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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.

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[Spaltenumbruch] von dem Dorfe Paris entstanden sein, wo man sie auf eine sehr geschickte Art zu machen gewusst habe. Die Redensart wird angewandt, wenn man jemand auf empfindliche, beleidigende, verletzende Weise an seine niedere Herkunft erinnern will.


Parille.

* Auf der Parille, da man mit dem Gesäss durchguckt. - Fischart.


Pariren.

* Er parirt ihr auf ein Haar. - Masson, 90.

Er steht unter dem Pantoffel (s. d.) seiner Frau.


Paris.

1 Auch in Paris macht man nicht aus Hafergrütz ein Reisgericht.

2 Es reist nicht jeder nach Paris, der in einen Wagen steigt.

Die Russen: Nicht alle, die in einer Kibitke sitzen, fahren nach Sibirien. (Altmann V, 118.)

3 In Paris ist alles zu finden, nur keine Heiligkeit.

Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, dass man dort nicht Papst werden kann.

Frz.: Qui se tient a Paris, ne sera jamais pape. (Bohn I, 53; Cahier, 1240.)

4 Nach Paris zurückzugehen ist niemals schlechtes Wetter.

Behaupten die Franzosen (il ne fais jamais mauvais temps pour aller a Paris), und sie haben insofern Recht, als diejenigen, welche nach Hause reisen, selten nach dem Wetter fragen, das übrigens in Paris keineswegs so schön ist, wie vielseitig angenommen wird. Es ist im Gegentheil als regnerisch verrufen, sodass die vielen Regengüsse im November le temps de Paris (pariser Wetter) und die pariser Studenten le crottes de Paris (die Beschmuzten von Paris) genannt werden. Indess ist sogar der Schmuz von Paris, den schon die Römer kannten, da sie Paris Lutetia Parisiorum nannten, etwas so Ausserordentliches, dass man ihn pariser Schmuz nennt. (S. Festsitzen.)

Frz.: Il ne fait jamais mauvais temps pour retourner a Paris. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

5 Paris empfängt Bauern (Arbeiter) und gibt Stutzer (Bummler) zurück.

In China sagt man dafür: Die Provinzen senden Mandarinen nach Peking und Peking sendet ihnen Diener und Boten.

6 Paris ist das Gehirn der Welt. (S. Nachttopf.)

L. Börne (Ges. Schriften, V, 21) sagt: "Es ist schwer, in Paris dumm zu bleiben; doch verzweifle darum keiner, der Beharrlichkeit gelingt alles."

7 Paris ist das Mekka für Affen und Modenarren.

Vielleicht auch die Hochschule für Höflinge und Gecken, für Dressur und Politur. Daher sagt A. Ruge (Zwei Jahre in Paris, I, 397): "In Paris wird man mit mehr Rücksicht zum Thor hinausgeworfen, als in Deutschland zum Hofrath ernannt," wenn auch die 1870 aus Paris vertriebenen Deutschen dies schwerlich bestätigen werden.

8 Paris ist das moderne Babel.

Man nennt es auch Lutetia Parisiorum (Dreckstadt). Es ist der Mittelpunkt aller Ergötzlichkeit. Weil es auf der Insel Isle de France liegt, hat es ein Schiff im Wappen.

