckte, sich ermorden, die Götter aber verwandelten die ganze Familie in Vögel.


Aegypten. Das uralte mächtige Reich, welches die Pharaonen und Ptolemäer beherrschten, hatte in seiner grössten Ausdehnung ungefähr 6000 Quadratmeilen; es liegt in der nordöstlichsten Ecke von Africa, ist von dem breiten Nil, dem es seinen ganzen Segen verdankt, in seiner vollen Lange durchströmt, und von zwei Gebirgen gegen Osten und Westen begränzt. Die üppigste Fruchtbarkeit wohnt hier neben den schrecklichsten Erscheinungen der Wüste: im Nilthal ein unerschöpflicher Boden, ausserhalb desselben eine dürre, unendliche Sandebene. Diese Gegensätze prägten sich in den Bewohnern aus, und gaben der Mythologie des Landes ihre eigenthümliche Richtung. - Der Raum zwischen der östlichen und westlichen Bergkette hat eine Breite von 3 bis 4 Meilen, gegen Norden öffnet sich das Land, die Berge treten zurück, der Nil hat sich aus seinem eigenen Schlamm eine Gränze gebildet, welche er nur mit Mühe überschreitet, das Delta zwischen den zahlreichen Mündungen des mächtigen Stromes; ehemals so bedeckt mit unzähligen Städten, wie jetzt mit Ruinen. Jeder Fuss breit Landes war benutzt - weil nur wenig Boden da war - darum gab es auch keine Begräbnissplätze, sondern Begräbnisshöhlen in dem westlichen Gebirge, welches das Land vor der Wüste verwahrte; während der östliche Strich die Steine zu den noch jetzt Bewunderung und Staunen erregenden Bauwerken lieferte, deren Masse, deren Zahl und deren Grösse stieg, je weiter man aufwärts an dem Strome kam. Die ungeheuren Pyramiden, und die, ganze Tagereisen lange Strecken bedeckenden Tempeltrümmer, danken alle der Eigenthümlichkeit des Landes ihr Entstehen. Die Todtenwohnungen sollten geschützt werden vor dem Eindringen des Wassers, die Priesterwohnungen vor dem Eindringen der Sonnenglut, daher diese Aufhäufung der gewaltigsten Massen, daher ein Cultus, welcher die Haupterscheinungen des Jahreswechsels zum Fundament hat. - Die alten Griechen und Römer geben an, dass der Urstamm der Bewohner negerartig, mit krausem wolligem Haar, gewesen sei, und auf vielen der alten Intaglios - (Bildwerke im Gegensatz von Relief, nicht erhaben auf dem Stein ausgearbeitet, sondern vertieft), welche die Tempelruinen bedecken und durch den Sand der Wüste vor der Zerstörung geschützt sind, erblickt man wirklich unzählige Gestalten, welche ganz eine Negerphysiognomie, und wo die Luft oder Menschenhand das Pigment nicht weggewischt, auch noch die Farbe der Neger tragen. Zu diesen Schwarzen wanderte ein hellfarbiger Stamm aus Meroe ein, welcher in politischer und religiöser Hinsicht der herrschende ward, aber wahrscheinlich nicht auf jener mächtigen Nilhalbinsel zu Hause war, sondern aus Indien Weisheit und Cultur dahingebracht hatte; eine Meinung, welche sich nach dem berühmten Feldzuge in A. (unter Napoleon) auffallend bestätigte. - Jene Bewohner von Meroe brachten die Kasten - Eintheilung nach A. Die Priester - Kaste war im Besitz aller Wissenschaft, Kunst und Geschicklichkeit, stand den Königen, ihre Gewalt vielfach beschränkend, zur Seite und verwaltete alle Staats - Aemter. Das Volk ward von den Priestern in Krieger, Kaufleute, Gewerbetreibende, Ackerbauer, Hirten und Schiffer getheilt. - Anfangs war das Land in kleinere Königreiche getheilt; sie waren durch Priester-Colonien