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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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[Spaltenumbruch] an der Weichsel, dessen Richter einen dortigen Schlosser wegen eines begangenen Verbrechens zum Tode verurtheilten, statt seiner aber, da er der einzige Schlosser in der Stadt war und nicht gut entbehrt werden konnte, einen der beiden Schmiede hinrichten liessen, die sich am Orte befanden. Man hatte so der Stadt Schmiede und Schlosser erhalten und glaubte doch auch der - Gerechtigkeit Genüge gethan zu haben. (Reinsberg IV, 78.)

12 Die grösste Gerechtigkeit ist die grösste Ungerechtigkeit.

Dass Gerechtigkeit keine Ungerechtigkeit sein kann, ist an sich klar; in dem Sprichwort ist von dem buchstäblichen Verständniss und der buchstäblichen Anwendung positiver Gesetze die Rede. - Jakobi erklärt die Gerechtigkeit als die Freiheit derer, welche gleich sind, und Ungerechtigkeit als die Freiheit derer, die ungleich sind. (Ruge, Sämmtliche Werke, Manheim 1848, I, 30.) Nach Schopenhauer besteht die Gerechtigkeit darin, "dass der Mensch es unterlässt, Leiden über andere zu verhängen, um sein eigenes Wohlsein dadurch zu vermehren".

13 Du arme Gerechtigkeit liegst im Bett und hast kein Kleid. - Simrock, 3433; Körte, 2037; Kirchhofer, 152; Reinsberg II, 132.

"Gibt es in Frankreich noch einen Menschen, der an Gerechtigkeit und Ehre glaubt?" (Proudhon, Börsenspeculanten.)

14 Durch Gerechtigkeit wird der Thron bestätigt. - Körte, 2035; Körte2, 2508.

15 Es lebe die Gerechtigkeit und sterbe die Welt! - Heuseler, 229 u. 373; Parömiakon, 2161.

"Es gibt nur Eine Tugend", sagt Seume, "und diese Tugend ist Gerechtigkeit." Diese Gerechtigkeit ist aber im vorstehenden Sprichwort nicht gemeint, sondern der Grundsatz herzloser Juristen: Es lebe der Buchstabe des Gesetzes, wenn auch die Welt darüber unterginge. Etwa wie die Parodie: Es sterbe der Hund, es lebe der Stock!

16 Gerechtigkeit biegt sich, die Kirche fügt (schmiegt) sich, das Volk verirrt sich und der Satan sucht seinen Raub.

Frz.: Justice ploye, l'eglise noye, le commun desvoye, Sathan quiert sa proye, justice sur toutes vertus a le prix. (Leroux, II, 98; Kritzinger, 406b.)

17 Gerechtigkeit fiel die Stiege ab, ihr ist noth, dass man sie lab'. - Eiselein, 226.

18 Gerechtigkeit fordert man im (gestreckten) Galop und gewährt sie im Schneckenschritt.

19 Gerechtigkeit fördert zum Leben, dem vbel nachjagen, fördert zum Todt. - Petri, II, 334.

20 Gerechtigkeit hegen, Mässigkeit pflegen. - Hertz, 72.

Inschrift auf einem Geschirr.

21 Gerechtigkeit ist am liebsten gesehen, wenn sie beim Nachbar wohnt.

It.: Ognuno ama la giustizia a casa altrui, a nessun piace a casa sua. (Bohn I, 117.)

22 Gerechtigkeit ist blind, sie urtheilt, wie sie's find't.

23 Gerechtigkeit ist des Fürsten Spiegel. - Winckler, XVIII, 80.

Die Russen: Gerechtigkeit ist des Zaren Krone und Weisheit sein Scepter. (Altmann VI, 447.)

It.: Del prencipe lo specchio e la giustizia. (Pazzaglia, 142, 3.)

24 Gerechtigkeit ist des Reiches Grundfeste.

Frz.: La justice est la pierre fondamentale d'un etat. (Kritzinger, 406b.)