9 Paris ist das Paradies der Frauen, das Fegefeuer der Männer und die Hölle der Pferde.

Paris est le paradis des femmes, le purgatoire des hommes et l'enfer des chevaux. (Cahier, 1254.) In einer ältern Lesart ist Paris das Fegefeuer der Processführenden, die Hölle der Maulthiere und das Paradies der Frauen. J'ay tousjours ouy dire que Paris estoit le purgatoire des plaideurs, l'enfer des mules et le paradis des femmes. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) Die Urtheile über diese Stadt, welche Victor Hugo 1870 die heilige, uneinnehmbare nannte, obgleich sie eher Europas Giftquelle genannt werden könnte, sind verschieden. Vor einigen Jahren nannte sie ein Mitglied des gesetzgebenden Körpers das Gehirn Frankreichs (le cerveau de la France), wurde aber von einem andern Abgeordneten mit den Worten unterbrochen: "Un cerveau braule" (ein verbranntes Gehirn). Ludwig XI. sagte: "Paris ist ein Durcheinander von Narretei, Liederlichkeit und Grösse." Karl V.: "Die Pariser sind Engel oder Teufel." Ludwig XI. bezeichnete die Pariser als "Schellen zur Kappe seines Hofnarren." Franz I. versicherte: "Der Boden von Paris haucht Intelligenz und Tapferkeit aus." Karl VIII. behauptete: Paris ist nicht sowol eine Stadt als eine Welt (Lutetia non urbs sed orbis). Die Stadt war also wol damals schon zu gross, um sie in eine Tonne zu stecken, was durch das Sprichwort bestätigt wird: Si Paris estoit plus petit, on le mettroit dans un baril. (Illustrirte Zeitung, 1447; Cahier, 1255.) Alex. Herzen 1847 in einem Briefe aus Rom: "Paris ist ein Centrum, wer aus ihm scheidet, verlässt die Mitwelt." Ferner: "Paris ist der einzige Ort des untergehenden Occidents, wo man gemächlich untergehen kann." L. Börne (Ges. Schriften, V, 21): "Paris ist der Telegraph der Vergangenheit, [Spaltenumbruch] das Mikroskop der Gegenwart und das Fernrohr der Zukunft." Rogeard nannte es "das Zifferblatt der Völkerfreiheit." Heinrich IV. sagte: "Um ein Bild der Pariser zu geben, würde ich in das Wappen der Stadt einen Würfel, einen Degen und einen Weiberunterrock setzen lassen, anzudeuten, dass der Pariser ein Spieler, ein braver Soldat und ein Weiberfreund ist." Ludwig XIV. äusserte: "Ein Sturm ist mehr zu fürchten zu Paris mit seinem kleinen Seineflusse, als mitten im Ocean; man muss die Pariser mit eiserner Faust im Zaume halten," für welchen Zweck sein Minister Colbert "sammetne Handschuh" empfahl. Rabelais sagte: "Der Pariser ist ein Thor in Dur und Moll." Der Dichter Aug. Barbier scheint in einem seiner Lieder die sogenannte "heilige Stadt" am richtigsten zu bezeichnen, wenn er ausruft: "Weh, dies Paris ist heut' ein Sumpf, nicht zu ergründen, der allen Auswurf in sich fasst; ein Becken, drein die Welt aus ungezählten Schlünden speit ihre Ströme von Morast." (Duncker, Sonntagsblatt, Berlin 1870, S. 360.) Die Allgemeine Zeitung enthielt im Herbst 1870 folgendes Sprichwort aus dem 13. Jahrhundert: Parisiis nati, non possunt esse beati, non sunt felices, quia matres sunt meretrices.

10 Paris ist die Hölle der Engel und des Teufels Paradies.

H. Heine: "Paris, die leuchtende Hauptstadt der Welt, das springende, singende schöne Paris, die Hölle der Engel, der Teufel Paradies."

11 Paris ist galant, wer kein Geld hat, der gibt Pfand.

Frz.: A Paris bon usage, qui n'a argent s'y laisse. (Kritzinger 507b.)

12 Paris ist nicht an Einem Tage erbaut.

Frz.: Paris la grande ville ne fut pas faite en un jour. (Bohn I, 44; Leroux, I, 244; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

13 Paris ist zum Schauen, Lyon zum Haben, Toulouse zum Lernen und Bordeaux zum Ausgeben.

Frz.: Paris est bon pour voir, Lyon, pour avoir, Toulouse, pour apprendre et Bordeaux pour dependre. (Cahier, 1251; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