entstanden, welche von Meroe kamen, Tempel und Städte gründeten, sich die rothen Einwohner unterwarfen, und als das ganze Land unter einem Herrscher vereint war, das Land in 36 Nomen (Kreise) eintheilten. Das tropische Klima, das regelmässige Steigen und Fallen des Segen bringenden Nil, die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von den Jahreszeiten etc. musste bei dem Urvolke eine Religion erzeugen, welche sich auf Pflanzen-, Thier- und Sternen-Dienst gründete, wobei das Wohlthätigste, der Nil selbst, der grösste Fetisch ward. Nun kamen die fremden Priester, brachten eine neue Mythologie mit, modificirten aber dieselbe nach dem schon vorhandenen, und neben dem rohen Fetischismus entwickelte sich eine Priesterreligion, welche sich in ihren Symbolen genau mit jener bestehenden verband, die Verehrung der heiligen Thiere dadurch, dass ihnen höhere Begriffe unterlegt wurden, sanctionirte, aber auch die Hauptgottheiten, Isis und Osiris, als Geber alles Guten einführte, und ihrem Dienst alles andere unterwarf. - Der Ackerbau war die wichtigste Beschäftigung des Aegypters, darum mussten sich seine Gottheiten hauptsächlich auf diesen beziehen und den Landmann lehren, das Nomadenleben, welches der Cultur so sehr hinderlich ist, zu verlassen. - Die richtige genaue Bestimmung der Jahreszeiten war das erste Bedürfniss für den Ackerbau treibenden Staat, dessen Gedeihen von der periodisch wiederkehrenden Nilfluth abhing. Daher die vorgerückte Kenntniss der Gestirne, der Astronomie überhaupt; und aus der Notwendigkeit, gewisse Erscheinungen mit Bestimmtheit voraussagen zu können, erklärt sich der Wunsch, diese Prognostica noch weiter auszudehnen, und so entstand die Astrologie, welche den grössten Einfluss auf das practische Leben erhielt. - Die alten Aegypter dachten sich eine Classe von Göttern, welche, als der erste Ausfluss des alleinigen, höchsten Gottes, erhaben stehen über dem irdischen Sein, und noch nicht in die Körperwelt eingetreten sind: Kneph, das Urlicht, das überall vorwaltende befruchtende Princip; Athor, die Urnacht, das älteste empfangende, urweibliche Princip; Phtha, das Urfeuer, der erste Odem, Lebenshauch - und das zweite männliche Princip, vergesellschaftet mit der goldenen Venus, dem zweiten Weiblichen, Empfangenden; Mendes, das Erzeugende im dritten Grade (der Himmel oder Pan, oder der Phallus des Phtha) und Neith, das Weibliche in dritter Abstufung, die aus der Feuchtigkeit aufgestiegene

Tempel, in welchem ihr jährlich 500 Ziegen geopfert wurden. Als nämlich Xerxes in Griechenland einfiel, gelobte ihr der Polemarch Callimachus, so viele Ziegen zu opfern, all Feinde fallen würden. Deren fiel nun eine solche Zahl, dass man in ganz Griechenland nicht genug Ziegen auftreiben konnte, und daher das Gelübde dahin abänderte, dass ihr, bis die Quantität voll wäre, jährlich 500 dargebracht wurden.


Agrypnis (Gr. M.), Name eines Festes, welches zu Arabela in Sicilien dem Bacchus jährlich gefeiert wurde.


Aguffi, , ein Heiliger der Kalmücken, wird in Menschengestalt, auf einem Stuhle sitzend, mit einem Becher in der Hand abgebildet.


Fig. 10.

Agyieus (Gr. M.), Beiname des die Strassen schützenden Apollo. Die Hermen, welche, ohne Weihung für einen benannten Gott, auf den Plätzen, an den Kreuzwegen etc. standen, waren ihm geheiligt.