Lat.: Justitia regnorum fundamentum. (Egeria, 119.)

25 Gerechtigkeit ist Gottes, Gerechtigkeiten sind des Teufels.

26 Gerechtigkeit ist leichter als Gold.

27 Gerechtigkeit ist stet. - Graf, 6, 109.

Sie wird immer das Ziel des Strebens und Wünschens sein. So viel Unrecht es in der Welt gibt, nie wird die Ungerechtigkeit zur Grundlage der Gesellschaft gemacht werden.

Mhd.: Gerechtigkait ist stät. (Lichner, 1, 1.)

28 Gerechtigkeit ist todt, der Glaub leidet noth. - Henisch, 1509, 50; Petri, II, 334.

29 Gerechtigkeit ligt vnter der banck, Warheit vnd trew ist worden kranck. - Henisch, 1509, 52; Petri, II, 334.

Böhm.: Spravedlnost do nebe utekla. (Celakovsky, 361.)

30 Gerechtigkeit macht Unterschied. - Graf, 5, 81.

D. h. die wahre Gerechtigkeit beurtheilt die Handlung nach Ort, Zeit, Umständen und knüpft an diese Unterscheidungen bestimmte Folgen; sie schert nicht über Einen Kamm.

Mhd.: Gerechtigkait macht vnderschaid. (Lichner, I, 1.)

[Spaltenumbruch] 31 Gerechtigkeit muss geschehen, sollt auch die ganze Welt vergehen. - Henisch, 1509, 54; Petri, II, 334.

32 Gerechtigkeit will Muth haben.

Lat.: Justitia melior fortitudine. (Bovill, II, 99.)

33 In hundert Pfund Gerechtigkeit ist kein Loth Liebe enthalten. - Michelet, Gedanken.

Ein türkisches Sprichwort dagegen sagt: Eine Stunde Gerechtigkeit ist so viel werth als siebzig Jahre Gebete. (Cahier, 2698.)

34 Kommt Gerechtigkeit vors Thor, so findet sie Schloss (Ketten) und Riegel vor.

Die Russen: Wollte die Gerechtigkeit auch zehn Jahre wandern, sie fände in den Schlössern der Grossen doch keine Herberge. (Altmann VI, 387.)

35 Tracht erstlich nach Gerechtigkeit, so hast du genugsam allezeit. - Eyering, III, 319.

36 Verzögerte Gerechtigkeit ist Ungerechtigkeit.

37 Wenn man die Gerechtigkeit biegt, so bricht sie. - Braun, I, 735; Graf, 18, 228; Körte, 2036; Simrock, 3432.

Etwas Biegung verträgt sie schon, wie die Erfahrung lehrt.

38 Wenn man die Gerechtigkeit im eigenen Hause nicht findet, sucht man sie in des Nachbars.

Aehnlich russisch Altmann VI, 472.

39 Wer helt gerechtigkeit inn der hand, dess gewalt mag haben guten Bestand. - Henisch, 1510, 8; Graf, 524, 309.

40 Wo Gerechtigkeit das Regiment führt, da wohnt das Glück.

"Denn", sagt Aristoteles in seiner Ethik (übersetzt von Garve.) , "in der Gerechtigkeit liegt jede Tugend verborgen."

It.: Felice con ragione la casa, dove regna la ragione. (Pazzaglia, 317, 4.)

41 Wo keine Gerechtigkeit, da ist auch kein Friede.

Und auch keine wahre Freiheit. "Ihr wollt frei sein", rief Sieyes den Franzosen zu, "und wisst nicht gerecht zu sein." (Annalen der leidenden Menschheit, 1799, Hft. 6, S. 163.) Und Friedrich Wilhelm IV. von Preussen hat einem katholischen General ins Album geschrieben: "Ohne Gerechtigkeit keine Ehre, ohne Ehre kein Glück." (National-Zeitung, Berlin 1857, Nr. 3.)

It.: Dove non e giustizia, non e pace. (Pazzaglia, 142, 4.)