14 Vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski.

Die vielfach angewandte und sprichwörtlich gewordene Rede verdankt ihre Entstehung den Depeschen aus dem Grossen Hauptquartier in Versailles während des deutsch-französischen Kriegs 1870 - 71, da während der Belagerung der französischen Hauptstadt viele mit diesen Worten wochenlang schlossen. "Madrid ist ruhig und - vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski." (Harmlose Briefe eines deutschen Kleinstädters, im Salon, VII, 509.) Sagte man unter Napoleon mit Recht: "Lügenhaft wie ein Kriegsbülletin," darf man jetzt sagen: "Wahrhaftig wie eine Podbielski'sche Depesche." Podbielski's Name ist schon vollständig in das Fleisch und Blut des Volks übergegangen, und das berühmte, oftmals wiederholte: "Vor Paris nichts Neues," schon zu einem geflügelten Worte geworden. (Das neue Blatt, Leipzig 1871, Nr. 11, S. 175.)

15 Wenn Paris belagert wäre, würden die Bürger einen schönen Schrecken kriegen.

Diese Erfahrung haben sie 1870 - 71 gemacht.

Frz.: Si Paris estoit assiege, les bourgeois auroient bel effroi. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

16 Wenn Paris den Rhein trinkt, wird ganz Gallien ein Ende nehmen.

In diesem Sprichwort liegt mehr politische Weisheit, als 1870 die französischen Staatsmänner offenbart haben.

17 Wenn Paris nicht seinesgleichen hat, Lyon ist doch 'ne edle Stadt. - Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

18 Wenn Paris nicht seinesgleichen in der Welt hat, so hat Lyon nicht seinesgleichen in Frankreich. - Deutsche Romanzeitung, 46, 791.

19 Wenn Paris seinesgleichen nicht hat, so bleibt Lyon gleichfalls ohne Gefährten. - Berckenmeyer, 56.

20 Wer nach Paris als Eslein fährt, als Rösslein schwerlich wiederkehrt. - Wurzbach II, 271.

21 Wer Paris haben will, muss erst Corbeil nehmen.

Das schon im 13. Jahrhundert durch seine Zwiebeln berühmte Corbeil (oignons de Corbeil) in der Umgegend von Paris galt ehemals für den Schlüssel der Hauptstadt, sodass man sagte: Prendre Paris par Corbeil. (Leroux, I, 224.)

22 Zu Paris hat, ganz genau, hundert Männer jede Frau. - Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

Frz.: A Paris, a Paris chaque femme a cent maris.

*23 Er ist von Paris nach Montfaucon gereist. - Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

D. h. er ist gehängt worden. Zu Montfaucon stand der Galgen.


[Spaltenumbruch] von dem Dorfe Paris entstanden sein, wo man sie auf eine sehr geschickte Art zu machen gewusst habe. Die Redensart wird angewandt, wenn man jemand auf empfindliche, beleidigende, verletzende Weise an seine niedere Herkunft erinnern will.


Parille.

* Auf der Parille, da man mit dem Gesäss durchguckt.Fischart.


Pariren.

* Er parirt ihr auf ein Haar.Masson, 90.

Er steht unter dem Pantoffel (s. d.) seiner Frau.


Paris.

1 Auch in Paris macht man nicht aus Hafergrütz ein Reisgericht.

2 Es reist nicht jeder nach Paris, der in einen Wagen steigt.

Die Russen: Nicht alle, die in einer Kibitke sitzen, fahren nach Sibirien. (Altmann V, 118.)

3 In Paris ist alles zu finden, nur keine Heiligkeit.

Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, dass man dort nicht Papst werden kann.

Frz.: Qui se tient à Paris, ne sera jamais pape. (Bohn I, 53; Cahier, 1240.)