Aegypius (Gr. M.), ein junger Mann aus Thessalien; welcher vertrauten Umgang mit einer schönen Wittwe, Timandra, der Mutter des Neophron, hatte. Letzterer wollte dieses nicht leiden, bewog des A. Mutter Bulis zu gleicher Gunst gegen ihn, und da sie ihn einst besuchte, brachte er sie in der Timandra Bett, wodurch A. zu seiner eigenen Mutter gerieth. Die Unglückliche wollte, da sie ihre Schande entdeckte, sich ermorden, die Götter aber verwandelten die ganze Familie in Vögel.


Aegypten. Das uralte mächtige Reich, welches die Pharaonen und Ptolemäer beherrschten, hatte in seiner grössten Ausdehnung ungefähr 6000 Quadratmeilen; es liegt in der nordöstlichsten Ecke von Africa, ist von dem breiten Nil, dem es seinen ganzen Segen verdankt, in seiner vollen Lange durchströmt, und von zwei Gebirgen gegen Osten und Westen begränzt. Die üppigste Fruchtbarkeit wohnt hier neben den schrecklichsten Erscheinungen der Wüste: im Nilthal ein unerschöpflicher Boden, ausserhalb desselben eine dürre, unendliche Sandebene. Diese Gegensätze prägten sich in den Bewohnern aus, und gaben der Mythologie des Landes ihre eigenthümliche Richtung. – Der Raum zwischen der östlichen und westlichen Bergkette hat eine Breite von 3 bis 4 Meilen, gegen Norden öffnet sich das Land, die Berge treten zurück, der Nil hat sich aus seinem eigenen Schlamm eine Gränze gebildet, welche er nur mit Mühe überschreitet, das Delta zwischen den zahlreichen Mündungen des mächtigen Stromes; ehemals so bedeckt mit unzähligen Städten, wie jetzt mit Ruinen. Jeder Fuss breit Landes war benutzt – weil nur wenig Boden da war – darum gab es auch keine Begräbnissplätze, sondern Begräbnisshöhlen in dem westlichen Gebirge, welches das Land vor der Wüste verwahrte; während der östliche Strich die Steine zu den noch jetzt Bewunderung und Staunen erregenden Bauwerken lieferte, deren Masse, deren Zahl und deren Grösse stieg, je weiter man aufwärts an dem Strome kam. Die ungeheuren Pyramiden, und die, ganze Tagereisen lange Strecken bedeckenden Tempeltrümmer, danken alle der Eigenthümlichkeit des Landes ihr Entstehen. Die Todtenwohnungen sollten geschützt werden vor dem Eindringen des Wassers, die Priesterwohnungen vor dem Eindringen der Sonnenglut, daher diese Aufhäufung der gewaltigsten Massen, daher ein Cultus, welcher die Haupterscheinungen des Jahreswechsels zum Fundament hat. – Die alten Griechen und Römer geben an, dass der Urstamm der Bewohner negerartig, mit krausem wolligem Haar, gewesen sei, und auf vielen der alten Intaglios – (Bildwerke im Gegensatz von Relief, nicht erhaben auf dem Stein ausgearbeitet, sondern vertieft), welche die Tempelruinen bedecken und durch den Sand der Wüste vor der Zerstörung geschützt sind, erblickt man wirklich unzählige Gestalten, welche ganz eine Negerphysiognomie, und wo die Luft oder Menschenhand das Pigment nicht weggewischt, auch noch die Farbe der Neger tragen. Zu diesen Schwarzen wanderte ein hellfarbiger Stamm aus Meroë ein, welcher in politischer und religiöser Hinsicht der herrschende ward, aber wahrscheinlich nicht auf jener mächtigen Nilhalbinsel zu Hause war, sondern aus Indien Weisheit und Cultur dahingebracht hatte; eine Meinung, welche sich nach dem berühmten Feldzuge in A. (unter Napoleon) auffallend bestätigte. – Jene Bewohner von Meroë brachten die Kasten – Eintheilung nach A. Die Priester – Kaste war im Besitz aller