*42 Die Gerechtigkeit bei der Nase ziehen. - Parömiakon, 1663.

Das Recht drehen, wenden.

Frz.: Bon fait justice prevenir. (Leroux, II, 184.)

*43 Er ist der Gerechtigkeit ins Garn gelaufen.

*44 Hier kann man die Gerechtigkeit mit Laternen suchen. - Frischbier, 1230.


Gerede.

1 Viel Gerede und nichts dahinter.

Frz.: De grand langage peu de fruict, grand dommage. (Leroux, II, 209.)

2 Was kann das Gerede nutzen, sagte Hans Schnapp, die paar Böhmen Geld will ich haben, die die Mutter hat.

*3 Dies Gerede hat kein Gesicht und keine Gestalt (weder Hand noch Fuss).

Jüd.-deutsch: Die Schmue hot kaan Ponim un kaan Zure. (Tendlau, 83.)


Gereden.

1 Einer geredt, der ander helt. - Henisch, 1510, 24.

2 Gereden vnd halten ist zweyerlei. - Agricola I, 731; Egenolff, 291a; Schottel, 1140b; Petri, II, 334; Eiselein, 227.

Frz.: Promettre est un, et tenir est un autre. (Eiselein, 227.)

3 Gereden vnd halten war steiff bey den alten. - Eyering, II, 650.


Gereiss.

* Sie hot's Garaiss. (Würzburg.) - Sartorius, 161.

Man reisst sich um sie, sie hat viel Tänzer, Liebhaber, Freier.


Gereon.

*1 Das dich S. Gereons thurn plage. - Tappius, 43b.

Lat.: In lapidicinas. (Erasm., 457; Tappius, 43b; Henisch, 1511, 35.)

*2 Einen in Sanct-Gereon's Loch setzen, dass ihn die Sonne nicht bescheine.


Gereonskiste.

* In die Gereonskiste kommen. - Weyden.

So sagt man in Köln von heirathslustigen Jungfrauen, denen der Spätsommer naht, ohne das sie unter die

[Spaltenumbruch] an der Weichsel, dessen Richter einen dortigen Schlosser wegen eines begangenen Verbrechens zum Tode verurtheilten, statt seiner aber, da er der einzige Schlosser in der Stadt war und nicht gut entbehrt werden konnte, einen der beiden Schmiede hinrichten liessen, die sich am Orte befanden. Man hatte so der Stadt Schmiede und Schlosser erhalten und glaubte doch auch der – Gerechtigkeit Genüge gethan zu haben. (Reinsberg IV, 78.)

12 Die grösste Gerechtigkeit ist die grösste Ungerechtigkeit.

Dass Gerechtigkeit keine Ungerechtigkeit sein kann, ist an sich klar; in dem Sprichwort ist von dem buchstäblichen Verständniss und der buchstäblichen Anwendung positiver Gesetze die Rede. – Jakobi erklärt die Gerechtigkeit als die Freiheit derer, welche gleich sind, und Ungerechtigkeit als die Freiheit derer, die ungleich sind. (Ruge, Sämmtliche Werke, Manheim 1848, I, 30.) Nach Schopenhauer besteht die Gerechtigkeit darin, „dass der Mensch es unterlässt, Leiden über andere zu verhängen, um sein eigenes Wohlsein dadurch zu vermehren“.

13 Du arme Gerechtigkeit liegst im Bett und hast kein Kleid.Simrock, 3433; Körte, 2037; Kirchhofer, 152; Reinsberg II, 132.

„Gibt es in Frankreich noch einen Menschen, der an Gerechtigkeit und Ehre glaubt?“ (Proudhon, Börsenspeculanten.)