4 Nach Paris zurückzugehen ist niemals schlechtes Wetter.

Behaupten die Franzosen (il ne fais jamais mauvais temps pour aller à Paris), und sie haben insofern Recht, als diejenigen, welche nach Hause reisen, selten nach dem Wetter fragen, das übrigens in Paris keineswegs so schön ist, wie vielseitig angenommen wird. Es ist im Gegentheil als regnerisch verrufen, sodass die vielen Regengüsse im November le temps de Paris (pariser Wetter) und die pariser Studenten le crottés de Paris (die Beschmuzten von Paris) genannt werden. Indess ist sogar der Schmuz von Paris, den schon die Römer kannten, da sie Paris Lutetia Parisiorum nannten, etwas so Ausserordentliches, dass man ihn pariser Schmuz nennt. (S. Festsitzen.)

Frz.: Il ne fait jamais mauvais temps pour retourner à Paris. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

5 Paris empfängt Bauern (Arbeiter) und gibt Stutzer (Bummler) zurück.

In China sagt man dafür: Die Provinzen senden Mandarinen nach Peking und Peking sendet ihnen Diener und Boten.

6 Paris ist das Gehirn der Welt. (S. Nachttopf.)

L. Börne (Ges. Schriften, V, 21) sagt: „Es ist schwer, in Paris dumm zu bleiben; doch verzweifle darum keiner, der Beharrlichkeit gelingt alles.“

7 Paris ist das Mekka für Affen und Modenarren.

Vielleicht auch die Hochschule für Höflinge und Gecken, für Dressur und Politur. Daher sagt A. Ruge (Zwei Jahre in Paris, I, 397): „In Paris wird man mit mehr Rücksicht zum Thor hinausgeworfen, als in Deutschland zum Hofrath ernannt,“ wenn auch die 1870 aus Paris vertriebenen Deutschen dies schwerlich bestätigen werden.

8 Paris ist das moderne Babel.

Man nennt es auch Lutetia Parisiorum (Dreckstadt). Es ist der Mittelpunkt aller Ergötzlichkeit. Weil es auf der Insel Isle de France liegt, hat es ein Schiff im Wappen.

9 Paris ist das Paradies der Frauen, das Fegefeuer der Männer und die Hölle der Pferde.

Paris est le paradis des femmes, le purgatoire des hommes et l'enfer des chevaux. (Cahier, 1254.) In einer ältern Lesart ist Paris das Fegefeuer der Processführenden, die Hölle der Maulthiere und das Paradies der Frauen. J'ay tousjours ouy dire que Paris estoit le purgatoire des plaideurs, l'enfer des mules et le paradis des femmes. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) Die Urtheile über diese Stadt, welche Victor Hugo 1870 die heilige, uneinnehmbare nannte, obgleich sie eher Europas Giftquelle genannt werden könnte, sind verschieden. Vor einigen Jahren nannte sie ein Mitglied des gesetzgebenden Körpers das Gehirn Frankreichs (le cerveau de la France), wurde aber von einem andern Abgeordneten mit den Worten unterbrochen: „Un cerveau brûlé“ (ein verbranntes Gehirn). Ludwig XI. sagte: „Paris ist ein Durcheinander von Narretei, Liederlichkeit und Grösse.“ Karl V.: „Die Pariser sind Engel oder Teufel.“ Ludwig XI. bezeichnete die Pariser als „Schellen zur Kappe seines Hofnarren.“ Franz I. versicherte: „Der Boden von Paris haucht Intelligenz und Tapferkeit aus.“ Karl VIII. behauptete: Paris ist nicht sowol eine Stadt als eine Welt (Lutetia non urbs sed orbis). Die Stadt war also wol damals schon zu gross, um sie in eine Tonne zu stecken, was durch das Sprichwort bestätigt wird: Si Paris estoit plus petit, on le mettroit dans un baril. (Illustrirte Zeitung, 1447; Cahier, 1255.) Alex. Herzen 1847 in einem Briefe aus Rom: „Paris ist ein Centrum, wer aus ihm scheidet, verlässt die Mitwelt.“ Ferner: „Paris ist der einzige Ort des untergehenden Occidents, wo man gemächlich untergehen kann.“ L. Börne (Ges. Schriften, V, 21): „Paris ist der Telegraph der Vergangenheit, [Spaltenumbruch] das Mikroskop der Gegenwart und das Fernrohr der Zukunft.“ Rogeard nannte es „das Zifferblatt der Völkerfreiheit.“ Heinrich IV. sagte: „Um ein Bild der Pariser zu geben, würde ich in das Wappen der Stadt einen Würfel, einen Degen und einen Weiberunterrock setzen lassen, anzudeuten, dass der Pariser ein Spieler, ein braver Soldat und ein Weiberfreund ist.“ Ludwig XIV. äusserte: „Ein Sturm ist mehr zu fürchten zu Paris mit seinem kleinen Seineflusse, als mitten im Ocean; man muss die Pariser mit eiserner Faust im Zaume halten,“ für welchen Zweck sein Minister Colbert „sammetne Handschuh“ empfahl. Rabelais sagte: „Der Pariser ist ein Thor in Dur und Moll.“ Der Dichter Aug. Barbier scheint in einem seiner Lieder die sogenannte „heilige Stadt“ am richtigsten zu bezeichnen, wenn er ausruft: „Weh, dies Paris ist heut' ein Sumpf, nicht zu ergründen, der allen Auswurf in sich fasst; ein Becken, drein die Welt aus ungezählten Schlünden speit ihre Ströme von Morast.“ (Duncker, Sonntagsblatt, Berlin 1870, S. 360.) Die Allgemeine Zeitung enthielt im Herbst 1870 folgendes Sprichwort aus dem 13. Jahrhundert: Parisiis nati, non possunt esse beati, non sunt felices, quia matres sunt meretrices.