Wissenschaft, Kunst und Geschicklichkeit, stand den Königen, ihre Gewalt vielfach beschränkend, zur Seite und verwaltete alle Staats – Aemter. Das Volk ward von den Priestern in Krieger, Kaufleute, Gewerbetreibende, Ackerbauer, Hirten und Schiffer getheilt. – Anfangs war das Land in kleinere Königreiche getheilt; sie waren durch Priester-Colonien entstanden, welche von Meroë kamen, Tempel und Städte gründeten, sich die rothen Einwohner unterwarfen, und als das ganze Land unter einem Herrscher vereint war, das Land in 36 Nomen (Kreise) eintheilten. Das tropische Klima, das regelmässige Steigen und Fallen des Segen bringenden Nil, die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von den Jahreszeiten etc. musste bei dem Urvolke eine Religion erzeugen, welche sich auf Pflanzen-, Thier- und Sternen-Dienst gründete, wobei das Wohlthätigste, der Nil selbst, der grösste Fetisch ward. Nun kamen die fremden Priester, brachten eine neue Mythologie mit, modificirten aber dieselbe nach dem schon vorhandenen, und neben dem rohen Fetischismus entwickelte sich eine Priesterreligion, welche sich in ihren Symbolen genau mit jener bestehenden verband, die Verehrung der heiligen Thiere dadurch, dass ihnen höhere Begriffe unterlegt wurden, sanctionirte, aber auch die Hauptgottheiten, Isis und Osiris, als Geber alles Guten einführte, und ihrem Dienst alles andere unterwarf. – Der Ackerbau war die wichtigste Beschäftigung des Aegypters, darum mussten sich seine Gottheiten hauptsächlich auf diesen beziehen und den Landmann lehren, das Nomadenleben, welches der Cultur so sehr hinderlich ist, zu verlassen. – Die richtige genaue Bestimmung der Jahreszeiten war das erste Bedürfniss für den Ackerbau treibenden Staat, dessen Gedeihen von der periodisch wiederkehrenden Nilfluth abhing. Daher die vorgerückte Kenntniss der Gestirne, der Astronomie überhaupt; und aus der Notwendigkeit, gewisse Erscheinungen mit Bestimmtheit voraussagen zu können, erklärt sich der Wunsch, diese Prognostica noch weiter auszudehnen, und so entstand die Astrologie, welche den grössten Einfluss auf das practische Leben erhielt. – Die alten Aegypter dachten sich eine Classe von Göttern, welche, als der erste Ausfluss des alleinigen, höchsten Gottes, erhaben stehen über dem irdischen Sein, und noch nicht in die Körperwelt eingetreten sind: Kneph, das Urlicht, das überall vorwaltende befruchtende Princip; Athor, die Urnacht, das älteste empfangende, urweibliche Princip; Phtha, das Urfeuer, der erste Odem, Lebenshauch – und das zweite männliche Princip, vergesellschaftet mit der goldenen Venus, dem zweiten Weiblichen, Empfangenden; Mendes, das Erzeugende im dritten Grade (der Himmel oder Pan, oder der Phallus des Phtha) und Neïth, das Weibliche in dritter Abstufung, die aus der Feuchtigkeit aufgestiegene

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Die ungeheuren Pyramiden, und die, ganze Tagereisen lange Strecken bedeckenden Tempeltrümmer, danken alle der Eigenthümlichkeit des Landes ihr Entstehen. Die Todtenwohnungen sollten geschützt werden vor dem Eindringen des Wassers, die Priesterwohnungen vor dem Eindringen der Sonnenglut, daher diese Aufhäufung der gewaltigsten Massen, daher ein Cultus, welcher die Haupterscheinungen des Jahreswechsels zum Fundament hat. &#x2013; Die alten Griechen und Römer geben an, dass der Urstamm der Bewohner negerartig, mit krausem