14 Durch Gerechtigkeit wird der Thron bestätigt.Körte, 2035; Körte2, 2508.

15 Es lebe die Gerechtigkeit und sterbe die Welt!Heuseler, 229 u. 373; Parömiakon, 2161.

„Es gibt nur Eine Tugend“, sagt Seume, „und diese Tugend ist Gerechtigkeit.“ Diese Gerechtigkeit ist aber im vorstehenden Sprichwort nicht gemeint, sondern der Grundsatz herzloser Juristen: Es lebe der Buchstabe des Gesetzes, wenn auch die Welt darüber unterginge. Etwa wie die Parodie: Es sterbe der Hund, es lebe der Stock!

16 Gerechtigkeit biegt sich, die Kirche fügt (schmiegt) sich, das Volk verirrt sich und der Satan sucht seinen Raub.

Frz.: Justice ploye, l'église noye, le commun desvoye, Sathan quiert sa proye, justice sur toutes vertus a le prix. (Leroux, II, 98; Kritzinger, 406b.)

17 Gerechtigkeit fiel die Stiege ab, ihr ist noth, dass man sie lab'.Eiselein, 226.

18 Gerechtigkeit fordert man im (gestreckten) Galop und gewährt sie im Schneckenschritt.

19 Gerechtigkeit fördert zum Leben, dem vbel nachjagen, fördert zum Todt.Petri, II, 334.

20 Gerechtigkeit hegen, Mässigkeit pflegen.Hertz, 72.

Inschrift auf einem Geschirr.

21 Gerechtigkeit ist am liebsten gesehen, wenn sie beim Nachbar wohnt.

It.: Ognuno ama la giustizia a casa altrui, a nessun piace a casa sua. (Bohn I, 117.)

22 Gerechtigkeit ist blind, sie urtheilt, wie sie's find't.

23 Gerechtigkeit ist des Fürsten Spiegel.Winckler, XVIII, 80.

Die Russen: Gerechtigkeit ist des Zaren Krone und Weisheit sein Scepter. (Altmann VI, 447.)

It.: Del prencipe lo specchio è la giustizia. (Pazzaglia, 142, 3.)

24 Gerechtigkeit ist des Reiches Grundfeste.

Frz.: La justice est la pierre fondamentale d'un état. (Kritzinger, 406b.)

Lat.: Justitia regnorum fundamentum. (Egeria, 119.)

25 Gerechtigkeit ist Gottes, Gerechtigkeiten sind des Teufels.

26 Gerechtigkeit ist leichter als Gold.

27 Gerechtigkeit ist stet.Graf, 6, 109.

Sie wird immer das Ziel des Strebens und Wünschens sein. So viel Unrecht es in der Welt gibt, nie wird die Ungerechtigkeit zur Grundlage der Gesellschaft gemacht werden.

Mhd.: Gerechtigkait ist stät. (Lichner, 1, 1.)

28 Gerechtigkeit ist todt, der Glaub leidet noth.Henisch, 1509, 50; Petri, II, 334.

29 Gerechtigkeit ligt vnter der banck, Warheit vnd trew ist worden kranck.Henisch, 1509, 52; Petri, II, 334.

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Mhd.: Gerechtigkait macht vnderschaid. (Lichner, I, 1.)

[Spaltenumbruch] 31 Gerechtigkeit muss geschehen, sollt auch die ganze Welt vergehen.Henisch, 1509, 54; Petri, II, 334.

32 Gerechtigkeit will Muth haben.

Lat.: Justitia melior fortitudine. (Bovill, II, 99.)

33 In hundert Pfund Gerechtigkeit ist kein Loth Liebe enthalten.Michelet, Gedanken.

Ein türkisches Sprichwort dagegen sagt: Eine Stunde Gerechtigkeit ist so viel werth als siebzig Jahre Gebete. (Cahier, 2698.)

34 Kommt Gerechtigkeit vors Thor, so findet sie Schloss (Ketten) und Riegel vor.

Die Russen: Wollte die Gerechtigkeit auch zehn Jahre wandern, sie fände in den Schlössern der Grossen doch keine Herberge. (Altmann VI, 387.)