10 Paris ist die Hölle der Engel und des Teufels Paradies.

H. Heine: „Paris, die leuchtende Hauptstadt der Welt, das springende, singende schöne Paris, die Hölle der Engel, der Teufel Paradies.“

11 Paris ist galant, wer kein Geld hat, der gibt Pfand.

Frz.: A Paris bon usage, qui n'a argent s'y laisse. (Kritzinger 507b.)

12 Paris ist nicht an Einem Tage erbaut.

Frz.: Paris la grande ville ne fut pas faite en un jour. (Bohn I, 44; Leroux, I, 244; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

13 Paris ist zum Schauen, Lyon zum Haben, Toulouse zum Lernen und Bordeaux zum Ausgeben.

Frz.: Paris est bon pour voir, Lyon, pour avoir, Toulouse, pour apprendre et Bordeaux pour dépendre. (Cahier, 1251; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

14 Vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski.

Die vielfach angewandte und sprichwörtlich gewordene Rede verdankt ihre Entstehung den Depeschen aus dem Grossen Hauptquartier in Versailles während des deutsch-französischen Kriegs 1870 – 71, da während der Belagerung der französischen Hauptstadt viele mit diesen Worten wochenlang schlossen. „Madrid ist ruhig und – vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski.“ (Harmlose Briefe eines deutschen Kleinstädters, im Salon, VII, 509.) Sagte man unter Napoleon mit Recht: „Lügenhaft wie ein Kriegsbülletin,“ darf man jetzt sagen: „Wahrhaftig wie eine Podbielski'sche Depesche.“ Podbielski's Name ist schon vollständig in das Fleisch und Blut des Volks übergegangen, und das berühmte, oftmals wiederholte: „Vor Paris nichts Neues,“ schon zu einem geflügelten Worte geworden. (Das neue Blatt, Leipzig 1871, Nr. 11, S. 175.)

15 Wenn Paris belagert wäre, würden die Bürger einen schönen Schrecken kriegen.

Diese Erfahrung haben sie 1870 – 71 gemacht.

Frz.: Si Paris estoit assiégé, les bourgeois auroient bel effroi. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.)

16 Wenn Paris den Rhein trinkt, wird ganz Gallien ein Ende nehmen.

In diesem Sprichwort liegt mehr politische Weisheit, als 1870 die französischen Staatsmänner offenbart haben.