wolligem Haar, gewesen sei, und auf vielen der alten Intaglios &#x2013; (Bildwerke im Gegensatz von Relief, nicht erhaben auf dem Stein ausgearbeitet, sondern vertieft), welche die Tempelruinen bedecken und durch den Sand der Wüste vor der Zerstörung geschützt sind, erblickt man wirklich unzählige Gestalten, welche ganz eine Negerphysiognomie, und wo die Luft oder Menschenhand das Pigment nicht weggewischt, auch noch die Farbe der Neger tragen. Zu diesen Schwarzen wanderte ein hellfarbiger Stamm aus Meroë ein, welcher in politischer und religiöser Hinsicht der herrschende ward, aber wahrscheinlich nicht auf jener mächtigen Nilhalbinsel zu Hause war, sondern aus Indien Weisheit und Cultur dahingebracht hatte; eine Meinung, welche sich nach dem berühmten Feldzuge in A. (unter Napoleon) auffallend bestätigte. &#x2013; Jene Bewohner von Meroë brachten die Kasten &#x2013; Eintheilung nach A. Die Priester &#x2013; Kaste war im Besitz aller Wissenschaft, Kunst und Geschicklichkeit, stand den Königen, ihre Gewalt vielfach beschränkend, zur Seite und verwaltete alle Staats &#x2013; Aemter. Das Volk ward von den Priestern in Krieger, Kaufleute, Gewerbetreibende, Ackerbauer, Hirten und Schiffer getheilt. &#x2013; Anfangs war das Land in kleinere Königreiche getheilt; sie waren durch Priester-Colonien entstanden, welche von Meroë kamen, Tempel und Städte gründeten, sich die rothen Einwohner unterwarfen, und als das ganze Land unter einem Herrscher vereint war, das Land in 36 Nomen (Kreise) eintheilten. Das tropische Klima, das regelmässige Steigen und Fallen des Segen bringenden Nil, die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von den Jahreszeiten etc. musste bei dem Urvolke eine Religion erzeugen, welche sich auf Pflanzen-, Thier- und Sternen-Dienst gründete, wobei das Wohlthätigste, der Nil selbst, der grösste Fetisch ward. Nun kamen die fremden Priester, brachten eine neue Mythologie mit, modificirten aber dieselbe nach dem schon vorhandenen, und neben dem rohen Fetischismus entwickelte sich eine Priesterreligion, welche sich in ihren Symbolen genau mit jener bestehenden verband, die Verehrung der heiligen Thiere dadurch, dass ihnen höhere Begriffe unterlegt wurden, sanctionirte, aber auch die Hauptgottheiten, Isis und Osiris, als Geber alles Guten einführte, und ihrem Dienst alles andere unterwarf. &#x2013; Der Ackerbau war die wichtigste Beschäftigung des Aegypters, darum mussten sich seine Gottheiten hauptsächlich auf <hi rendition="#g">diesen</hi> beziehen und den Landmann lehren, das Nomadenleben, welches der Cultur so sehr hinderlich ist, zu verlassen. &#x2013; Die richtige genaue Bestimmung der Jahreszeiten war das erste Bedürfniss für den Ackerbau treibenden Staat, dessen Gedeihen von der periodisch wiederkehrenden Nilfluth abhing. 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[20/0090] Tempel, in welchem ihr jährlich 500 Ziegen geopfert wurden. Als nämlich Xerxes in Griechenland einfiel, gelobte ihr der Polemarch Callimachus, so viele Ziegen zu opfern, all Feinde fallen würden. Deren fiel nun eine solche Zahl, dass man in ganz Griechenland nicht genug Ziegen auftreiben konnte, und daher das Gelübde dahin abänderte, dass ihr, bis die Quantität voll wäre, jährlich 500 dargebracht wurden. Agrypnis (Gr. M.), Name eines Festes, welches zu Arabela in Sicilien dem Bacchus jährlich gefeiert