35 Tracht erstlich nach Gerechtigkeit, so hast du genugsam allezeit.Eyering, III, 319.

36 Verzögerte Gerechtigkeit ist Ungerechtigkeit.

37 Wenn man die Gerechtigkeit biegt, so bricht sie.Braun, I, 735; Graf, 18, 228; Körte, 2036; Simrock, 3432.

Etwas Biegung verträgt sie schon, wie die Erfahrung lehrt.

38 Wenn man die Gerechtigkeit im eigenen Hause nicht findet, sucht man sie in des Nachbars.

Aehnlich russisch Altmann VI, 472.

39 Wer helt gerechtigkeit inn der hand, dess gewalt mag haben guten Bestand.Henisch, 1510, 8; Graf, 524, 309.

40 Wo Gerechtigkeit das Regiment führt, da wohnt das Glück.

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It.: Felice con ragione la casa, dove regna la ragione. (Pazzaglia, 317, 4.)

41 Wo keine Gerechtigkeit, da ist auch kein Friede.

Und auch keine wahre Freiheit. „Ihr wollt frei sein“, rief Sieyès den Franzosen zu, „und wisst nicht gerecht zu sein.“ (Annalen der leidenden Menschheit, 1799, Hft. 6, S. 163.) Und Friedrich Wilhelm IV. von Preussen hat einem katholischen General ins Album geschrieben: „Ohne Gerechtigkeit keine Ehre, ohne Ehre kein Glück.“ (National-Zeitung, Berlin 1857, Nr. 3.)

It.: Dove non è giustizia, non è pace. (Pazzaglia, 142, 4.)

*42 Die Gerechtigkeit bei der Nase ziehen.Parömiakon, 1663.

Das Recht drehen, wenden.

Frz.: Bon fait justice prevenir. (Leroux, II, 184.)

*43 Er ist der Gerechtigkeit ins Garn gelaufen.

*44 Hier kann man die Gerechtigkeit mit Laternen suchen.Frischbier, 1230.


Gerede.

1 Viel Gerede und nichts dahinter.

Frz.: De grand langage peu de fruict, grand dommage. (Leroux, II, 209.)

2 Was kann das Gerede nutzen, sagte Hans Schnapp, die paar Böhmen Geld will ich haben, die die Mutter hat.

*3 Dies Gerede hat kein Gesicht und keine Gestalt (weder Hand noch Fuss).

Jüd.-deutsch: Die Schmue hot kaan Ponim un kaan Zure. (Tendlau, 83.)


Gereden.

1 Einer geredt, der ander helt.Henisch, 1510, 24.

2 Gereden vnd halten ist zweyerlei.Agricola I, 731; Egenolff, 291a; Schottel, 1140b; Petri, II, 334; Eiselein, 227.

Frz.: Promettre est un, et tenir est un autre. (Eiselein, 227.)

3 Gereden vnd halten war steiff bey den alten.Eyering, II, 650.


Gereiss.

* Sie hot's Garaiss. (Würzburg.) – Sartorius, 161.

Man reisst sich um sie, sie hat viel Tänzer, Liebhaber, Freier.


Gereon.

*1 Das dich S. Gereons thurn plage.Tappius, 43b.

Lat.: In lapidicinas. (Erasm., 457; Tappius, 43b; Henisch, 1511, 35.)

*2 Einen in Sanct-Gereon's Loch setzen, dass ihn die Sonne nicht bescheine.