17 Wenn Paris nicht seinesgleichen hat, Lyon ist doch 'ne edle Stadt.Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

18 Wenn Paris nicht seinesgleichen in der Welt hat, so hat Lyon nicht seinesgleichen in Frankreich.Deutsche Romanzeitung, 46, 791.

19 Wenn Paris seinesgleichen nicht hat, so bleibt Lyon gleichfalls ohne Gefährten.Berckenmeyer, 56.

20 Wer nach Paris als Eslein fährt, als Rösslein schwerlich wiederkehrt.Wurzbach II, 271.

21 Wer Paris haben will, muss erst Corbeil nehmen.

Das schon im 13. Jahrhundert durch seine Zwiebeln berühmte Corbeil (oignons de Corbeil) in der Umgegend von Paris galt ehemals für den Schlüssel der Hauptstadt, sodass man sagte: Prendre Paris par Corbeil. (Leroux, I, 224.)

22 Zu Paris hat, ganz genau, hundert Männer jede Frau.Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

Frz.: A Paris, à Paris chaque femme a cent maris.

*23 Er ist von Paris nach Montfaucon gereist.Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791.

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[[592]/0606] von dem Dorfe Paris entstanden sein, wo man sie auf eine sehr geschickte Art zu machen gewusst habe. Die Redensart wird angewandt, wenn man jemand auf empfindliche, beleidigende, verletzende Weise an seine niedere Herkunft erinnern will. Parille. * Auf der Parille, da man mit dem Gesäss durchguckt. – Fischart. Pariren. * Er parirt ihr auf ein Haar. – Masson, 90. Er steht unter dem Pantoffel (s. d.) seiner Frau. Paris. 1 Auch in Paris macht man nicht aus Hafergrütz ein Reisgericht. 2 Es reist nicht jeder nach Paris, der in einen Wagen steigt. Die Russen: Nicht alle, die in einer Kibitke sitzen, fahren nach Sibirien. (Altmann V, 118.) 3 In Paris ist alles zu finden, nur keine Heiligkeit. Wahrscheinlich ist dies auch der Grund, dass man dort nicht Papst werden kann. Frz.: Qui se tient à Paris, ne sera jamais pape. (Bohn I, 53; Cahier, 1240.) 4 Nach Paris zurückzugehen ist niemals schlechtes Wetter. Behaupten die Franzosen (il ne fais jamais mauvais temps pour aller à Paris), und sie haben insofern Recht, als diejenigen, welche nach Hause reisen, selten nach dem Wetter fragen, das übrigens in Paris keineswegs so schön ist, wie vielseitig angenommen wird. Es ist im Gegentheil als regnerisch verrufen, sodass die vielen Regengüsse im November le temps de Paris (pariser Wetter) und die pariser Studenten le crottés de Paris (die Beschmuzten von Paris) genannt werden. Indess ist sogar der Schmuz von Paris, den schon die Römer kannten, da sie Paris Lutetia Parisiorum nannten, etwas so Ausserordentliches, dass man ihn pariser Schmuz nennt. (S. Festsitzen.) Frz.: Il ne fait jamais mauvais temps pour retourner à Paris. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) 5 Paris empfängt Bauern (Arbeiter) und gibt Stutzer (Bummler) zurück. In China sagt man dafür: Die Provinzen senden Mandarinen nach Peking und Peking sendet ihnen Diener und Boten. 6 Paris ist das Gehirn der Welt. (S. Nachttopf.) L. Börne (Ges. Schriften, V, 21) sagt: „Es ist schwer, in Paris dumm zu bleiben; doch verzweifle darum keiner, der Beharrlichkeit gelingt alles.“ 7 Paris ist das Mekka für Affen und Modenarren. Vielleicht auch die Hochschule für Höflinge und Gecken, für Dressur und Politur. Daher sagt A. Ruge (Zwei Jahre in Paris, I, 397): „In Paris wird man mit mehr Rücksicht zum Thor hinausgeworfen, als in Deutschland zum Hofrath ernannt,“ wenn auch die 1870 aus Paris vertriebenen Deutschen dies schwerlich bestätigen werden. 