wurde. Aguffi, , ein Heiliger der Kalmücken, wird in Menschengestalt, auf einem Stuhle sitzend, mit einem Becher in der Hand abgebildet. [Abbildung Fig. 10. ] Agyieus (Gr. M.), Beiname des die Strassen schützenden Apollo. Die Hermen, welche, ohne Weihung für einen benannten Gott, auf den Plätzen, an den Kreuzwegen etc. standen, waren ihm geheiligt. Aegypius (Gr. M.), ein junger Mann aus Thessalien; welcher vertrauten Umgang mit einer schönen Wittwe, Timandra, der Mutter des Neophron, hatte. Letzterer wollte dieses nicht leiden, bewog des A. Mutter Bulis zu gleicher Gunst gegen ihn, und da sie ihn einst besuchte, brachte er sie in der Timandra Bett, wodurch A. zu seiner eigenen Mutter gerieth. Die Unglückliche wollte, da sie ihre Schande entdeckte, sich ermorden, die Götter aber verwandelten die ganze Familie in Vögel. Aegypten. Das uralte mächtige Reich, welches die Pharaonen und Ptolemäer beherrschten, hatte in seiner grössten Ausdehnung ungefähr 6000 Quadratmeilen; es liegt in der nordöstlichsten Ecke von Africa, ist von dem breiten Nil, dem es seinen ganzen Segen verdankt, in seiner vollen Lange durchströmt, und von zwei Gebirgen gegen Osten und Westen begränzt. Die üppigste Fruchtbarkeit wohnt hier neben den schrecklichsten Erscheinungen der Wüste: im Nilthal ein unerschöpflicher Boden, ausserhalb desselben eine dürre, unendliche Sandebene. Diese Gegensätze prägten sich in den Bewohnern aus, und gaben der Mythologie des Landes ihre eigenthümliche Richtung. – Der Raum zwischen der östlichen und westlichen Bergkette hat eine Breite von 3 bis 4 Meilen, gegen Norden öffnet sich das Land, die Berge treten zurück, der Nil hat sich aus seinem eigenen Schlamm eine Gränze gebildet, welche er nur mit Mühe überschreitet, das Delta zwischen den zahlreichen Mündungen des mächtigen Stromes; ehemals so bedeckt mit unzähligen Städten, wie jetzt mit Ruinen. Jeder Fuss breit Landes war benutzt – weil nur wenig Boden da war – darum gab es auch keine Begräbnissplätze, sondern Begräbnisshöhlen in dem westlichen Gebirge, welches das Land vor der Wüste verwahrte; während der östliche Strich die Steine zu den noch jetzt Bewunderung und Staunen erregenden Bauwerken lieferte, deren Masse, deren Zahl und deren Grösse stieg, je weiter man aufwärts an dem Strome kam. Die ungeheuren Pyramiden, und die, ganze Tagereisen lange Strecken bedeckenden Tempeltrümmer, danken alle der Eigenthümlichkeit des Landes ihr Entstehen. Die Todtenwohnungen sollten geschützt werden vor dem Eindringen des Wassers, die Priesterwohnungen vor dem Eindringen der Sonnenglut, daher diese Aufhäufung der gewaltigsten Massen, daher ein Cultus, welcher die Haupterscheinungen des Jahreswechsels zum Fundament hat. – Die alten Griechen und Römer geben an, dass der Urstamm der Bewohner negerartig, mit krausem wolligem Haar, gewesen sei, und auf vielen der alten Intaglios – (Bildwerke im Gegensatz von Relief, nicht erhaben auf dem Stein ausgearbeitet, sondern vertieft), welche die Tempelruinen bedecken und durch den Sand der Wüste vor der Zerstörung geschützt sind, erblickt man wirklich unzählige Gestalten, welche ganz eine Negerphysiognomie, und wo die Luft oder Menschenhand das Pigment nicht weggewischt, auch noch die Farbe der Neger tragen. Zu diesen Schwarzen wanderte ein hellfarbiger Stamm aus Meroë ein, welcher in politischer und religiöser Hinsicht der herrschende ward, aber