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[[783]/0811] an der Weichsel, dessen Richter einen dortigen Schlosser wegen eines begangenen Verbrechens zum Tode verurtheilten, statt seiner aber, da er der einzige Schlosser in der Stadt war und nicht gut entbehrt werden konnte, einen der beiden Schmiede hinrichten liessen, die sich am Orte befanden. Man hatte so der Stadt Schmiede und Schlosser erhalten und glaubte doch auch der – Gerechtigkeit Genüge gethan zu haben. (Reinsberg IV, 78.) 12 Die grösste Gerechtigkeit ist die grösste Ungerechtigkeit. Dass Gerechtigkeit keine Ungerechtigkeit sein kann, ist an sich klar; in dem Sprichwort ist von dem buchstäblichen Verständniss und der buchstäblichen Anwendung positiver Gesetze die Rede. – Jakobi erklärt die Gerechtigkeit als die Freiheit derer, welche gleich sind, und Ungerechtigkeit als die Freiheit derer, die ungleich sind. (Ruge, Sämmtliche Werke, Manheim 1848, I, 30.) Nach Schopenhauer besteht die Gerechtigkeit darin, „dass der Mensch es unterlässt, Leiden über andere zu verhängen, um sein eigenes Wohlsein dadurch zu vermehren“. 13 Du arme Gerechtigkeit liegst im Bett und hast kein Kleid. – Simrock, 3433; Körte, 2037; Kirchhofer, 152; Reinsberg II, 132. „Gibt es in Frankreich noch einen Menschen, der an Gerechtigkeit und Ehre glaubt?“ (Proudhon, Börsenspeculanten.) 14 Durch Gerechtigkeit wird der Thron bestätigt. – Körte, 2035; Körte2, 2508. 15 Es lebe die Gerechtigkeit und sterbe die Welt! – Heuseler, 229 u. 373; Parömiakon, 2161. „Es gibt nur Eine Tugend“, sagt Seume, „und diese Tugend ist Gerechtigkeit.“ Diese Gerechtigkeit ist aber im vorstehenden Sprichwort nicht gemeint, sondern der Grundsatz herzloser Juristen: Es lebe der Buchstabe des Gesetzes, wenn auch die Welt darüber unterginge. Etwa wie die Parodie: Es sterbe der Hund, es lebe der Stock! 16 Gerechtigkeit biegt sich, die Kirche fügt (schmiegt) sich, das Volk verirrt sich und der Satan sucht seinen Raub. Frz.: Justice ploye, l'église noye, le commun desvoye, Sathan quiert sa proye, justice sur toutes vertus a le prix. (Leroux, II, 98; Kritzinger, 406b.) 17 Gerechtigkeit fiel die Stiege ab, ihr ist noth, dass man sie lab'. – Eiselein, 226. 18 Gerechtigkeit fordert man im (gestreckten) Galop und gewährt sie im Schneckenschritt. 19 Gerechtigkeit fördert zum Leben, dem vbel nachjagen, fördert zum Todt. – Petri, II, 334. 20 Gerechtigkeit hegen, Mässigkeit pflegen. – Hertz, 72. Inschrift auf einem Geschirr. 21 Gerechtigkeit ist am liebsten gesehen, wenn sie beim Nachbar wohnt. It.: Ognuno ama la giustizia a casa altrui, a nessun piace a casa sua. (Bohn I, 117.) 22 Gerechtigkeit ist blind, sie urtheilt, wie sie's find't. 23 Gerechtigkeit ist des Fürsten Spiegel. – Winckler, XVIII, 80. Die Russen: Gerechtigkeit ist des Zaren Krone und Weisheit sein Scepter. (Altmann VI, 447.) It.: Del prencipe lo specchio è la giustizia. (Pazzaglia, 142, 3.) 24 Gerechtigkeit ist des Reiches Grundfeste. Frz.: La justice est la pierre fondamentale d'un état. (Kritzinger, 406b.) Lat.: Justitia regnorum fundamentum. (Egeria, 119.) 25 Gerechtigkeit ist Gottes, Gerechtigkeiten sind des Teufels. 26 Gerechtigkeit ist leichter als Gold. 27 Gerechtigkeit ist stet. – Graf, 6, 109. Sie wird immer das Ziel des Strebens und Wünschens sein. So viel Unrecht es in der Welt gibt, nie wird die Ungerechtigkeit zur Grundlage der Gesellschaft gemacht werden. Mhd.: Gerechtigkait ist stät. (Lichner, 1, 1.) 