8 Paris ist das moderne Babel. Man nennt es auch Lutetia Parisiorum (Dreckstadt). Es ist der Mittelpunkt aller Ergötzlichkeit. Weil es auf der Insel Isle de France liegt, hat es ein Schiff im Wappen. 9 Paris ist das Paradies der Frauen, das Fegefeuer der Männer und die Hölle der Pferde. Paris est le paradis des femmes, le purgatoire des hommes et l'enfer des chevaux. (Cahier, 1254.) In einer ältern Lesart ist Paris das Fegefeuer der Processführenden, die Hölle der Maulthiere und das Paradies der Frauen. J'ay tousjours ouy dire que Paris estoit le purgatoire des plaideurs, l'enfer des mules et le paradis des femmes. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) Die Urtheile über diese Stadt, welche Victor Hugo 1870 die heilige, uneinnehmbare nannte, obgleich sie eher Europas Giftquelle genannt werden könnte, sind verschieden. Vor einigen Jahren nannte sie ein Mitglied des gesetzgebenden Körpers das Gehirn Frankreichs (le cerveau de la France), wurde aber von einem andern Abgeordneten mit den Worten unterbrochen: „Un cerveau brûlé“ (ein verbranntes Gehirn). Ludwig XI. sagte: „Paris ist ein Durcheinander von Narretei, Liederlichkeit und Grösse.“ Karl V.: „Die Pariser sind Engel oder Teufel.“ Ludwig XI. bezeichnete die Pariser als „Schellen zur Kappe seines Hofnarren.“ Franz I. versicherte: „Der Boden von Paris haucht Intelligenz und Tapferkeit aus.“ Karl VIII. behauptete: Paris ist nicht sowol eine Stadt als eine Welt (Lutetia non urbs sed orbis). Die Stadt war also wol damals schon zu gross, um sie in eine Tonne zu stecken, was durch das Sprichwort bestätigt wird: Si Paris estoit plus petit, on le mettroit dans un baril. (Illustrirte Zeitung, 1447; Cahier, 1255.) Alex. Herzen 1847 in einem Briefe aus Rom: „Paris ist ein Centrum, wer aus ihm scheidet, verlässt die Mitwelt.“ Ferner: „Paris ist der einzige Ort des untergehenden Occidents, wo man gemächlich untergehen kann.“ L. Börne (Ges. Schriften, V, 21): „Paris ist der Telegraph der Vergangenheit, das Mikroskop der Gegenwart und das Fernrohr der Zukunft.“ Rogeard nannte es „das Zifferblatt der Völkerfreiheit.“ Heinrich IV. sagte: „Um ein Bild der Pariser zu geben, würde ich in das Wappen der Stadt einen Würfel, einen Degen und einen Weiberunterrock setzen lassen, anzudeuten, dass der Pariser ein Spieler, ein braver Soldat und ein Weiberfreund ist.“ Ludwig XIV. äusserte: „Ein Sturm ist mehr zu fürchten zu Paris mit seinem kleinen Seineflusse, als mitten im Ocean; man muss die Pariser mit eiserner Faust im Zaume halten,“ für welchen Zweck sein Minister Colbert „sammetne Handschuh“ empfahl. Rabelais sagte: „Der Pariser ist ein Thor in Dur und Moll.“ Der Dichter Aug. Barbier scheint in einem seiner Lieder die sogenannte „heilige Stadt“ am richtigsten zu bezeichnen, wenn er ausruft: „Weh, dies Paris ist heut' ein Sumpf, nicht zu ergründen, der allen Auswurf in sich fasst; ein Becken, drein die Welt aus ungezählten Schlünden speit ihre Ströme von Morast.“ (Duncker, Sonntagsblatt, Berlin 1870, S. 360.) Die Allgemeine Zeitung enthielt im Herbst 1870 folgendes Sprichwort aus dem 13. Jahrhundert: Parisiis nati, non possunt esse beati, non sunt felices, quia matres sunt meretrices. 