wahrscheinlich nicht auf jener mächtigen Nilhalbinsel zu Hause war, sondern aus Indien Weisheit und Cultur dahingebracht hatte; eine Meinung, welche sich nach dem berühmten Feldzuge in A. (unter Napoleon) auffallend bestätigte. – Jene Bewohner von Meroë brachten die Kasten – Eintheilung nach A. Die Priester – Kaste war im Besitz aller Wissenschaft, Kunst und Geschicklichkeit, stand den Königen, ihre Gewalt vielfach beschränkend, zur Seite und verwaltete alle Staats – Aemter. Das Volk ward von den Priestern in Krieger, Kaufleute, Gewerbetreibende, Ackerbauer, Hirten und Schiffer getheilt. – Anfangs war das Land in kleinere Königreiche getheilt; sie waren durch Priester-Colonien entstanden, welche von Meroë kamen, Tempel und Städte gründeten, sich die rothen Einwohner unterwarfen, und als das ganze Land unter einem Herrscher vereint war, das Land in 36 Nomen (Kreise) eintheilten. Das tropische Klima, das regelmässige Steigen und Fallen des Segen bringenden Nil, die Abhängigkeit dieser Erscheinungen von den Jahreszeiten etc. musste bei dem Urvolke eine Religion erzeugen, welche sich auf Pflanzen-, Thier- und Sternen-Dienst gründete, wobei das Wohlthätigste, der Nil selbst, der grösste Fetisch ward. Nun kamen die fremden Priester, brachten eine neue Mythologie mit, modificirten aber dieselbe nach dem schon vorhandenen, und neben dem rohen Fetischismus entwickelte sich eine Priesterreligion, welche sich in ihren Symbolen genau mit jener bestehenden verband, die Verehrung der heiligen Thiere dadurch, dass ihnen höhere Begriffe unterlegt wurden, sanctionirte, aber auch die Hauptgottheiten, Isis und Osiris, als Geber alles Guten einführte, und ihrem Dienst alles andere unterwarf. – Der Ackerbau war die wichtigste Beschäftigung des Aegypters, darum mussten sich seine Gottheiten hauptsächlich auf diesen beziehen und den Landmann lehren, das Nomadenleben, welches der Cultur so sehr hinderlich ist, zu verlassen. – Die richtige genaue Bestimmung der Jahreszeiten war das erste Bedürfniss für den Ackerbau treibenden Staat, dessen Gedeihen von der periodisch wiederkehrenden Nilfluth abhing. Daher die vorgerückte Kenntniss der Gestirne, der Astronomie überhaupt; und aus der Notwendigkeit, gewisse Erscheinungen mit Bestimmtheit voraussagen zu können, erklärt sich der Wunsch, diese Prognostica noch weiter auszudehnen, und so entstand die Astrologie, welche den grössten Einfluss auf das practische Leben erhielt. – Die alten Aegypter dachten sich eine Classe von Göttern, welche, als der erste Ausfluss des alleinigen, höchsten Gottes, erhaben stehen über dem irdischen Sein, und noch nicht in die Körperwelt eingetreten sind: Kneph, das Urlicht, das überall vorwaltende befruchtende Princip; Athor, die Urnacht, das älteste empfangende, urweibliche Princip; Phtha, das Urfeuer, der erste Odem, Lebenshauch – und das zweite männliche Princip, vergesellschaftet mit der goldenen Venus, dem zweiten Weiblichen, Empfangenden; Mendes, das Erzeugende im dritten Grade (der Himmel oder Pan, oder der Phallus des Phtha) und Neïth, das Weibliche in dritter Abstufung, die aus der Feuchtigkeit aufgestiegene

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Zitationshilfe: Dr. Vollmer’s Wörterbuch der Mythologie aller Völker. 3. Aufl. Stuttgart, 1874, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/vollmer_mythologie_1874/90>, abgerufen am 15.05.2024.