28 Gerechtigkeit ist todt, der Glaub leidet noth. – Henisch, 1509, 50; Petri, II, 334. 29 Gerechtigkeit ligt vnter der banck, Warheit vnd trew ist worden kranck. – Henisch, 1509, 52; Petri, II, 334. Böhm.: Spravedlnost do nebe utekla. (Čelakovský, 361.) 30 Gerechtigkeit macht Unterschied. – Graf, 5, 81. D. h. die wahre Gerechtigkeit beurtheilt die Handlung nach Ort, Zeit, Umständen und knüpft an diese Unterscheidungen bestimmte Folgen; sie schert nicht über Einen Kamm. Mhd.: Gerechtigkait macht vnderschaid. (Lichner, I, 1.) 31 Gerechtigkeit muss geschehen, sollt auch die ganze Welt vergehen. – Henisch, 1509, 54; Petri, II, 334. 32 Gerechtigkeit will Muth haben. Lat.: Justitia melior fortitudine. (Bovill, II, 99.) 33 In hundert Pfund Gerechtigkeit ist kein Loth Liebe enthalten. – Michelet, Gedanken. Ein türkisches Sprichwort dagegen sagt: Eine Stunde Gerechtigkeit ist so viel werth als siebzig Jahre Gebete. (Cahier, 2698.) 34 Kommt Gerechtigkeit vors Thor, so findet sie Schloss (Ketten) und Riegel vor. Die Russen: Wollte die Gerechtigkeit auch zehn Jahre wandern, sie fände in den Schlössern der Grossen doch keine Herberge. 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Und auch keine wahre Freiheit. „Ihr wollt frei sein“, rief Sieyès den Franzosen zu, „und wisst nicht gerecht zu sein.“ (Annalen der leidenden Menschheit, 1799, Hft. 6, S. 163.) Und Friedrich Wilhelm IV. von Preussen hat einem katholischen General ins Album geschrieben: „Ohne Gerechtigkeit keine Ehre, ohne Ehre kein Glück.“ (National-Zeitung, Berlin 1857, Nr. 3.) It.: Dove non è giustizia, non è pace. (Pazzaglia, 142, 4.) *42 Die Gerechtigkeit bei der Nase ziehen. – Parömiakon, 1663. Das Recht drehen, wenden. Frz.: Bon fait justice prevenir. (Leroux, II, 184.) *43 Er ist der Gerechtigkeit ins Garn gelaufen. *44 Hier kann man die Gerechtigkeit mit Laternen suchen. – Frischbier, 1230. Gerede. 1 Viel Gerede und nichts dahinter. Frz.: De grand langage peu de fruict, grand dommage. (Leroux, II, 209.) 2 Was kann das Gerede nutzen, sagte Hans Schnapp, die paar Böhmen Geld will ich haben, die die Mutter hat. *3 Dies Gerede hat kein Gesicht und keine Gestalt (weder Hand noch Fuss). Jüd.-deutsch: Die Schmue hot kaan Ponim un kaan Zure. (Tendlau, 83.) Gereden. 1 Einer geredt, der ander helt. – Henisch, 1510, 24. 2 Gereden vnd halten ist zweyerlei. – Agricola I, 731; Egenolff, 291a; Schottel, 1140b; Petri, II, 334; Eiselein, 227. Frz.: Promettre est un, et tenir est un autre. (Eiselein, 227.) 3 Gereden vnd halten war steiff bey den alten. – Eyering, II, 650. Gereiss. * Sie hot's Garaiss. (Würzburg.) – Sartorius, 161. Man reisst sich um sie, sie hat viel Tänzer, Liebhaber, Freier. Gereon. *1 Das dich S. Gereons thurn plage. – Tappius, 43b. Lat.: In lapidicinas. (Erasm., 457; Tappius, 43b; Henisch, 1511, 35.) *2 Einen in Sanct-Gereon's Loch setzen, dass ihn die Sonne nicht bescheine. Gereonskiste. * In die Gereonskiste kommen. – Weyden. So sagt man in Köln von heirathslustigen Jungfrauen, denen der Spätsommer naht, ohne das sie unter die

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. [783]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/811>, abgerufen am 28.04.2024.