10 Paris ist die Hölle der Engel und des Teufels Paradies. H. Heine: „Paris, die leuchtende Hauptstadt der Welt, das springende, singende schöne Paris, die Hölle der Engel, der Teufel Paradies.“ 11 Paris ist galant, wer kein Geld hat, der gibt Pfand. Frz.: A Paris bon usage, qui n'a argent s'y laisse. (Kritzinger 507b.) 12 Paris ist nicht an Einem Tage erbaut. Frz.: Paris la grande ville ne fut pas faite en un jour. (Bohn I, 44; Leroux, I, 244; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) 13 Paris ist zum Schauen, Lyon zum Haben, Toulouse zum Lernen und Bordeaux zum Ausgeben. Frz.: Paris est bon pour voir, Lyon, pour avoir, Toulouse, pour apprendre et Bordeaux pour dépendre. (Cahier, 1251; Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) 14 Vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski. Die vielfach angewandte und sprichwörtlich gewordene Rede verdankt ihre Entstehung den Depeschen aus dem Grossen Hauptquartier in Versailles während des deutsch-französischen Kriegs 1870 – 71, da während der Belagerung der französischen Hauptstadt viele mit diesen Worten wochenlang schlossen. „Madrid ist ruhig und – vor Paris nichts Neues, sagt Podbielski.“ (Harmlose Briefe eines deutschen Kleinstädters, im Salon, VII, 509.) Sagte man unter Napoleon mit Recht: „Lügenhaft wie ein Kriegsbülletin,“ darf man jetzt sagen: „Wahrhaftig wie eine Podbielski'sche Depesche.“ Podbielski's Name ist schon vollständig in das Fleisch und Blut des Volks übergegangen, und das berühmte, oftmals wiederholte: „Vor Paris nichts Neues,“ schon zu einem geflügelten Worte geworden. (Das neue Blatt, Leipzig 1871, Nr. 11, S. 175.) 15 Wenn Paris belagert wäre, würden die Bürger einen schönen Schrecken kriegen. Diese Erfahrung haben sie 1870 – 71 gemacht. Frz.: Si Paris estoit assiégé, les bourgeois auroient bel effroi. (Illustrirte Zeitung, Nr. 1447.) 16 Wenn Paris den Rhein trinkt, wird ganz Gallien ein Ende nehmen. In diesem Sprichwort liegt mehr politische Weisheit, als 1870 die französischen Staatsmänner offenbart haben. 17 Wenn Paris nicht seinesgleichen hat, Lyon ist doch 'ne edle Stadt. – Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791. 18 Wenn Paris nicht seinesgleichen in der Welt hat, so hat Lyon nicht seinesgleichen in Frankreich. – Deutsche Romanzeitung, 46, 791. 19 Wenn Paris seinesgleichen nicht hat, so bleibt Lyon gleichfalls ohne Gefährten. – Berckenmeyer, 56. 20 Wer nach Paris als Eslein fährt, als Rösslein schwerlich wiederkehrt. – Wurzbach II, 271. 21 Wer Paris haben will, muss erst Corbeil nehmen. Das schon im 13. Jahrhundert durch seine Zwiebeln berühmte Corbeil (oignons de Corbeil) in der Umgegend von Paris galt ehemals für den Schlüssel der Hauptstadt, sodass man sagte: Prendre Paris par Corbeil. (Leroux, I, 224.) 22 Zu Paris hat, ganz genau, hundert Männer jede Frau. – Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791. Frz.: A Paris, à Paris chaque femme a cent maris. *23 Er ist von Paris nach Montfaucon gereist. – Deutsche Romanzeitung, III, 46, 791. D. h. er ist gehängt worden. Zu Montfaucon stand der Galgen.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873, S. [592]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon03_1873/606>, abgerufen am 26.04.2024.